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     236  0 Kommentare ICM-Investmentbank-Vorsitzender: Die Trendwende beim Ölpreis ist absehbar

    Der Absturz des Ölpreises ist einmalig. Doch für einen dauerhaften Abgesang ist es noch zu früh, findet Norbert Hagen. Der Vorsitzende der ICM Investmentbank glaubt: Der Preis dürfte in den kommenden Quartalen wieder drehen. Mineralöl-Gesellschaften seien daher ein lohnenswertes Investment.
    Norbert HagenFoto: ICM Investmentbank

    Die Gründe für den Kollaps des Ölpreises lassen sich kurz zusammenfassen: Eine zu hohe Produktion trifft auf eine zu niedrige Nachfrage und die Lager sind rappelvoll. So ist der Stand heute. Das wird allerdings nicht dauerhaft so bleiben.
    Die tägliche Produktion von Öl belief sich bis Ende April auf circa 100 Millionen Barrel pro Tag. Ein Fass entspricht 159 Litern. Über Ostern haben sich die Opec+-Staaten auf eine Kürzung der Produktion um immerhin 9,7 Millionen Barrel geeinigt. Das entspricht fast zehn Prozent der gesamten weltweiten Förderung. Die Kürzung sollte Anfang Mai in Kraft treten. Doch dabei wird es nicht bleiben.
    Kürzungen bei Investitionen
    Vor allem in den USA steht die Fracking-Industrie massiv unter Druck. Bei einem Preis von weniger als 40 Dollar pro Fass verdient das Gros der dortigen Fracking-Unternehmen kein Geld mehr. Bei einem Preis von weniger als 30 Dollar pro Fass, fällt es vielen Förderern von Schieferöl und -gas schwer, ihre Kreditzinsen zu bedienen. Die Branche ist hoch verschuldet.
    Welche Spuren der Ölpreis-Absturz hinterlässt, zeigen die sogenannten "rig counts", die regelmäßig der Ölservice-Konzern Baker Hughes veröffentlicht. Danach waren am 24. April in den USA 465 Bohrtürme im Einsatz. Eine Woche vorher waren es noch 64 mehr. Der Rückgang belief sich also innerhalb von nur sieben Tagen auf zwölf Prozent. Auf Sicht eines Jahres hat sich der Zahl der "drilling rigs" sogar von 991 auf 465 mehr als halbiert. Noch im vergangenen Jahr waren die Vereinigten Staaten mit einer täglichen Fördermenge von mehr als zwölf Millionen Barrel der größte Öl-Produzent der Welt. Offen ist, ob und wie lange das so noch bleiben wird.
    Nicht nur die amerikanische Fracking-Industrie kommt unter die Räder, auch Big Oil steht unter immensem Druck. Hier werden gerade die ursprünglich geplanten Investitionen pulverisiert. Beispielsweise hat Exxon bereits bekannt gegeben, seine Investitionen in diesem um Jahr um zehn Milliarden Dollar zu kürzen. Andere Ölmultis werden mit Sicherheit folgen. Damit ist absehbar, dass die amerikanische Ölproduktion nicht nur kurzfristig, sondern auch auf mittlere und lange Sicht sinken wird.
    Nachfrage wird wieder anziehen
    Klar ist, dass nicht nur die amerikanischen Ölfirmen sparen müssen und werden. Vielmehr wird das weltweit passieren. Dazu kommt, dass Quellen, die jetzt aufgrund der von der Opec+ beschlossenen Förder-Kürzung heruntergefahren werden, nicht ohne weiteres später wieder vollständig hochgefahren werden können. Vor allem die mit alter Technik betriebenen Ölquellen in Russland werden Schwierigkeiten haben, später einmal wieder das volle Produktionsniveau aus der Zeit vor der Corona-Krise zu erreichen.
    Schließlich ist nicht auszuschließen, dass die Opec+ noch weitere Kürzungen beschließt. Russland braucht eigentlich zur Finanzierung seines Staatshaushalts einen Preis von 42 Dollar pro Barrel. Bei Saudi-Arabien sind es sogar 74 Dollar. Davon ist der Ölpreis derzeit meilenweit entfernt.

    Die Analysten der UBS gehen davon aus, dass derzeit der weltweite Bedarf an Rohöl rund 20 Millionen Barrel tiefer liegt als vor Ausbruch der Virus-Pandemie. Kein Wunder: Wenn sich die Fabriken im Shutdown befinden, Flugzeuge ganz überwiegend am Boden bleiben und der Autoverkehr nachlässt, wird einfach weniger Öl gebraucht.
    Doch die Wirtschaft fängt langsam an, weltweit wieder hochzufahren. Den Anfang hat China gemacht. Dort befinden sich beispielsweise fast alle Autofabriken wieder in Produktion. Jetzt geht es auch in Europa und den USA schrittweise wieder los. So hat Volkswagen Ende April den Betrieb in den Werken in Zwickau und Wolfsburg zumindest im Ein-Schicht-Betrieb wieder gestartet.
    Angebot und Nachfrage nähern sich wieder an
    Eine spannende Frage lautet derzeit: Wie stark und wie schnell wird sich der weltweite Tsunami von Förderprogrammen auf die entsprechenden Volkswirtschaften auswirken. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht ein weiteres Hilfsprogramm angekündigt wird. In China summieren sich die verschiedenen Pakete auf ein Volumen von zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), die USA kommen sogar auf 13 Prozent und Deutschland auf zwölf Prozent. Wenn jetzt die Realwirtschaft wieder den Betrieb aufnimmt, wird sicherlich der Ruf nach Konjunkturprogrammen lauter. Eine Abwrackprämie 2.0 ist schon länger in der Diskussion.
    Das Angebot und die Nachfrage dürften sich beim Öl somit langsam, aber sicher wieder annähern. Wie lange dieser Prozess dauert und wann die vollen Lager wieder geräumt werden, lässt sich derzeit allerdings kaum vorhersagen. Allerdings könnten geopolitische Konflikte die Annäherung schlagartig beschleunigen.
    Zwar haben nach den Beobachtungen von BCA Research in den vergangenen Jahrzehnten Kriege und Bürgerkriege regelmäßig abgenommen, wenn der Ölpreis niedrig notierte. Vereinfacht ausgedrückt hatten die Öl-Staaten in diesen Phasen kein Geld für Rüstung und militärische Konflikte. Das dürfte auch jetzt der Fall sein. Eine Ausnahme bildet allerdings der Iran. Vor allem zwischen dem selbst ernannten Gottesstaat und den USA gibt es schon länger wieder ein bedrohliches Säbelrasseln. Sollte der Iran bei einer Eskalation die Straße von Hormus sperren, könnte das weltweite Angebot nach der Berechnung von BCA um 14 Prozent einbrechen. Die Vorzeichen der derzeitigen Ölkrise würden umgehend wechseln.
    Natürlich sind mit dem Ölpreis auch die Aktien der Fördergesellschaften unter die Räder gekommen. Angesichts der absehbaren Entspannung sollten Anleger diese jedoch zumindest auf ihre Watchlist setzen. Interessant sind vor allem europäische Mineralölkonzerne und die aus Schwellenländern wie Brasilien. Bei den US-Konzernen liegt dagegen die Gewinnschwelle vergleichsweise hoch.
    Über den Autor:Norbert Hagen ist Vorstandsvorsitzender und Fondsmanager der ICM Investmentbank. Das Institut wurde 1999 aus der Hypovereinsbank-Gruppe ausgegliedert. Es verwaltet rund 500 Millionen Euro an Kundengeldern.

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