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    Im Interview  3836  0 Kommentare Northern Data AG: „Pro Gigawatt machen wir bis zu 500 Millionen Euro Umsatz im Jahr“

    Die Northern Data AG nimmt Anfang April in Texas das weltweit größte Rechenzentrum für High-Performance Computing (HPC) mit einer Kapazität von bis zu 3,6 Gigawatt in Betrieb. Das Unternehmen, das sich zu einem führenden Player im High-Performance Computing-Markt entwickelt hat, veröffentlichte kürzlich seine Guidance für 2020. Dort rechnet es mit einem Umsatz von 120 Millionen Euro bis 140 Millionen Euro bei einem EBITDA zwischen 45 Millionen Euro und 60 Millionen Euro. Die durch die Corona-Krise stark steigende Nachfrage nach HPC-Rechenleistung kurbelt das Geschäft zusätzlich an. Das Unternehmen verfügt neben verschiedenen Alleinstellungsmerkmalen über eine Künstliche Intelligenz, die es selbst entwickelt hat und kann damit hunderttausende Hochleistungs-Rechner parallel steuern und bedienen. Wir sprachen mit CEO Aroosh Thillainathan.

    Herr Thillainathan, in wenigen Tagen nehmen Sie in Texas das größte Rechenzentrum der Welt in Betrieb. Wie kommt es, dass ein vergleichsweise unbekanntes börsennotiertes Unternehmen aus Deutschland in den USA, dem Heimatmarkt der IT-Giganten, ein derartiges Rechenzentrum besitzt?

    Thillainathan: Unser Holdingsitz ist in der Tat in Deutschland, aber wir sind ein internationaler Player. Wir haben vor sieben Jahren in Frankfurt mit 50 High-Performance-Computern angefangen, Rechenkapazitäten für die Blockchain zur Verfügung zu stellen. Schon damals wurden wir mit Herausforderungen konfrontiert, für die wir Lösungen entwickeln mussten, da die von uns eingesetzten Chips extreme Anforderungen hinsichtlich Energiebedarf und Kühlung hatten. Wir entwickelten uns über Standorte in den Niederlanden und Skandinavien in die USA. Dass wir neben unserem Standort in Norwegen nun in Texas beginnen, hunderttausende hochspezialisierte High-Performance-Computer in Betrieb zu nehmen, liegt daran, dass wir es wie kein zweiter weltweit geschafft haben, die für den Bereich large-scale High-Performance-Computing relevanten Herausforderungen über die Jahre in den Griff zu bekommen. Dadurch konnten wir milliardenschwere Bluechip-Konzerne als Kunden gewinnen, die uns jetzt eine massive Skalierung und unter anderem den Bau des größten Rechenzentrums der Welt ermöglichen.

    Sie bieten Lösungen für den Bereich High-Performance-Computing an. Was versteht man konkret unter High-Performance-Computing?

    Thillainathan: High-Performance-Computing (HPC) ist aufgrund einer großen Menge von schnell wachsenden Anwendungsfeldern die Zukunft im Bereich Computing. Beim HPC wird ein Vielfaches der Rechenleistung eingesetzt, die normale Desktop-PCs generieren könnten. Wir sprechen hier von tausenden Hochleistungscomputern, die in Echtzeit Milliarden von Daten verarbeiten. Dadurch kann man HPC für Aufgaben einsetzen, die mit normalen Computern überhaupt nicht oder nur mit einem unverhältnismäßig hohen Zeitaufwand gelöst werden können. In den vergangenen Jahren wurde HPC hauptsächlich im wissenschaftlichen Umfeld für die Berechnung komplexer Modelle eingesetzt. Doch seit kurzem drängen mehr und mehr praktische Anwendungsfelder in den Markt, die HPC zu einem massiven Wachstumsmarkt machen. Die Einsatzgebiete explodieren förmlich.

    In welchen Anwendungsgebieten wird HPC bereits eingesetzt?

