Wehren Sie sich effektiv!
Riesensauerei von Olaf Scholz: Geplante Steuer zerstört Börsen-Geschäfte, deren Absicherung und die Altersvorsorge von Anlegern
Von einer üblen Attacke gegen Anleger - gesteuert aus dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) an der Wilhelmstraße 97 hier in Berlin - berichtet Finanzjournalist Gian Hessami für die wallstreet:online-Partnerredaktion Smart Investor. Was hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz vor? Warum wirft er Börsenspekulanten Knüppel zwischen die Beine und gefährdet damit bewährte Absicherungsinstrumente wie Hebelprodukte? Die ganze Story!
Will die Bundesregierung den Aufbau von privatem Vermögen behindern? Zu diesem Schluss könnte man kommen, wenn man sich die Regelung zur neuen Besteuerung von Kapitalanlagen anschaut, die der Bundestag und der Bundesrat Ende 2019 beschlossen haben. Kernpunkt der Änderung ist die Verlustverrechnung bei Termingeschäften.
Wer etwa mit Hebelzertifikaten, Optionsscheinen, Knock-outs und CFDs Verluste erleidet, kann diese nach dem 31. Dezember 2020 nur noch bis maximal 10.000 EUR innerhalb eines Jahres mit Gewinnen aus dieser Produktgattung verrechnen – und zwar erst mit der Abgabe der Jahressteuererklärung. Eine unterjährige Anrechenbarkeit von Verlusten soll ab dem kommenden Jahr nicht mehr möglich sein. Smart Investor hat dieses Thema bereits in der vorigen Smart-Investor-Ausgabe angerissen (3/2020, S. 20); aufgrund des großen Leserinteresses stellen wir es nachfolgend nochmals ausführlicher dar.
Szenarien zeigen die Fragwürdigkeit
Was heißt das in der Praxis? Ein Beispiel: Ein Anleger erzielt im Jahr 2021 durch den Kauf und Verkauf von Optionsscheinen 20.000 EUR an Gewinnen und 40.000 EUR an Verlusten Nach der neuen Regelung
kann er künftig nur noch 10.000 EUR an Verlusten geltend machen und die restlichen 30.000 EUR ins kommende Jahr übertragen, wovon er dann wieder nur 10.000 EUR mit möglichen Termingeschäften
verrechnen kann. Unabhängig davon gilt für 2021: Obwohl der Anleger per Saldo einen Verlust von 20.000 EUR eingefahren hat, erfolgt die Berechnung der Steuern so, als hätte er einen Gewinn von
10.000 EUR erzielt. Kurzum: Der Anleger zahlt für das Jahr 2021 die Abgeltungsteuer (25 %) von 2.500 EUR. Nach der aktuellen (alten) Systematik würde er keine Abgeltungsteuer bezahlen, weil er ja
unterm Strich Verluste erzielt hat.
Ein skurriles Szenario zwei könnte so aussehen: Ein Anleger erwirtschaftet in einem Jahr mit Termingeschäften Gewinne von 100.000 EUR und Verluste von 80.000 EUR. Bislang muss er nur die Differenz versteuern, also 20.000 EUR. Die Abgeltungsteuer würde in dem Fall 5.000 EUR betragen. Nach der neuen Regelung, bei der nur 10.000 EUR der Gewinne mit den Verlusten verrechnet werden, muss der Anleger also einen Gewinn von 90.000 EUR besteuern und am Ende 22.500 Abgeltungsteuer zahlen.
Die Folge: Der Anleger reicht nicht nur seinen kompletten Gewinn von 20.000 EUR an den Fiskus weiter, sondern legt noch 2.500 EUR obendrauf – absurder geht es kaum. Kurios ist im Übrigen nicht nur die neue Regelung selbst, sondern, dass diese nur für Privatanleger gelten soll. Gewerbliche Investoren bleiben von den Änderungen ausgenommen. Professionelle und semiprofessionelle Trader, die eine GmbH oder AG gründen und ihre Geschäfte künftig über diese abwickeln, könnten demnach verfahren wie bisher.
Verfassungsrechtliche Bedenken des DDV
„Die Anerkennung von Verlusten wird im Vergleich zur aktuell geltenden Rechtslage erheblich eingeschränkt“, moniert Dr. Henning Bergmann, geschäftsführender Vorstand des Deutschen Derivate Verbands
(DDV). „Wir halten die Regelung für nicht zielführend und haben uns vehement dagegen ausgesprochen“, unterstreicht er. Lars Brandau, Geschäftsführer des DDV, verweist darauf, dass sich „der
Gesetzgeber gegen eine seit mehreren Jahren gefestigte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs stellt“. Diese besagt laut Brandau, dass seit Einführung der Abgeltungsteuer grundsätzlich sämtliche
Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen zu erfassen sind und dies gleichermaßen für Gewinne und Verluste gilt. Der DDV hat demnach verfassungsrechtliche Bedenken und regt dazu an, die
Beschränkung der Verlustverrechnung auf 10.000 EUR aufzuheben und auf den besonderen Verlustverrechnungskreis zu verzichten.
