Finanztransaktionssteuer
Olaf Scholz gefährdet private Altersvorsorge: Steuerschock und Etikettenschwindel für Aktien-, Fonds- und ETF-Sparer
Das Wortungetüm Finanztransaktionssteuer, bzw. Financial Transaction Tax (FTT), ist eine Mogelpackung! Betroffen sind Aktien-Anleger, Pensionskassen, aber auch Anbieter von Aktienfonds oder anderen für die Vorsorge geeignete Produkten, bei denen in Aktien investiert wird. Ausgenommen wären laut den aktuellen Plänen Währungen, Rohstoffe oder Unternehmen mit sogenannten Zertifikaten und Derivaten sowie ebenso der Hochgeschwindigkeitshandel.
Hermann-Josef Tenhagen, Herausgeber und Chefredakteur von Finanztip.de - Deutschlands größter Verbraucher-Ratgeber - hat einen Offenen Brief an Olaf Scholz geschickt. Darin heißt es: "Auch wenn die finanziellen Auswirkungen der von Ihnen geplanten Steuer für die von uns propagierte Form der Altersvorsorge überschaubar sind, halten wir die von Ihnen geplante Steuer aus den folgenden Gründen für falsch:
- Die Signalwirkung ist die falsche. Warum werden normale Sparerinnen und Sparer herangezogen, während Hochfrequenzhändler, Daytrader, Zertifikate-Anleger und Zocker aller Art verschont bleiben sollen?
- Vor allem unbedarftere Sparer, die wir für eine aktienbasierte Altersvorsorge gewinnen wollen – bzw. müssen, wenn wir der drohenden Altersarmut entgegenwirken wollen – werden durch Ihre Steuerpläne verunsichert. Das sehen wir jeden Tag anhand der Fragen, die in unserer Redaktion eingehen.
Vor dem Hintergrund bitten wir Sie, Ihre Pläne zu überdenken und sicherzustellen, dass zumindest verbraucherfreundliche Anlageprodukte wie ETFs, die für den langfristigen Vermögensaufbau in der breiten Bevölkerung wichtig sind, von dieser Steuer ausgenommen werden." (Hier gehts zum Offenen Brief von Herrn Tenhagen)
Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutsche Schutzvereingung für Wertpapierbesitz (DSW), kommentierte die jüngsten Scholz-Pläne in einer Pressemitteilung: „Der aktuelle Vorstoß von
Finanzminister Olaf Scholz zur Finanztransaktionssteuer ist reine Symbolpolitik und der Versuch des Stimmenfangs für die SPD. Die Finanzierung der Grundrente als Grund für die Einführung der Steuer
anzugeben, ist ein politischer Schachzug von Scholz. Wer sich gegen die Finanztransaktionssteuer ausspricht, stellt sich damit zugleich gegen die Grundrente. Diese Verquickungen ist allein taktisch
und Herr Scholz spielt damit Bevölkerungsgruppen unfair gegeneinander aus.“
„Betroffen sind ganz normale Kleinsparer, die Geld etwa für die Altersvorsorge oder ihre Kinder anlegen“, sagte FDP-Experte Florian Toncar gegenüber Reuters. „Auch Lebensversicherungen und
Versorgungswerke, die sich um die Altersvorsorge von Millionen Menschen kümmern, werden die Steuer zahlen“, so Toncar. Eine weitere Branche wird betroffen sein: Passiv gemanagte börsengehandelte
Indexfonds (ETFs). „Nun müssen die Fondsanbieter, die bisher vor allem die geringen Kosten im Vergleich zu aktiv gemanagten Fonds betonten, für jeden Kauf 0,2 Prozent Steuer zahlen. Da diese Fonds
ständig handeln müssen, je nach Indexstand und Anteil der einzelnen Aktien am Index, summieren sich so die Börsenkosten, die das Produkt verteuern werden“, so der Tagesspiegel.
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Bei ETF-Sparplänen über monatlich 150 Euro für 25 Jahre (Anlagevolumen 45.000 Euro) mit einer durchschnittlichen jährlichen Rendite von fünf Prozent würde der Kapitalstock am Ende statt 88.235,47 Euro gut 88.089,00 Euro betragen, so brokervergleich. Eine Differenz von 176,47 Euro. Es fehlt mehr als eine Monatszahlung. Bei einem Anlagebetrag von 40.000 Euro in Aktien, zu je 10.000 Euro in vier Dax-Konzerne, fallen 80 Euro an.