    Thillainathan: In der Vergangenheit wurde HPC praktisch ausschließlich in der Wissenschaft oder von Regierungen in militärischen Organisationen für komplexe Anwendungen und Simulationen eingesetzt. Heute entstehen mehr und mehr kommerzielle Anwendungsgebiete, die eine höchst anspruchsvolle Berechnung von Daten in Echtzeit benötigen. Dazu zählen unter anderem die Künstliche Intelligenz, das autonome Fahren, der Bereich Blockchain sowie der Life-Science-Sektor. Gerade im Bereich Life Sciences sorgt HPC mit seiner immensen Rechenleistung für eine Revolution, da es eine beschleunigte Entwicklung von neuen Wirkstoffen und Therapien ermöglicht.

    Bedeutet das, dass Sie von aktuellen Themen wie der Coronavirus-Pandemie profitieren?

    Thillainathan: Sogar in doppelter Hinsicht: Einerseits nutzen Pharmakonzerne und Forschungseinrichtungen weltweit aufgrund des Zeitdrucks HPC-Systeme, um Berechnungen und Simulationen der Epidemiologie oder Bioinformatik durchzuführen, die auf traditionellen Plattformen Monate oder sogar Jahre dauern würden. Andererseits sorgt die COVID-19-Pandemie auch für eine massive Überlastung der bestehenden Daten-Infrastruktur, wodurch Streamingdienste wie Netflix und Amazon Prime ihre Datenrate und damit Übertragungsqualität bereits deutlich reduzieren mussten, um die Netze nicht zu überlasten. Die Nachfrage nach unseren HPC-Lösungen und Kapazitäten schnellt gegenwärtig entsprechend in die Höhe.

    Was sind die besonderen Herausforderungen von HPC?

    Thillainathan: Aufgrund der extremen Rechenleistung benötigen HPC-Systeme ein Vielfaches an elektrischer Energie und Kühlung im Vergleich zu aktuellen Computersystemen. Dies stellt die gesamte IT-Branche vor gewaltige Herausforderungen, da die bestehende Infrastruktur von herkömmlichen Rechenzentren überhaupt nicht auf diesen erhöhten Energie- und Kühlungsbedarf vorbereitet ist. Rechenzentren haben heute eine Leistungsaufnahme im niedrigen zweistelligen Megawatt-Bereich und befinden sich in der Regel an Standorten, an denen sie mit der bestehenden Industrie um Energie konkurrieren. In Texas bauen wir bis zum Jahresende eine Kapazität von einem Gigawatt – also 1000 Megawatt – auf und können bis auf 3,6 Gigawatt skalieren. Zum Vergleich: Frankfurt am Main ist der führende Datacenter-Standort in Europa, mehr als drei Dutzend Betreiber teilen sich den Markt. Doch der gesamte Großraum Frankfurt am Main mit seiner Industrie wie den Chemiewerken in Höchst und dem internationalen Flughafen hat eine Lastspitze von rund 800 Megawatt. Die Netzkapazitäten würden es gar nicht hergeben, hier HPC-Projekte von unserem Kaliber zu realisieren. Hinzu kommt, dass die Kosten für Strom in Frankfurt um ein Vielfaches höher sind als an unseren Standorten in Texas oder in Norwegen.

    Welche Lösungen hat Northern Data für HPC, die andere Anbieter nicht haben? Also was ist Ihr USP?

    Thillainathan: Wir haben in den vergangenen Jahren Hard- und Software-Lösungen für den Bereich HPC entwickelt, die uns mittlerweile eine führende Stellung in diesem schnell wachsenden Markt geben. So verfügen wir über modulare High-Tech-Rechenzentren, die sich an praktisch jedem Standort der Welt einsetzen lassen, an dem Energie kostengünstig und im Überfluss zur Verfügung steht. Darüber hinaus bauen wir in Texas gegenwärtig das größte Rechenzentrum der Welt, an dem wir HPC in einer neuen Dimension anbieten können. Hierfür nutzen wir selbstentwickelte Software, die es uns ermöglicht, hunderttausende Hochleistungs-Rechner mit einer künstlichen Intelligenz parallel zu steuern und zu bedienen. Die Erkenntnis in der Branche ist mittlerweile, das large-scale HPC nur mit uns verlässlich funktioniert. Dies ist einer der Gründe, warum große Bluechip-Konzerne mit uns langfristige Verträge abschließen.

