Paraguay in der Corona-Krise
Interview mit Agri Terra Geschäftsführer Carsten Pfau
Frage: Die Corona-Krise hat auch Paraguay nicht verschont – wie wirkt sich das Thema auf das Land aus?
CP: Das stimmt, auch Paraguay ist von dem Virus nicht ausgespart worden, aus Argentinien und Italien wurde die Infektion eingeschleppt. Nach den ersten bekannt gewordenen Fällen hat die Regierung hier sehr drastisch reagiert und schnell eine Ausgangssperre verhängt. Restaurants, Fabriken und Einkaufszentren wurden geschlossen, die Fußballiga ausgesetzt. Ankommende Reisende wurden in Quarantäne genommen, bis schließlich die Grenzen komplett geschlossen wurden. Mit Ausnahme von Supermärkten, Apotheken und Banken ist so ziemlich alles paralysiert.
Frage: Aber die Maßnahmen zeigen Erfolg?
CP: Noch ist Paraguay erfreulicherweise abgeschlagen auf dem letzten Platz bei den bestätigten Corona-Fällen in Südamerika. Der zunächst befürchtete Ansturm auf überlastete Krankenhäuser ist bislang ausgeblieben, der Zusammenbruch des Gesundheitssystems hat nicht stattgefunden. Insofern ist die Regierung -Stand heute- erfolgreich. Wirtschaftlich sieht es da natürlich ganz anders aus.
Frage: Alle Länder müssen wohl mit einem Rückgang der Wirtschaft rechnen, so sicherlich auch Paraguay?
CP: Ja, aus dem eigentlich für dieses Jahr prognostizierten Wachstum von ca. 4% ist inzwischen ein erwarteter Einbruch um ca. 1-3% geworden, die Experten übertreffen sich da mit ihren Berechnungen. Ein Rückgang ist aber wohl unausweichlich, um wieviel Prozent am Ende auch immer. Wenigstens bleibt Paraguay aber auch hier auf den unteren Rängen, verglichen mit anderen Ländern Südamerikas, die einen sehr viel drastischeren Einbruch ihrer jeweiligen Wirtschaft erwarten. Die Landwirtschaft spielt dabei eine ganz wichtige Rolle. Paraguay ist ja bekanntlich ein Agrarland, und essen und trinken müssen die Leute immer, auch in der Krise.
Frage: Dann dürfte es Ihrem Unternehmen ja verhältnismäßig gut gehen?
CP: Tatsächlich können wir uns nicht beklagen. Obst und Gemüse wird momentan gekauft wie selten zuvor, und vor Investoren können wir uns in dieser Zeit auch nicht retten, gerade weil viele Leute die Zuverlässigkeit von Agrar-Investments in Krisenzeiten erkennen. Vor Inflation müssen wir auch keine Angst haben. So gesehen geht es uns also gut, den Umständen entsprechend. Auch zahlt es sich nun für uns aus, dass wir uns komplett und ausschließlich aus Eigenkapital finanzieren und überdies stets ein solides Finanzpolster vorhalten.
Frage: Ihre Mitarbeiter müssen sich also nicht sorgen?
CP: Nein, wir werden wegen der Corona-Krise niemanden entlassen müssen. Auch kürzen wir keine Gehälter, obwohl das in Paraguay rechtlich zulässig wäre. Im Gegenteil, für den Monat März haben viele unserer Mitarbeiter eine Zulage von uns bekommen. Wir sehen, dass bei vielen das sonst übliche zweite Einkommen des Ehepartners wegfällt und es mitunter eng wird. Unsere Mitarbeiter sind Herz und Seele unseres Unternehmens, und da helfen wir gerne.
Frage: Ihre Betriebe arbeiten also weiter?
