Strenge Auflagen der EU-Kommission
Lufthansa: “Für Altaktionäre ist der Plan eine Katastrophe” - Aufsichtsrat und Aktionäre müssen noch zustimmen
Der Lufthansa-Vorstand hat sich mit der EU-Kommission auf die Eckpunkte des Neun-Milliarden-Euro-schwere Rettungspaket geeinigt. Die größte deutsche Airline muss an ihren Drehkreuzen in Frankfurt und München Start- und Landerechte an Konkurrenten abgeben. Die Erholungsrallye der Aktie flachte zum Ende der Woche etwas ab. Aber Experten sind skeptisch, ob die Rettung zum Erfolg wird.
“Die Lufthansa wird weiterleben, das ist klar”, sagt Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), exklusiv gegenüber wallstreet:online. “Doch sie fliegt dann künftig für den Staat. Wenn in den nächsten Jahren überhaupt Gewinne eingefahren werden, dann werden sie sie gleich als Garantiedividende wieder an den Staat ausgeschüttet. Für die Aktionäre, die nicht der Staat sind, sieht es die nächsten Jahre mager aus."
Laut der Ad-Hoc-Meldung vom Montagabend greift der deutsche Staat der Lufthansa mit einer stillen Einlage in Höhe von 5,7 Milliarden Euro unter die Flügel. Dafür zahlt die Fluggesellschaft in diesem und im kommenden Jahr vier Prozent Zinsen. Bis 2027 steigt diese Verzinsung auf bis zu 9,5 Prozent pro Jahr an. “Diese Hilfen sind natürlich nicht kostenlos. Der Staat bekommt eine ordentliche Rendite auf sein Kapital”, sagt Tüngler.
LBBW-Analyst Gerhard Wolff sieht das ähnlich. In einer Analyse der Landesbank vom Dienstag rechnet er vor: “Allein die stille Einlage kostet 230 Millionen jährlich. Schon heute bezahlt Lufthansa rund 400 Millionen Euro an Zinsaufwand.” Die LBBW rät weiter zum Verkauf der Aktie und sieht das Kursziel bei sechs Euro.
Der WSF erwirbt über eine Kapitalerhöhung außerdem 20 Prozent der Kranich-Aktien zu einem Kurs von 2,56 Euro. Den Zugriff auf weitere fünf Prozent plus eine Aktie sichert sich der Staat mithilfe einer Wandelanleihe. Sollte der Lufthansa die Übernahme durch einen Konkurrenten drohen, könnte der Staat dies mithilfe einer Sperrminorität verhindern. Einen weiteren Kredit in Höhe von drei Milliarden Euro stellt die staatliche Kreditanstalt KfW bereit.
“Für die Altaktionäre ist dieser Plan eine Katastrophe. Der Kurs wird – auch wenn er derzeit erst einmal ansteigt – allein durch die Verwässerung deutlich fallen”, stellt Marc Tüngler klar. Unklar sei, warum bisher keine Alternative zur Staatshilfe geprüft wurde. “Andere Fluggesellschaften, beispielsweise in den USA, holen sich selbst in Corona-Zeiten frisches Geld am Kapitalmarkt. Man könnte alternativ zum Beispiel die Flotte beleihen oder versuchen, sich teilweise auf dem Kapitalmarkt zu finanzieren.”
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Tüngler bedauert, dass der Vorstand rund um CEO Carsten Spohr diese Möglichkeiten nicht genauer geprüft hat. “Diese Alternativlosigkeit der Staatshilfe ist mir zu kurz gedacht. Die Lufthansa muss erklären: Was sind eigentlich die Alternativen und warum will man diesen Weg nicht gehen? Wieso gibt man sein Schicksal nur in eine Hand.”
Der drohende Absturz aus dem DAX scheint das geringste Problem für die größte Airline Europas zu sein. “So könnte man in Ruhe das Geschäft wieder nach vorne bringen und in zwei, drei Jahren zurückkommen”, sagt Marc Tüngler. Denn der Umbau des Konzerns und die Rückkehr auf die Erfolgsspur werden Kraft kosten. “Klar ist auch: Die Lufthansa der Zukunft wird kleiner werden, aber feiner. Und dass kann nur mit schmerzhaften Einschnitten beim Personal klappen.”
Mit zwei Vertretern des Staates im Aufsichtsrat könnten allzu große Einschnitte jedoch schwierig werden. Im Aufsichtsrat bahnt sich eine unheilige Allianz zwischen Staat und Arbeitnehmerseite an. Das wäre ein neues Fiasko für die Lufthansa”, vermutet Tüngler. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hatte zuvor in einem Tagesthemen-Interview beteuert, dass die Regierung sich aus dem operativen Geschäft der Airline heraushalten wolle.
Doch bevor das Rettungspaket besiegelt ist und die Lufthansa wieder abheben kann, muss die EU-Kommission dem Deal noch offiziell zustimmen. Auch der Aufsichtsrat und die Aktionäre müssen noch beraten.
Kritik an den strengen EU-Auflagen kam unter anderem von Bayern Ministerpräsident Markus Söder. Eine Diskriminierung der Lufthansa zugunsten von Low-Cost-Anbietern wäre ein "falsches Signal", sagte Söder gegenüber dem “Handelsblatt".
Autor: Julian Schick, wallstreet:online-Zentralredaktion