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     431  0 Kommentare Notenbankpolitik extrem: Der Kampf zwischen Inflation und Deflation

    Die westliche Welt blickt auf ein Jahrzehnt dessen zurück, was konservative Wirtschaftsexperten immer noch als unorthodoxe Geldpolitik bezeichnen. Dazu gehören negative Zinssätze sowie quantitative Lockerungsmaßnahmen. Wo soll das alles hinführen? Ursprünglich entwickelt, um ein beschädigtes Finanzsystem wiederaufzubauen – anfangs vor allem in den USA und Großbritannien – wurden quantitative Lockerungsmaßnahmen später auch von der Europäischen Zentralbank und der japanischen Notenbank eingesetzt, um eine Deflation zu verhindern. Der Theorie zufolge sollte die daraus resultierende Inflation der Vermögenspreise einen wirtschaftlichen Einbruch verhindern, wenn sie denn anschließend eine weitergehende, generelle Inflation der Wirtschaft anregen würde.
    Darüber hinaus sollte eine mäßige Inflationsrate bei Vermögenspreisen, Immobilien sowie bei Löhnen und Gehältern Konsumenten einen Eindruck von wirtschaftlichem und finanziellem Fortschritt vermitteln. Folglich würden sich Konsumenten wohlhabender fühlen. Mit anderen Worten: Inflation trägt dazu bei, die Rädchen des wirtschaftlichen Fortschritts zu schmieren. Das ist einer der Hauptgründe, weshalb die Zentralbanken in den Vereinigten Staaten, Japan, der Eurozone und Großbritannien alle eine gemeinsame Zielinflationsrate von zwei Prozent anstreben.
    Das Versagen des Übertragungsmechanismus
    Zwar hat das Prinzip der quantitativen Lockerung in Großbritannien und den USA dazu beigetragen, das Finanzsystem zu retten, doch ein längerfristiger Inflationserhalt war dadurch sicherlich nicht erfolgreich. Jede der zuvor genannten Wirtschaftsregionen hat entweder damit gekämpft, das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen oder über einen längeren Zeitraum zu halten. Obwohl im Rahmen der quantitativen Lockerung zwischen den Jahren 2010 und 2018 insgesamt rund 16 Billionen Dollar ins System gepumpt wurden, verbunden mit massiven Vermögenspreissteigerungen, wurde weder das mäßige Inflationsziel erreicht, noch kam es zu einem angemessenen Wirtschaftswachstum. Ökonomen bezeichnen dies als Versagen des Übertragungsmechanismus, bei dem die schnell steigenden Vermögenspreise nicht auf die Gesamtwirtschaft durchschlagen. 
    Tatsächlich ist die Situation in der Realität noch schlimmer: Trotz zehn Jahre dieser konjunkturfördernden Maßnahmen hatte die Weltwirtschaft im Jahr 2019 damit zu kämpfen, um mehr als 2,5 Prozent zu wachsen. Hinzu kommt, dass 30 Prozent des Wachstums allein aus China kamen. Die Zentralbanken pumpten Dollar, Euro und Yen zu einem geringen Grenznutzen ins System. Sobald sich jedoch der Liquiditätsfluss verlangsamte oder der Geldhahn zugedreht wurde, stand den Wirtschaften wie Drogenabhängigen ein kalter Entzug bevor. 
    Die massive geldpolitische Reaktion auf Covid-19 lässt verbleibende Zinsen praktisch verpuffen. Die Zentralbanken werfen Geld auf das Problem, um einen Zusammenbruch des Finanzsystems zu verhindern. Damit versuchen sie, den gleichen Trick wie vor ein paar Jahren zu wiederholen. Den großen Unterschied machen diesmal jedoch die begleitenden Maßnahmen zur Sicherung von Arbeitsplätzen, Existenzgrundlagen und Unternehmen, während Politiker und Wissenschaftler sich mit dem Virus beschäftigen.Tag der lebenden toten Volkswirtschaften
    Doch führt dies zu einer höheren Inflation? Die Kräfte wirken in entgegengesetzte Richtungen: Während die Volkswirtschaften auf alarmierende Weise schrumpfen, schaffen Unternehmen, die künstlich am Leben gehalten werden, und Arbeitsplätze, die andernfalls abgebaut worden wären, einen Kapazitätsüberschuss und ein Produktivitätsdefizit. Das wird wenig charmant als Zombie-Ökonomie bezeichnet und ergibt sich aus der Missachtung einer Art darwinistischen Wirtschaftstheorie, bei der nur die Stärksten überleben.