    Wieso verfügt Ihr Unternehmen hier über einen Vorsprung?

    Thillainathan: Wir haben unsere Wurzeln im Bereich Blockchain. Blockchain war das erste kommerzielle Einsatzgebiete von HPC, und so konnten wir in diesem Nischenmarkt in den vergangenen sieben Jahren wertvolle Erfahrungen dabei sammeln, wie man den Einsatz von Hochleistungsrechnern kostengünstig und energieeffizient skaliert. Kaum jemand weiß, dass sich der Blockchain-Sektor als eine der ersten breiten Massenanwendungen im Bereich HPC etablierte. Die extremen Anforderungen an Elektrizitätsbedarf und Kühlung der hochspezialisierten Chips, die für das Berechnen von Blockchain-Anwendungen benötigt werden, sorgten bei uns für das richtige Umfeld, um uns frühzeitig mit unseren Ingenieuren und Entwicklern den spezifischen Herausforderungen zu stellen. Wir setzten uns dadurch bereits vor sieben Jahren mit der Lösung von Problemen auseinander, die unserem Wettbewerb im Bereich HPC erst heute überhaupt bewusst werden. Die Realität ist, dass es beispielsweise vor drei Jahren außer dem Bereich Blockchain gar keine large-scale Anwendungen im Bereich HPC gab. Autonomes Fahren oder Künstliche Intelligenz spielten ja zu diesem Zeitpunkt keine Rolle und beginnen erst jetzt in den Markt zu drängen. Dieses einzigartige, frühzeitig erworbene Wissen und unsere tiefgreifende Erfahrung in Kombination mit den von uns entwickelten Lösungen sind die Basis unseres heutigen Geschäfts und bieten ein großartiges Fundament für die aktuelle Skalierung.

    Wie schnell können Sie Ihr Geschäft skalieren?

    Thillainathan: Sehr schnell, denn die gerade entstehende überwältigende Nachfrage aus dem Markt trifft bei uns auf langjährige Erfahrung in der Skalierung von HPC-Systemen. Die Nachfrage und der Druck sind so groß, dass unsere Kunden langfristige Verträge mit Laufzeiten von fünf bis zehn Jahren unterschreiben und uns den Bau unserer Facility sozusagen als „Eintrittsgeld“ vorab finanzieren. Bei Baukosten im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich ist das für uns als Eigentümer der entstehenden Rechenzentren natürlich ein äußerst attraktives Geschäft.

    Wer sind Ihre Kunden?

    Thillainathan: Bei unseren ersten Kunden für Texas handelt es sich um große milliardenschwere Konzerne aus Japan, die strategisch entschieden haben, sich jeweils zweistellige Prozentsätze am entstehenden Markt zu sichern. Unsere weitere Kundenpipeline besteht ausschließlich aus großen Marktteilnehmern, da es sich bei den Projekten aus Kundensicht immer um Gesamtbudgets im mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich handelt.

    Wie erwarten Sie die weitere Entwicklung des HPC-Marktes?