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Petition gegen geplante Regelung
Steuerexperten gehen davon aus, dass die geplante neue Gesetzesfassung einer gerichtlichen Prüfung nicht standhält, weil derjenige besteuert wird, der Verluste macht. Die Deutsche Schutzvereinigung
für Wertpapierbesitz (DSW), die davon überzeugt ist, dass das Gesetz verfassungswidrig ist, will Klagen ihrer Mitglieder unterstützen.
Es hat bereits ein Spitzengespräch zwischen DDV, DSW und anderen betroffenen Verbänden sowie der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gegeben. Auch mit dem Bundesfinanzministerium stehen die Verbände im Austausch. Lehnt Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) eine Korrektur ab, dürfte es im nächsten Schritt zu Musterklagen vor den Finanzgerichten kommen.
Aber die Anleger selbst können sich gegen die geplante Regelung wehren, indem sie sich einer Petition gegen die steuerliche Benachteiligung privater Anleger anschließen. Bislang haben sich mehr als 20.000 Unterstützer für diese
Petition gefunden. Unabhängig davon verfügen Betroffene über die Möglichkeit, ihre jeweiligen Wahlkreisabgeordneten anzuschreiben und diese auf die steuerliche Problematik hinzuweisen.
Als Grund für die Gesetzesänderung gab das Bundesfinanzministerium an: „Verluste aus Termingeschäften werden deshalb in einem besonderen Verlustverrechnungskreis berücksichtigt, um das
Investitionsvolumen und die daraus für Anleger entstehenden Verlustrisiken aus diesem spekulativen Anlagen zu begrenzen.“
Kurzum: Das Ministerium will dem Spekulieren Einhalt gebieten. Allein: Betroffen von der neuen Regelung sind Anleger, die sich mit Derivaten vor Verlusten an der Börse schützen möchten. So ist es mit Put-Optionsscheinen möglich, sein Aktiendepot gegen künftige Verluste abzusichern. Optionsscheine beziehen sich stets auf einen Basiswert, etwa eine Aktie oder einen Index. Das Prinzip: Der Kurs der Putscheine steigt, wenn die unterlegte Aktie oder der unterlegte Index an Wert verliert. Dies ist vergleichbar mit einer Versicherung. Als „Versicherungsprämie“ zahlen Anleger Geld für die Putpapiere. Geht es mit den Märkten nach unten, können die Optionsscheine Depotverluste wieder ausgleichen.
Derivate als Absicherungsinstrumente nutzen
So nutzt ein Großteil der deutschen Privatanleger Hebelprodukte, um sich gegen allzu große Kursverluste zu schützen. Dies geht aus einer Studie hervor, die die WHU – Otto Beisheim School of
Management im Auftrag des DDV erstellt hat. „Mehr als zwei Drittel der Käufer setzen Hebelprodukte zur Depotsicherung ein“, sagt Prof. Dr. Lutz Johanning, Inhaber des Lehrstuhls für empirische
Kapitalmarktforschung an der Hochschule. Bei der Untersuchung wurden rund 60.000 Anleger zwischen den Jahren 2000 und 2015 betrachtet. Darunter haben rund 22.000 Anleger Hebelprodukte wie
Optionsscheine und Knock-outs gehandelt. Im Smart-Investor-Musterdepot wurde z.B.
über einen Put-Optionsschein auf den DAX der Verlust bei den Aktienpositionen deutlich gelindert.
„Das Vorurteil, diese Instrumente seien nur etwas für Spekulanten, stimmt nicht“, so Prof. Dr. Johanning. So habe man sehr kurzfristige Trades bei weniger als einem Drittel der Kunden beobachtet. „Hier sind informierte und erfahrene Anleger unterwegs, die wissen, was sie tun“, resümiert der Experte. Er schätzt, dass hierzulande derzeit bis zu 400.000 Anleger Hebelprodukte nutzen. „Darüber hinaus setzen viele Vermögensverwalter diese Instrumente zur Absicherung ein“, fügt er hinzu.
Fazit
Die geplante Änderung der Verlustverrechnung stößt auf großes Unverständnis – bei Anlegern, Steuerrechtlern und Verbänden. Nun wird es spannend, ob die Regierung bis zum Jahresende die mehr als
fragwürdige Regelung korrigiert – im Sinne der Anleger, die am Aufbau ihres privaten Vermögens arbeiten.
Autor: Gian Hessami
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(Dieser Artikel aus der Smart Investor-Ausgabe 04/20 bezieht sich auf Daten, die bis zum 20.03.2020 erfasst wurden.)
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