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    Degussa-Chefvolkswirt Thorsten Polleit im Interview  37576  5 Kommentare Mit Weltgeld in den Abgrund

    Unsere Kollegen vom Smart Investor beschäftigen sich immer wieder auch mit Grundsatzfragen von Geld und Wirtschaft. Im Folgenden lesen Sie ein Interview mit Degussa-Chefvolkswirt Professor Thorsten Polleit über Geld, Zwang und eine bessere Gesellschaft, und warum niemand das Recht hat, über andere zu herrschen.

    Smart Investor (SI): Herr Prof. Dr. Polleit, Ausgangspunkt Ihres neuen Werks – „Mit Geld zur Weltherrschaft“ – ist der Satz „Der Mensch handelt“. Erklären Sie uns bitte: Was impliziert diese trivial anmutende Aussage, und warum ist sie so elementar?

    Polleit: Der Satz „Der Mensch handelt“ ist so etwas wie ein „archimedischer Punkt“ des Denkens, denn er lässt sich mit logischen Mitteln nicht widerlegen. Aus ihm lassen sich weitere wahre Sätze ableiten – beispielsweise, dass menschliches Handeln stets zielbezogen ist; dass der Handelnde Mittel einsetzen muss, um seine Ziele zu erreichen; dass Mittel knapp sind; dass es kein zeitloses Handeln gibt; dass Menschen immer und überall eine positive Zeitpräferenz haben und dass der Urzins niemals null oder negativ werden kann. Immanuel Kant würde vermutlich die Erkenntnisse, die sich aus der Logik des Handelns gewinnen lassen, als „Bedingungen der Möglichkeit objektiver Erfahrung“ auffassen.

    SI: Die zweite Säule Ihrer Argumentation ist die Art des Erkenntnisgewinns, die Praxeologie. Warum ist diese Methode in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften der „wissenschaftlichen Methode“ überlegen?

    Polleit: Aus meiner Sicht ist die Praxeologie – man kann sie auch als Handlungslogik bezeichnen – die richtige Methode, um wissenschaftliche Erkenntnisse in der Sozial- und Wirtschaftswissenschaft zu gewinnen. Die Hauptstromökonomen greifen hingegen auf eine Methode zurück, die die Naturwissenschaft verwendet. Ein kategorialer, ein geradezu fataler Fehler, wie ich meine, denn dadurch schleichen sich nicht nur falsche Theorien in die Volkswirtschaftslehre ein und lassen sich popularisieren, die Ökonomen lassen sich auch politisch vereinnahmen, werden nur allzu leicht zum Spielball politischer Interessen.

    SI: Kommen wir zum Geld. Warum ist es wichtig, ob Geld ursprünglich einmal durch einen Entdeckungsprozess am freien Markt entstanden ist oder vom Staat erschaffen wurde?

    Polleit: Weil man erst dann verstehen kann, was „gutes Geld“ und was „schlechtes Geld“ ist. Geld ist eine spontane Erfindung des freien Markts. Staatliches Geld kann daher nur durch Gewalt und Zwang entstanden sein, und daher ist es „schlechtes Geld“, weil es unvereinbar ist mit dem Selbstbestimmungsrecht, das jedem Menschen zusteht. Wenn man erkannt hat, dass gutes Geld ein Phänomen des freien Markts ist, dann versteht man auch, dass staatliches Geld nicht gut sein kann, dass es unter ökonomischen und ethischen Defekten leidet.

    SI: Mittlerweile haben sich die Staaten allerdings flächendeckend des Geldes bemächtigt, und mit Fiat Money wurde eine Geldvariante durchgesetzt, die vor allem dem Interesse eben jener Staaten dient. Ketzerisch gesagt, ist das aus deren Perspektive doch bereits „gutes Geld“. Warum sollten sie das aufgeben, zumal sie die Fäden doch fest in der Hand halten?

    Polleit: Sie haben recht, der Staat und die von ihm begünstigten Sonderinteressengruppen werden ihr Geldmonopol nicht freiwillig hergeben. Es kann ihnen nur durch eine „Revolution von unten“ genommen werden, und die kommt in Gang, wenn eine hinreichend große Zahl von Menschen zur Einsicht gelangt, dass ihnen das Fiatgeld schadet, dass es besseres Geld gibt. Das ist alles andere als unmöglich. Es braucht vermutlich nur ein Pilotprojekt für gutes Geld – beispielsweise ein digitalisiertes Goldgeld-Zahlungssystem im US-Bundesstaat Texas –, und der Geist ist aus der Flasche. Wenn die Menschen die Vorzüge des guten Geldes erkennen, dann wollen sie es auch haben, und dann kann das Staatsgeldmonopol gestürzt werden.

