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     3211  0 Kommentare Die große Zinsentscheidung

    Heute nun steht sie an, die große Zinsentscheidung der US-Notenbank. Und der Populismus und das Tittytainment in unseren Medien feiern neue Triumphe. „Diese Herausforderung macht so abhängig wie der Genuss von Erdnüssen“, wird Greenspan jetzt über die Geldpolitik zitiert – und ein Dutzend ähnlicher Zitate folgt. Die Überschriften lauten jetzt „Die Märkte erwarten klare Worte statt `Greenspeak´“. Über alles wird geschrieben, nur nicht über die wirklich wichtigen Fragen. Ein Glück, dass Greenspan keine Titten hat, denke ich dann stets, wenn ich so etwas lese. Denn dann wüssten die Journalisten sicherlich nicht einmal mehr, wie man „Geldpolitik“ schreibt.

    Es ist doch gerade die Kunst der Geldpolitik, die Märkte im Ungewissen zu halten, um sich selbst Handlungsmöglichkeiten offen zu lassen. Denn letztlich sind die Zinsschritte an sich gar nicht so wichtig. Viel wichtiger ist die psychologische Grundhaltung des Marktes – und die kann man nur schwerlich mit dem beeinflussen, was man sagt, jedoch viel trefflicher mit dem, was man nicht sagt.

    Was würde es jetzt faktisch bedeuten, wenn die US-Notenbank die Zinsen um 0,25 % erhöhen würde? Gar nichts, behaupte ich. Denn einerseits bedeuten höhere Zinsen zwar höhere Finanzierungskosten in der Gegenwart, doch was das wirklich für Auswirkungen hat, lässt sich erst an den Zukunftserwartungen ablesen. Werden nämlich weiter steigende Zinsen erwartet, dann sind selbst die leicht erhöhten Zinsen niedrige Zinsen – und werden prozyklisch wirken, werden die Wirtschaft und die Spekulation eher weiter anheizen als bremsen.

    Greenspan wird also den Teufel tun und das machen, was die Journaille von ihm erwartet. Die Geldpolitik wie die Börse werden damit auch weiterhin hinter dem Schleier der Psychologie verbleiben.

    berndniquet@t-online.de


    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Die große Zinsentscheidung Heute nun steht sie an, die große Zinsentscheidung der US-Notenbank. Und der Populismus und das Tittytainment in unseren Medien feiern neue Triumphe. „Diese Herausforderung macht so abhängig wie der Genuss von Erdnüssen“, wird Greenspan jetzt …