    Zombie-Ökonomien leiden von Natur aus unter deflationärem Druck. Andererseits erholen sich mit der raschen Erholung der Wirtschaft auch die Rohstoffpreise und andere wirtschaftliche Investitionskosten. Das stellt wiederum einen Inflationsdruck dar. Die Antwort auf die Frage, welcher Druck größer sein wird, bleibt abzuwarten.
    Es ist mehr als wahrscheinlich, dass sich die Regierungen mittel- bis langfristig gezwungen sehen werden, über die bislang eingesetzten unmittelbaren, wirtschaftlichen Rettungsboote hinaus zu handeln, um einen wirtschaftlichen Abschwung und einen erheblichen Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Soweit es ihnen möglich ist, insbesondere angesichts steigender Schulden, ist es für viele attraktiv, mithilfe finanzieller Mittel ihren Weg aus den Schwierigkeiten zu finden. Infrastrukturausgaben, insbesondere für Initiativen gegen den Klimawandel, können durchaus dazu beitragen, sowohl Beschäftigung als auch Wachstum zu stimulieren. 
    Helikoptergeld
    Andere finanzpolitische Maßnahmen, mit denen versucht wird, das Vertrauen der Konsumenten zu stärken, können ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Bekannt als Helikoptergeld oder Moderne Geldtheorie, spülen solche Maßnahmen Bargeld direkt in die Taschen der Konsumenten, um sie dazu zu bringen, es wieder auszugeben. Das kann auf einfache Weise erfolgen, wie jüngst die Regierungen von Hongkong, Japan und den USA zeigten. Diese stellen jedem einzelnen Wähler buchstäblich einen Scheck aus, mit der Bitte, loszugehen und damit Waren und Dienstleistungen einzukaufen.
    Subtilere Möglichkeiten sind unter anderem der Erlass von Studienkrediten oder die Bereitstellung von Programmen für den erstmaligen Hauskauf. Egal wie, die Absicht dabei ist immer dieselbe: die Nachfrage anzukurbeln. Solche Maßnahmen neigen dazu, inflationär zu wirken. 
    Angesichts der schieren Menge an Schulden, die im globalen System zirkulieren – insbesondere jetzt, da weitere Schulden in das System gekippt werden – wollen die Zentralbanken einen signifikanten Inflationsanstieg vermeiden, der andernfalls durch höhere Zinssätze in Schach gehalten werden müsste. Das könnte schlicht und ergreifend zu viel für das System sein. Gleichermaßen müssen die Zentralbanken einer Deflation entgegenwirken, bei der Konsumenten Käufe aufschieben, wohlwissend, dass die Preise zu einem späteren Zeitpunkt niedriger ausfallen. Das würde letztendlich zu einem wirtschaftlichen Abschwung führen.
    Wie können sich Anleger gegen Inflation schützen?
    Für Anleger ist Gold traditionell eine gute Absicherung gegen Inflation. Auch Aktien haben in der Vergangenheit tendenziell vor Inflation geschützt. Das gilt vor allem für Aktien jener Unternehmen, die innovativ sind, in Marketing sowie Forschung und Entwicklung investieren und in der Lage sind, ihre Preise selbst festzusetzen.
    Anleihen hingegen sind abhängig von Inflationserwartungen, die sich in steigenden oder fallenden Zinssätzen niederschlagen. Zudem schwächt eine Inflation die Kaufkraft von Bargeld. Der daraus resultierende Schaden wird umso größer, je länger die Situation anhält. Wir haben es also mit einem komplexen Umfeld zu tun. Diversifizierte Anlagelösungen, die über verschiedene Regionen und Anlageklassen hinweg investieren, können jedoch dabei helfen, diese komplexe Situation zu bewältigen.
    Über den Autor: Alastair Irvine ist Produktspezialist im Independent Funds Team von Jupiter Asset Management. Er arbeitet seit 2015 für die börsennotierte Fondsgesellschaft. Irvine begann seine Karriere 1985 beim Börsenmakler Laurie, Milbank & Co. Er war über 20 Jahre im Bereich Aktien-Research tätig, unter anderem als stellvertretender Leiter für Europa, den Nahen Osten und Afrika bei Merrill Lynch, sowie als Partner und Leiter des Portfoliomanagements beim Investmenthaus Triple Point LLP.

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