CP: Ja, im Großen und Ganzen schon. Viele unserer Mitarbeiter wohnen ja mit ihren Familien auf unseren Plantagen und Anlagen, betrachten den Arbeitsplatz also auch als ihr Heim. Insofern ist es nicht schwer, den Betrieb aufrechtzuhalten. Verwaltungspersonal haben wir weitestgehend auf Heimarbeit umgestellt, und im Internetzeitalter ist das ja auch eigentlich weiters kein Problem. Unsere Unternehmungen sind überdies von der Ausnahmeregelung erfasst – die Lebensmittelproduktion des Landes soll unter allen Umständen auf voller Kapazität weitergehen. Auch da sieht man wieder, wie wesentlich die Landwirtschaft sein kann. Während die Wirtschaft mit Quarantäne und Ausgangssperre weitestgehend stillsteht, drängt man Unternehmen wie unseres geradezu, weiterzuarbeiten. Da fühlt man sich in seiner unternehmerischen Philosophie absolut bestätigt.
Frage: Wie man hört, helfen Sie aber nicht nur Ihren eigenen Mitarbeitern, sondern haben gerade auch Lebensmittel gespendet?
CP: Das ist richtig. Insbesondere die paraguayische Landbevölkerung ist von der Krise momentan stark betroffen. Die Leute versorgen sich sonst problemlos selber, sind meistens Ein-Mann-Betriebe, Mikro-Unternehmer. Die pendeln normalerweise täglich in die Großstädte und gehen dort ihrer jeweiligen Arbeit nach, haben so ihr Auskommen. Seit Quarantäne und Ausgangssperre gelten und weitgehend alles lahmgelegt ist, dürfen die Leute ihr Haus nicht mehr verlassen, und hätten ja auch kein Einkommen ohne regulären Geschäftsbetrieb in den Städten. Man denke an den Hot-Dog-Verkäufer mit seiner Würstchenbude, den Fensterputzer, den Parkplatzwächter, den Autowäscher. Die arbeiten alle auf eigene Rechnung. Aber auch Fabrikarbeiter, Kellner oder Friseure haben momentan kein oder kaum Einkommen, da viele Firmen aus finanziellen Gründen schlicht gezwungen sind, Gehaltszahlungen auszusetzen oder zumindest drastisch zu kürzen. Nach nun fast zwei Monaten ohne Einnahmen und ohne Erlaubnis, das Haus zu verlassen, werden die Vorräte knapp, manch einem droht bereits Hunger. Auf dem Land hilft man sich untereinander und es ist beeindruckend, wie sich die Leute dort gegenseitig unterstützen, das Wenige das sie haben auch noch teilen. Da haben wir helfen wollen – und es auch getan.
Frage: Wie haben Sie den Leuten vor Ort denn geholfen?
CP: Ganz unbürokratisch und spontan. Wir sind mit unseren Geländewagen in den nächsten großen Supermarkt gefahren und haben Lebensmittel eingekauft. Reis, Nudeln, Brot, Milchpulver – was man eben so braucht, um einstweilen über die Runden zu kommen. Auch ein Stück Seife haben wir jedem Paket beigelegt, angesichts der Corona-Implikation. Das haben wir dann höchstpersönlich an hunderte Familien auf dem Land verteilt, so konnten wir sicherstellen, dass alles auch da ankommt, wo es hinsoll, nämlich bei den Ärmsten der Armen. Regierungshilfen ist in diesem Zusammenhang leider nicht so ohne weiteres zu trauen. Das haben wir dann lieber selber in die Hand genommen. Alte Menschen, Personen mit Behinderung und vor allem natürlich Kinder sind in den Genuss unserer Soforthilfe gekommen.
Frage: Die Aktion wurde auch in den Medien kommentiert?
CP: Wenn vor einem der größten Supermärkte der Stadt plötzlich palettenweise Lebensmittel auf die Ladeflächen von Geländewagen verladen werden, erregt das schon Aufsehen. Unser Firmenlogo ist in Paraguay durchaus bekannt und angesichts der Situation konnte man dann schnell herleiten, dass wir eine größere Spende zusammenstellen. Darüber wurde im Fernsehen und in den Zeitungen berichtet. Inzwischen hat unsere Aktion schon so manchen Nachahmer gefunden – und das ist ja richtig und wichtig. Es geht schließlich darum, eine akute Krisensituation zu überbrücken, solidarisch denen zu helfen, die völlig unverschuldet in unmittelbare Not geraten sind.