Wer in Aktienfonds investiert, könnte auch indirekt von der Steuer betroffen sein, denn die Fondsgesellschaften werden die Steuer aller Voraussicht nach auf die Anleger abwälzen, so Tim Szent-Ivanyi vom Redaktionsnetz Deutschland. „Bei Anlageprodukten beispielsweise für die Riester-Rente handelt es sich oft um Aktienfonds. Die betreuenden Gesellschaften schichten die Aktien immer wieder um. Da künftig bei jeder Transaktion die neue Steuer fällig wird, sinkt die Rendite entsprechend“, so Szent-Ivanyi.
Hans-Walter Peters, Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, sagte gegenüber Bild: „Die geplante Aktiensteuer ist eine Hiobsbotschaft für die Sparer. In Zeiten von Nullzinsen wird es für Kleinanleger noch schwieriger rentabel fürs Alter vorzusorgen. Die Negativzinspolitik der EZB und die Aktiensteuer nehmen den Sparer jetzt von zwei Seiten in die Mangel. Die Steuer trifft auch die Wirtschaft und wird sich negativ auf Wachstum und Beschäftigung auswirken.“
In einem FAZ-Gastbeitrag von Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts, argumentierte Fuest: „Nun wird behauptet, andere unerwünschte Spekulationen, die Finanzmärkte destabilisieren und hohe Preisschwankungen verursachen, würden durch die geplante Steuer zurückgedrängt. Auch das ist falsch. Erstens werden wichtige Spekulationsinstrumente gar nicht erfasst, beispielsweise Derivate. Zweitens reduziert eine Finanztransaktionssteuer die Umsätze am Markt, so dass es für einzelne Spekulanten leichter wird, die Preise zu beeinflussen. Deshalb kann eine Finanztransaktionssteuer unerwünschte, spekulativ bedingte Preisausschläge sogar verstärken.“
Fuest meint: „In Zeiten, in denen Sparbücher keine Zinsen mehr bringen und der demographische Wandel die umlagefinanzierte Rente an Grenzen bringt, ist eigentlich erwünscht, dass breite Bevölkerungsschichten ihre Altersvorsorge durch Aktiensparen ergänzen. Wer beispielsweise pro Monat 100 Euro in Aktien spart, pro Jahr also 1200 Euro anlegt, wird künftig durch zusätzliche Steuern in Höhe von 2,40 Euro belastet. Nicht viel, aber eben doch eine Belastung. Gleichzeitig fördert der Staat die private Altersvorsorge mit Subventionen. Das passt nicht zusammen.“
„Ein Großteil der geschätzten Einnahmen aus der Aktiensteuer in Höhe von 1,5 Milliarden Euro jährlich wird von den Privatanlegern gezahlt werden. Nicht der Finanzsektor, wie Herr Scholz behauptet, sondern der Kunde trägt die Steuer“, kritisiert Christine Bortenlänger, Geschäftsführender Vorstand des Deutschen Aktieninstituts (DAI), den Gesetzentwurf zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf Aktien. „Die geplante Aktiensteuer sendet ein falsches Signal an die Menschen, die mit Aktien sparen und für das Alter vorsorgen wollen“, so Bortenlänger in einer Mitteilung des DAI.
Die Aktiensteuer müssen Anleger, die Aktien handeln, bezahlen – ob als institutioneller Kunde (z. B. Fondsgesellschaft) oder privater Investor, so die Welt. Bei einem Ordervolumen von 1.000 Euro würden zwei Euro ans Finanzministerium gehen. „Und doch verschiebt dieser kleine Obolus die ökonomischen Koordinaten zum Nachteil von Vorsorgesparern. Denn gerade die private Initiative wird dadurch bestraft. Auf Sicht von drei oder vier Jahrzehnten, müssen Anleger nach WELT-Berechnung mit einer Minderung ihres Vermögens von mehreren Tausend Euro rechnen. Entsprechend vermindert sich der potenzielle Renten-Grundstock“, so die Welt.
Im vergangenen Jahr beliefen sich die Umsätze, nach Angaben der Deutschen Börse, mit Aktien auf 1,3 Billionen Euro. Ausgenommen von der Aktiensteuern sind Aktienkäufe im Rahmen eines Börsengangs und solche Geschäfte, die „der Marktpflege dienen, wodurch die Marktliquidität geschützt wird“, so das Bundesfinanzministerium.
Seit dem 9. Dezember 2019 liegt der Gesetzesentwurf zur Finanztransaktionssteuer vor und wird den europäischen Partnern vorlegt. Anschließend muss der Entwurf auf EU-Ebene in das formelle Gesetzgebungsverfahren auf den Weg gebracht werden. Es sind neben Deutschland an dem Vorhaben auch Österreich, Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal, Slowakei, Slowenien und Spanien beteiligt.
Autor: wallstreet:online-Redaktion