    SI: Nun wird aber, so schreiben Sie, die Entwicklung in Richtung einer einheitlichen Weltwährung mit Kraft vorangetrieben. Meine erste Frage wäre hier: Ist ein Weltgeld denn überhaupt sinnvoll?

    Polleit: Ja, durchaus! Denn ein einziges Geld auf der Welt ist wirtschaftlich gesehen optimal. Wenn alle Menschen auf der Welt das gleiche Geld verwenden, wird die produktive Kraft des Geldes bestmöglich ausgeschöpft. Nicht umsonst hatte sich in der letzten Hälfte des 19. Jahrhunderts bereits ein einheitliches Weltgeld herausgebildet: das Goldgeld.

    SI: Sie argumentieren, die Staaten seien dabei, eine Weltzentralbank zu schaffen, die dann ein Weltgeld herausgibt, und als Folge werde eine Weltregierung, ein Weltstaat entstehen – und all das folgern Sie aus der Ideologie des demokratischen Sozialismus, die heute vorherrscht. Ich glaube, das müssen Sie unseren Lesern und uns näher erklären.

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    Polleit: Zunächst sollte ich sagen, dass ich keine Prognose vorlege, sondern nur eine bedingte Zukunftsskizze formuliere: Ich versuche, aufzuzeigen, wohin es führt, wenn die Menschen der politischen Ideologie des demokratischen Sozialismus unbeirrt folgen. Nun zu Ihrer Aufforderung: In allen entwickelten Ländern der Welt regiert heute der demokratische Sozialismus. Das heißt, dass das Privateigentum zwar formal erhalten bleibt – de facto wird es aber relativiert und ausgehöhlt, durch immer mehr und höhere Steuern, Verordnungen, Ge- und Verbote sowie Gesetze. All das erfolgt in kleinen Schritten, legitimiert durch parlamentarische Mehrheiten. Das ist es, was ich als demokratischen Sozialismus bezeichne.

    SI: … Ja, das verstehen wir. Aber warum sollten daraus ein Weltgeld und möglicherweise auch ein Weltstaat erwachsen?

    Polleit: Rund um den Globus haben sich Staaten – also territoriale Zwangsmonopolisten – herausgebildet. Sie eint der demokratische Sozialismus, und wie alle Sozialisten erheben auch die demokratischen Sozialisten einen Weltgeltungsanspruch. Aus ihrer Sicht reicht es nicht, wenn die von ihnen angestrebte Gleichheit nur in ihrem Land erreicht wird: Sie wollen ihr Gleichheitsideal überall durchsetzen. Dabei kann der demokratische Sozialismus keine Konkurrenz dulden. Wenn die demokratischen Sozialisten beispielsweise nur in einem Land besteuern, drohen Unternehmen und Talente abzuwandern, und zwar in andere Teile der Welt, in denen sie nicht so hoch besteuert werden. Wie aber lässt sich der unerwünschte Wettbewerb zwischen den Regionen ausschalten? Die aussichtsreichste Strategie ist das Schaffen einer Einheitswährung, deren ökonomische Zwänge die teilnehmenden Nationalstaaten dann letztlich unter eine einheitliche Führung zwingen.

    SI: Das ist angesichts der noch bestehenden Unterschiede zwischen den Ländern im Moment noch schwer vorstellbar. Wie kann man sich das rein technisch vorstellen?

    Polleit: Denken Sie nur einmal an den Euro. Seine Erschaffung liefert die Blaupause. Der Euro ist so etwas wie ein Weltwährungsprojekt „im Kleinen“. 1999 wurden elf nationale Währungen in eine Einheitswährung überführt. Die Wechselkurse der nationalen Währungen wurden erst untereinander stabilisiert, danach in eine Einheitswährung überführt. Dahinter steckt der demokratische Sozialismus, der eine Art Einheitszivilisation anstrebt, und mit dem Euro soll das sozialistische Großprojekt realisiert werden. Man will die Nationalstaaten überwinden, sie einer zentralen Instanz unterstellen, so etwas wie die „Vereinigten Staaten von Europa“ aus der Taufe heben. Das lässt sich auch „im Großen“ machen. Es gibt bereits Vorschläge, die in diese Richtung arbeiten: „Intor“, „Hegemonic Synthetic Currency“ oder digitales Zentralbankgeld.

