In der Kritik Compliance-Experte Strenger über Wirecard: „Braun fehlt einfach das Verständnis, wie die Kapitalmarktregeln zu befolgen sind“

Wenige Tage vor der angekündigten Veröffentlichung des Jahresberichts 2019 steigt die Anspannung bei Wirecard. Wie viel wusste die Unternehmensspitze vorab über den Sonderprüfungsbericht von KPMG? Nachdem die Staatsanwaltschaft dem Unternehmen am Freitag einen Besuch abgestattet hatte, brach der Aktienkurs nachbörslich ein. Am Montag ging es jedoch schon wieder aufwärts.
Auslöser für die Durchsuchung der Konzernzentrale war eine Strafanzeige der Bafin wegen des Verdachts der Marktmanipulation. Zwei Ad-Hoc-Meldungen vom 12. März und 22. April könnten "irreführende Signale für den Börsenpreis der Aktien der Wirecard AG gegeben haben", teilte die Staatsanwaltschaft München I mit.
In den fraglichen Kapitalmarktmeldungen hatte das Unternehmen vor der Veröffentlichung des KPMG-Sonderprüfungsberichts versichert, dass es keine Belege für den Vorwurf der Bilanzmanipulation gebe. Im Bericht der Wirtschaftsprüfer fehlten dann jedoch wesentliche Unterlagen zum Geschäft mit Drittfirmen.
Wirecard selbst stellte am Freitag klar, die Ermittlungen richteten sich nicht gegen das Unternehmen, sondern gegen einzelne Vorstandsmitglieder. Nachbörslich brach die Aktie des Unternehmens ein. Am Montag ging es zunächst sieben Prozent abwärts, bevor sich die Aktie wieder erholte. Am Sonntagabend hatte der DAX-Konzern ungeachtet der Kritik seine Prognose für das laufende Geschäftsjahr bestätigt.
Besonders die mehrfach verschobene Veröffentlichung des Jahresberichts sorgt weiter für Unruhe bei Anlegern und Beobachtern. Christian Strenger, Corporate-Governance-Experte an der HHL Leipzig Graduate School of Management sagte gegenüber wallstreet:online: „Wenn man solche essentiellen Termine immer weiter verschiebt, fragt man sich: 'haben die die Lage wirklich im Griff?'" Nun hänge alles vom Jahresbericht am 18. Juni ab und dem Testat der Prüfer von EY. „Wenn es keinen uneingeschränkten Vermerk gibt, dann wird es ganz schwierig“, so Strenger.
Wirecard habe vor allem ein Kommunikationsproblem. „Wirecard tut so, als habe die Veröffentlichung des KPMG-Berichts alles geklärt. Die Kapitalmarktkommunikation muss dringend besser werden, um das Vertrauen der Börse zurückzugewinnen“, fordert Strenger.
Gleichzeitig zeigt der Experte ein gewisses Verständnis für die Situation des Zahlungsdienstleisters. „Wirecard ist als Unternehmen sehr schnell gewachsen. Die internen Strukturen sind aber nicht so schnell mitgewachsen. Insofern könnte man Verständnis für das Unternehmen haben. Ein Compliance-Experte ist daher eine zwingende Ergänzung, wäre aber schon viel früher nötig gewesen.“
Zugleich sorgte Vorstandschef Braun mit seinem Verhalten für Stirnrunzeln. So kaufte er Ende Mai Wirecard-Aktien im Wert von 2,5 Millionen Euro, obwohl die Vorwürfe zu diesem Zeitpunkt wie ein Damoklesschwert über der Firma hingen. Um Insiderhandel zu verhindern, dürfen Führungskräfte 30 Tage vor der Veröffentlichung des Geschäftsberichts eigentlich keine Aktien des eigenen Unternehmens erwerben.
„Er kauft eigene Aktien und will damit vermutlich sein Vertrauen in Wirecard dokumentieren. Aber der Zeitpunkt ist ganz falsch, da Braun einfach das Verständnis fehlt, wie die Kapitalmarktregeln zu befolgen sind“, sagt Strenger.
Wie wallstreet:online vergangene Woche berichtete, soll ein Personalumbau nun die Wende bringen. Genauso wichtig sei es, dass sich der Aufsichtsrat kompetent aufstelle und dem Vorstand auch technisch und inhaltlich Paroli bieten könne, rät der Experte.
„Was Wirecard braucht, sind endlich fähige Leute im Aufsichtsrat. Leute, die als gestandene Experten auch die Investoren-Interessen vertreten und so einem starken CEO wie Braun fachlichen Klartext vermitteln können“, sagt Strenger.
Autor: Julian Schick, wallstreet:online Zentralredaktion
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