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    Gesetz verabschiedet  20856  0 Kommentare Virtuelle Hauptversammlungen legalisiert: Gucken Aktionäre jetzt in die Röhre? – Warnungen

    Nach dem Bundestag hat am Freitag auch der Bundesrat das "Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie" gebilligt. Damit werden in Deutschland unter anderem erstmals rein virtuelle Hauptversammlungen (HV) von Aktiengesellschaften möglich. Zwar gilt das Gesetz nur während des Ausnahmezustands, trotzdem könnten Aktionärsrechte wie z. B. das Fragerecht beschnitten werden, warnen Aktionärsschützer.

    Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), hat grundsätzlich Verständnis für das neue Gesetz, warnt jedoch vor einer Beschneidung von Aktionärsrechten. Exklusiv gegenüber wallstreet:online sagte der DSW-Chef: „Grundsätzlich ist es verständlich, dass der Gesetzgeber hier aktiv wird und als zeitlich begrenzte Notlösung eine reine Online-HV ohne Satzungsänderung ermöglicht. Was uns aber umtreibt, ist die zeitgleiche deutliche Einschränkung der Aktionärsrechte, wie das Frage- oder auch Anfechtungsrecht. Eine Debatte oder Nachfragen wird es wahrscheinlich gar nicht oder nur in ganz seltenten Fällen in diesem Jahr geben. Das ist aber gerade in diesen besonderen und angespannten Zeiten besonders wichtig. Bisher haben die Gesellschaften die Online-HV wie der Teufel das Weihwasser gemieden. Jetzt, da die Aktionärsrechte eingeschränkt werden können, ist geradezu eine Begeisterung zu spüren. Hier müssen wir alle aufpassen, dass wir nach der Corona-Krise in unser gelebtes und gewachsenes System zurückkehren. Das Frage- und Kontrollrecht der Aktionäre ist der Kern unserer Corporate Governance. Wer an diesem ‚Rad‘ dreht, verschiebt auch sonst die Koordinaten. Die Folgen werden sonst deutlich mehr Klagen und eine Verschärfung des Tons sein. Das kann auch die Industrie nicht wollen.“

    Und weiter: „Die DSW fordert alle Gesellschaften auf, die ihre HV nicht aus zwingenden Gründen zeitnah durchführen müssen, die vom Gesetzgeber bis zum 31. Dezember 2020 verlängerte Frist zu nutzen und die HV zu einem späteren Zeitpunkt - wie gewohnt - als Präsenzveranstaltung nachzuholen.“

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    Markus Dufner, Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, vertritt eine ähnliche Position. Er sagte in einer Pressemitteilung, die wallstreet:online vorliegt: „Es gibt im Gesetz einige sinnvolle Änderungen zum Umgang von Aktiengesellschaften mit der aktuellen Pandemie. Die Frist, innerhalb derer eine Hauptversammlung abgehalten werden muss, wird von acht auf zwölf Monate nach Ende des Geschäftsjahres ausgedehnt. Dies gibt den Konzernen angesichts der Corona-Krise dringend benötigte Zeit. Wir erwarten, dass Konzerne davon Gebrauch machen und ihre Hauptversammlungen möglichst verschieben, statt sie zeitnah virtuell abzuhalten, mit allen negativen Konsequenzen für die Beteiligung von Aktionären. Die im Gesetz vorgeschlagenen neuen Regeln zum Fragerecht für Aktionäre bei virtuellen Hauptversammlungen müssen dringend überarbeitet werden.“

    Barbara Happe, Finanz-Campaignerin bei der NGO urgewald und Vorstandsmitglied im Dachverband, ergänzte: „Auch bei virtuellen Hauptversammlungen darf das Fragerecht von Aktionär*innen nicht durch den Vorstand willkürlich begrenzt werden. Es muss weiterhin gelten, dass alle Fragen sachgerecht beantwortet werden. Ansonsten ist keine umfassende Beurteilung der Geschäftstätigkeit eines Konzerns möglich, was die Basis für die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat ist. Hier öffnet der Gesetzentwurf die Türen für ein Rosinenpicken durch die Konzernvorstände. Statt ‚freiem Ermessen‘ über die Beantwortung von auch missliebigen Fragen braucht es eine Antwortpflicht unter klaren Bedingungen, so wie sie bisher im Aktiengesetz vorgesehen ist. Nur so kann die Zivilgesellschaft weiterhin auf dringende Änderungen zu Gunsten von Menschenrechten, Umwelt- und Klimaschutz hinwirken.“

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    Das Deutsche Aktieninstitut (DAI), ein Verband, der laut seiner Webseite „die Interessen der kapitalmarktorientierten Unternehmen, Banken, Börsen und Investoren“ vertritt, hatte sich hingegen früh für den Gesetzentwurf und HVs ohne Präsenzflicht stark gemacht und war dafür in die Kritik geraten, so börse.ard.de.

    Christine Bortenlänger, Geschäftsführender Vorstand des Deutschen Aktieninstituts, hatte bereits vor einer Woche in einer Pressemitteilung erklärt: „Das schnelle Handeln des Gesetzgebers in Sachen Hauptversammlung ohne Präsenzpflicht verdient große Anerkennung. Der vorgelegte Gesetzesentwurf enthält viele gute Regelungen. Dem Anliegen der Unternehmen nach einer rechtssicheren Hauptversammlung wird sehr weitgehend Rechnung getragen. Auch die Aktionärsrechte kommen nicht zu kurz. Allerdings steckt der Teufel bekanntermaßen im Detail, sodass der Entwurf noch an der einen oder anderen Stelle nachjustiert werden muss“.

    Beate Sander (82)*, Millionärin durch Aktien, besser bekannt als „Börsen-Oma“*, begrüßt die Neuregelung und virtuelle HVs grundsätzlich, da so zu mindestens Dividendenzahlungen sichergestellt werden könnten. Exklusiv gegenüber der Redaktion von wallstreet:online erklärte die Aktienexpertin: „In diesen schwierigen Zeiten geht es weniger um vielleicht beschnittene Fragerechte als die schnell und unbürokratisch erfolgte staatliche Zustimmung, Hauptversammlungen virtuell abzuhalten. Geschähe dies nicht, könnte bei Ausfall oder langwieriger Verschiebung der HV die angekündigte Auszahlung der Dividende gefährdet sein. Dies gilt vor allem für Unternehmen, die nicht kürzen oder streichen wollen. Aber auch da gibt es Beschlussfassungen, die man nicht beliebig auf die lange Bank schieben darf. Als Nichtexperte zu diesem Thema Hauptversammlung und Rechtslage freue ich mich, dass die virtuelle HV nun zulässig ist. Ein Beispiel, Bürokratie abzubauen. Diese Chance sollten möglichst viele Unternehmen wahrnehmen. Alles auf die lange Bank zu schieben, ist selten gut. Und wenn bis zum Spätherbst gewartet wird, kann auch das Wetter möglicherweise einen Strich durch die Rechnung machen. Man denke an Orkan, Hagel, Glatteis, Schneewehen usw.“

    Autor: Ferdinand Hammer


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