Frage: War das dann also eine einmalige Aktion?
CP: Keinesfalls. Wir haben gerade eine Anfrage vom Roten Kreuz beantwortet und ebenfalls Lebensmittel für eine andere Region gespendet, in sehr ähnlicher Größenordnung. Darunter zum Beispiel eine Tonne Reis. Einige Bürgermeister und Gouverneure haben ebenfalls bei uns angeklopft und wir versuchen natürlich so viel zu helfen, wie möglich. Dazu sei gesagt, dass wir als Agrar-Unternehmen immer schon Lebensmittel für Bedürftige gespendet haben, Monat für Monat, nur haben wir nie darüber gesprochen. Diesmal ist es uns aber wichtig, Nachahmer zu finden, daher waren wir nicht gegen die Berichterstattung. Und es geht aktuell eben nicht nur um Leute, die laufend und konstant Hilfe benötigen. Plötzlich sind eben auch viele unverschuldet in Not geraten, die sich sonst problemlos selbst versorgen.
Frage: ein hohes Maß an Wohltätigkeit?
CP: Nein, nicht Wohltätigkeit. Das sehe ich ganz anders. Wohltätigkeit ist, was wir sonst, unter normalen Umständen, stillschweigend tun. Aktuell spreche ich von Sozialer Verantwortung. Das ist etwas anderes. Unternehmen, die in der Krise nicht an ihre Mitarbeiter denken, sich nicht um Bedürftige kümmern, sind Teil des Problems, nicht der Lösung. Die durch die Corona-Infektion bedingten Einschränkungen werden eines Tages auch wieder vorüber sein, und je mehr Leuten wir eine Brücke über diesen schweren Moment hinweg bauen können, umso schneller bekommen wir unsere brummende Wirtschaft zurück. Dieser Aufgabe müssen wir uns stellen.
Frage: Sie sagen, die Krise ist eines Tages auch wieder vorüber. Wie geht es dann weiter, was denken Sie?
CP: Für Paraguay sehe ich die Zukunft gar nicht mal so schlecht. Mit dem starken Agrarsektor als Grundlage ist das Land in der Lage, sich schnell zu erholen und zu einem soliden Wirtschaftswachstum zurückzukehren. Ich persönlich sehe auch starke Impulse für einen erneuten Bauboom in Paraguay, sogar noch in diesem Jahr. Das ergibt sich aus der Situation der Nachbarländer. Die Politik ist in der Hauptstadt Asuncion aufgewacht, man spricht verstärkt von Reformen, die den aufgeblähten Staatsapparat verschlanken sollen. Das würde dem Land sicher guttun. Die Welt wird dagegen nach den jüngsten Erfahrungen nicht mehr dieselbe sein. Viele Länder haben sich bereits feindselig gegenüber China geäußert, Spannungen wie einst zu Zeiten des Kalten Krieges sind nicht ganz auszuschließen. Ich kann mir auch vorstellen, dass es permanente Einschränkungen bei der Reisetätigkeit geben wird, zum Beispiel standardisierte Gesundheitstests parallel zu den Sicherheitskontrollen an Flughäfen. Die Weltwirtschaft wird einen schweren Schlag zu verkraften haben, und manche Länder werden sich leichter davon erholen können als andere. Staatsverschuldung und Inflation sind ein akutes Thema, dem man sich nicht entziehen kann. Staatsquote und Steuersätze dürften in vielen Ländern ebenfalls steigen. Einen derartig starken externer Schock wie die Corona-Virenkrise kann man ja fast schon mit den Auswirkungen eines Weltkriegs vergleichen, von dem sich ja auch einige Länder besser, andere schlechter erholt haben. Im Agrarland Paraguay glauben wir, auf der sicheren Seite zu sein.
Frage: vielen Dank für das Gespräch!
CP: Sehr gerne!