    Thillainathan: Der HPC-Markt befand sich die vergangenen Jahre in den Kinderschuhen und geht gerade in den unterschiedlichsten Anwendungsbereichen durch die Decke. Die Nachfrage nach HPC-Lösungen übersteigt das Angebot um ein Vielfaches. Um Ihnen ein Gefühl dafür zu geben: Nach unseren Berechnungen ist der Bedarf an HPC-Rechenkapazität allein im Bereich Blockchain in den kommenden 18 bis 24 Monaten um das Dreißigfache höher als die Ressourcen, die wir in einem Jahr aufbauen können. Und niemand baut gegenwärtig mehr Kapazitäten auf als wir. Dass der Markt in den unterschiedlichsten Bereichen geradezu explodiert, verdeutlicht auch eine Aussage, die Eric Yuan, CEO von Zoom Video Communications, in der vergangenen Woche in einem Interview gegeben hat. Auf die Frage, ob er jemals erwartet hätte, dass eine Pandemie die Art ändern könnte, wie Menschen heutzutage digital arbeiten, antwortete er: „Wenn ich das gewusst hätte, hätten wir hundertmal mehr Kapazitäten reserviert.“ Das trifft es im Kern. Wir leben in Daten- und rechenintensiven Zeiten, die Nachfrage entwickelt sich explosionsartig.

    Wie schlägt sich diese Entwicklung auf Ihre Zahlen nieder?

    Thillainathan: Erst vor wenigen Tagen haben wir unsere Guidance für 2020 veröffentlicht. Im laufenden Jahr rechnen wir mit einem Umsatz von 120 Millionen Euro bis 140 Millionen Euro bei einem EBITDA zwischen 45 Millionen Euro und 60 Millionen Euro. Dies ist sehr konservativ, weil es die Verträge beinhaltet, die wir schon fest abgeschlossen haben und wir mit weiteren bedeutenden Kunden gerade in fortgeschrittenen Vertragsverhandlungen stehen. Daher ist das nur ein Vorgeschmack auf das, was uns die kommenden Jahre erwartet. Unser Rechenzentrum geht ja erst in Betrieb – und auch der weitere Jahresverlauf ist durch das Hochfahren der Kapazitäten gekennzeichnet. Wir planen bis zum Jahresende 2020 in Texas 1 Gigawatt an Kapazität fertiggestellt zu haben, an diesem Standort können wir auf bis zu 3,6 Gigawatt wachsen. Die Vorbereitung der Expansion an weiteren bedeutenden Standorten in Kanada und Skandinavien läuft auf Hochtouren.

    Wieviel Umsatz machen Sie pro Gigawatt?

    Thillainathan: Zwischen 400 und 500 Millionen Euro bei einer Bruttogewinnmarge von 40 bis 50 Prozent. Denn wir schaffen es, durch die von uns programmierte Künstliche Intelligenz einen bislang unerreichten Automatisierungsgrad zu erzielen, denn der Betrieb, die Steuerung und Wartung der hunderttausenden Hochleistungsrechner wird durch unsere Software durchgeführt. So schaffen wir es, pro Gigawatt nur 20 Vollzeitkräfte einzusetzen und können die Fixkosten extrem niedrig halten.

    Wo sehen Sie Ihre Gesellschaft in den nächsten Jahren?

    Thillainathan: Wir befinden uns in einem extrem schnell wachsenden Markt und haben die Chance, unsere führende Position in den nächsten Jahren weiter auszubauen. Die massive Nachfrage und der hohe Druck unserer Bluechip-Kunden geben uns eine solide Basis und ausreichend Rückenwind, um im Bereich HPC einen milliardenschweren, deutschen Konzern aufzubauen, der weltweit an der Spitze dieser neu entstehenden Industrie steht. Darauf arbeite ich seit Jahren hin und musste mit meinen Kollegen in den vergangenen Jahren viele technischen Hürden überwinden und manch zunächst unlösbar erscheinende Herausforderung lösen. Unsere aktuellen Erfolge zeigen mir, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Mein Ziel ist es, mit unserem Team die Chance zu nutzen und unsere Aktionärinnen und Aktionäre an einer Reise teilhaben zu lassen, die in Sachen Erfolg ihresgleichen sucht.

    Dieses Interview ist eine Kooperation von wallstreet-online mit der Redaktion von www.4investors.de.




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