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     1949  0 Kommentare Werte zählen nichts mehr

    Dass das mit der EZB seit einiger Zeit ein großer Schmu ist, das weiß ja heute eigentlich jeder. Was mich jedoch extrem überrascht und sogar erschrocken hat, ist die Erkenntnis, dass die dort zugrundeliegenden Prinzipien mittlerweile nicht nur bereits unseren Aktienmarkt vereinnahmt haben, sondern im Grunde genommen unsere gesamte Gesellschaft.

     

    (1) Fangen wir mit der Notenbank, mit der EZB an. Was stand früher auf der Aktivseite der Notenbank, der Deutschen Bundesbank? Gold und werthaltige, einklagbare Forderungen gegen solvente Wirtschaftsunternehmen. Damit war unser Geld gedeckt. Das waren die Gegenwerte des umlaufenden Geldes.

     

    Und was steht heute auf der Aktivseite der Notenbank, der EZB? In der Hauptsache vage Zahlungsversprechen von potentiellen Steuerzahlern in der Zukunft. Wodurch ist damit heute unser Geld gedeckt? Genau, durch die Zahlungen von uns selbst. Wir selbst sind heute die Deckung unseres Geldes. Wir sind uns unser eigenes Geld selbst schuldig.

     

    So richtig werthaltig ist das jedoch nicht, finde ich.

     

    (2) Erstaunt und erschrocken habe ich daher auch registriert, dass in der augenblicklichen Finanzkrise an der Börse Werte genauso wenig zählen wie bei der Notenbank. Früher einmal lag erfolgreiche Börsenspekulation darin, die Aktivseite von Aktiengesellschaften zu untersuchen, ob sich hier versteckte Werte finden, die in den Kursen noch nicht enthalten sind.

     

    Heute spielt die Aktivseite von Unternehmensbilanzen hingegen kaum noch eine Rolle bei der Kursfindung, was sich am besten daran zeigt, dass Männer der alten Schule wie Warren Buffet derzeit an ihre Grenzen stoßen.

     

    Heute wird das Momentum gekauft, das Versprechen der Fortsetzung eines Trends und das einer glorreichen Zukunft. Werte interessieren da überhaupt nicht.

     

    (3) Und jetzt werfen wir einmal eine Blick auf die gesamte Gesellschaft. Ist es da nicht genauso? Finden sich hier nicht haargenau die selben Trends? Zählen hier denn überhaupt noch Werte?

     

    Was ist beispielsweise mit dem Wert, in einer Ehe zusammenzubleiben und Kindern ein Heim und damit Sicherheit zu bieten? Ach, nein, heute trennt man sich lieber wieder, begibt sich wie ein Goldschürfer erneut auf Glückssuche, und die Kinder werden ohnehin in die Kita und die Ganztagsschule abgeschoben. Und wenn dieses System dann einmal nicht funktioniert wie im Moment, gibt es eine Krise sui generis, in der sogar öffentlich um das Schicksal einer ganzen Generation von jungen Menschen gebangt wird.

     

    (4) Und zu guter Letzt noch die Politik. Hier treten jeden Tag neue Akteure in Funk, Fernsehen und der Presse auf, die neue Ideen entwickeln, was man jetzt alles noch fördern könnte. Wunderbar. Geld zu verteilen, ist etwas Wunderbares. Doch hat überhaupt jemals einer in der letzten Zeit darüber geredet, wie die Werte überhaupt entstehen, wie man jetzt verteilt?

     

    Doch ha, Moment, jetzt bin ich natürlich in meine eigene Falle getappt. Denn wenn Geld nicht mehr werthaltig ist, was verteilt die Politik denn da jetzt an die Bürger?

     

    Es sind Wechsel auf die Zukunft, die von denen, die sie heute erhalten, morgen selbst bezahlt werden müssen. Und das einzig Gute daran ist, dass heute neben den Werten auch kaum jemand mehr weiß, was ein Wechsel ist. Denn ansonsten würde das, was gegenwärtig passiert, überhaupt nicht funktionieren.

     

     

    berndniquet@t-online.de

     


    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Werte zählen nichts mehr Nonvaleurs regieren die Welt

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