    SI: Ein staatliches Weltgeld und einen Weltstaat empfinden wir als beklemmend, weil es dann buchstäblich keinen Ausweg mehr gibt. Was erwarten Sie konkret?

    Polleit: Die Schäden, die ein Welt-Fiatgeld verursachen würde, wären furchterregend. Weil die disziplinierende Kraft des Wettbewerbs im Währungsmarkt entfällt, wäre ein Welt-Fiatgeld viel inflationärer als die nationalen Fiatwährungen. Ein Weltgeld würde allergrößte Fehlallokationen bewirken und schwere Konflikte zwischen den Nationen provozieren. Es wäre ein Leichtes für eine Weltzentralbank, das Bargeld abzuschaffen, und die finanzielle Privatsphäre der Menschen wäre vollends zerstört. Ohne Bargeld wäre es zudem ein Leichtes für eine Weltzentralbank, Negativzinsen einzuführen. Die finanzielle Privatsphäre der Menschen wäre perdu, und die Tür für eine politische Willkürumverteilung von Einkommen und Vermögen auf dem Globus wäre offen. Ein außerordentlich bedrohliches Szenario – denn ein Weltstaat, der natürlich auch das Monopol für Recht und Sicherheit beansprucht, führt absehbar in die Tyrannei.

    SI: Sie formulieren in Ihrem Buch eine Lösung, damit es nicht zu Weltgeld und Weltstaat kommt. Sie sprechen von der „Privatrechtsgesellschaft“ – was verstehen Sie darunter?

    Polleit: Die Privatrechtsgesellschaft, die insbesondere von Murray Rothbard und Hans-Hermann Hoppe konzeptualisiert wird, bedeutet, dass für alle das gleiche Recht gilt: Es gibt keine Trennung zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht. Damit kann es den Staat – wie wir ihn heute kennen: als territorialen Zwangsmonopolisten – nicht mehr geben. In der Privatrechtsgesellschaft werden Recht und Sicherheit durch die freie Nachfrage und das freie Angebot bereitgestellt. Es gibt einen freien Markt für Geld. Im Grunde verbirgt sich dahinter die Idee der Aufklärung: Jeder Mensch hat ein unveräußerliches Selbstbestimmungsrecht. Niemand hat das Recht, über andere zu herrschen. Wenn das die Menschen verstehen, ist auch der Weg zum Weltgeld und in den Weltstaat gestoppt.

    SI: Nun sitzen diejenigen, die einen weltweiten dystopischen Geldsozialismus vorantreiben, am längeren Hebel. Reichen angesichts dieser Übermacht die „besseren Ideen“ der Befürworter von freiem Marktgeld und Privatrechtsgesellschaft aus? Was könnten potenzielle „Game Changer“ sein?

    Polleit: Die Ideen von Weltgeld und Weltstaat haben bereits kräftige Gegner bekommen – wie z.B. die Entwicklungen in den USA und Großbritannien bezeugen. Man muss wirklich hoffen, dass das Schule macht. Meine Schwiegermutter sagt, dass selbst in der dunkelsten Nacht von irgendwoher ein helles Licht kommt!

    SI: Herr Prof. Dr. Polleit, wir danken Ihnen für Ihre interessanten Ausführungen.

    Die Fragen stellte Ralph Malisch, Smart Investor


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    „Mit Geld zur Weltherrschaft: Warum unser Geld uns in einen dystopischen Weltstaat führt – und wie wir mit besserem Geld eine bessere Welt schaffen können“ von Prof. Dr. Thorsten Polleit; FinanzBuch Verlag; 224 Seiten; 17,99 EUR
     

    Kurzvita von Thorsten Polleit:
    Seit April 2012 ist Prof. Dr. Thorsten Polleit Chefvolkswirt der Degussa, des größten Edelmetallhandelshauses Europas. Seit 2014 ist er Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth. Darüber hinaus ist er Präsident des Ludwig von Mises Instituts Deutschland und Fellow am Ludwig von Mises Institute, Auburn, Alabama, USA. 2012 erhielt Herr Prof. Dr. Polleit den The O.P. Alford III Prize in Political Economy. Zudem ist er Autor zahlreicher Fachbeiträge. Seine letzten Bücher: „Mit Geld zur Weltherrschaft“ (2020), „Ludwig von Mises für jedermann – der kompromisslose Liberale“ (2018) und „Vom intelligenten Investieren“ (2018).

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    (Dieser Artikel aus der Smart Investor-Ausgabe 03/20 bezieht sich auf Daten, die bis zum 21.02.2020 erfasst wurden.)



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    Verfasst vonNicolas Ebert
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