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    Milliardenschwere Fragezeichen in der Bilanz  60763  0 Kommentare Wirecard taumelt: CEO Braun tritt zurück - Compliance-Spezialist James Freis übernimmt

    Markus Braun tritt zurück. Der Vorstandsvorsitzende des angeschlagenen Zahlungsdienstleister muss nach den Enthüllungen im Bilanzskandal von Bord gehen. Zuvor hatte auch Chief Operating Officer Jan Marsalek seinen Stuhl geräumt. Der neue Compliance-Vorstand James Freis, der sein Amt eigentlich erst im Juli antreten sollte, übernimmt die Leitung interimsweise. 

    Die geplante Bilanzpressekonferenz war am Donnerstagnachmittag abgesagt worden. Stattdessen meldete sich Wirecard-Chef Markus Braun mit einer Videobotschaft zu Wort.

    „Wir sind von unserem Abschlussprüfer EY in Deutschland darüber informiert worden, dass ein Bestätigungsvermerk für den Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2019 aufgrund unberechtigter Bankbestätigungen weitere Prüfungshandlungen erfordert.

    Dies ist auf Mitteilungen von zwei Banken, die Treuhandkonten verwalten, an den Wirtschaftsprüfer EY zurückzuführen. Die beiden Banken haben nach einem Treuhänderwechsel seit 2019 die Verwaltung der Treuhandkonten übernommen. Beide Banken haben ein Investmentgrade Rating von Moodys oder S&P. Laut EY gibt es Hinweise darauf, dass den Wirtschaftsprüfern von einem Treuhänder oder aus dem Bereich dieser Banken zu betrügerischen Zwecken falsche Saldenbestätigungen vorgelegt wurden.

    Der Treuhänder, der seit 2019 mandatiert ist, steht in ständigem Kontakt mit den Banken und der Wirecard AG. Es ist derzeit unklar, warum die beiden Banken dem Wirtschaftsprüfer gegenüber erklärt haben, dass die Bestätigungen gefälscht sind. Der Treuhänder hat der Wirecard AG angekündigt, dass er den Sachverhalt kurzfristig mit den beiden Banken, die die Treuhandkonten verwalten, klären wird. Es kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass die Wirecard AG in einem Betrugsfall erheblichen Ausmaßes zum Geschädigten geworden ist.“

    Markus Braun, Wirecard CEO

    Klaus Brune, Leiter der Börsenredaktion beim Platow-Verlag, sagte gegenüber wallstreet:online: "Übersetzt: Die ungenannten Drittpartner von Wirecard oder die von diesem beauftragte Bank haben den Wirtschaftsprüfern falsche Saldenbestätigungen vorgelegt. So etwas macht man ja nicht ohne Grund: Es steht also zu befürchten, dass die dahinterstehenden Umsätze tatsächlich nur Luftnummern sind. Und dabei geht es um keine Kleinigkeit".

    Das Vertrauen in Wirecard scheint bei Markteilnehmern nun am Boden zu sein. Ein Blick auf die Unternehmsanleihen zeigt, dass viele auch eine Insolvenz nicht mehr für ausgeschlossen halten. Platow-Experte Klaus Brune sieht sich an einen anderen Bilanzskandal erinnert. "Das ist katastrophal. Wirecard ist auf bestem Weg, das deutsche Enron zu werden. Jener US-Energiekonzern, der sich gerne als „The World’s Greatest Company“ bezeichnete und aufgrund fortgesetzter Bilanzfälschungen den größten Unternehmensskandal der US-Geschichte produzierte."

    Die Aktie war am Donnerstag um bis zu 70 Prozent eingebrochen. Am Freitag kam es noch dicker: Der Kurs rutsche zu Handelsbeginn um weitere 40 Prozent auf rund 22 Euro ab (Stand: 9:45 Uhr).

    Wirecard will Strafanzeige gegen unbekannt erstatten, teilte ein Sprecher des Unternehmens laut dpa mit. Das Unternehmen sehe sich als mögliches Opfer eines «gigantischen Betrugs». Die Zeit drängt: Wie Wirecard mitteilte, könnten Banken wegen des fehlenden Jahresberichts schon am Freitag Kredite in Milliardenhöhe fällig stellen.

    "Jetzt ist in der Tat fraglich, ob die enormen Wachstumsraten, die das Unternehmen in der Vergangenheit für sich in Anspruch genommen hat, tatsächlich so verbucht werden können", so Klaus Brune. "Zum Kommunikations- kommt also auch noch ein Bilanzproblem."

    Auch die Analysten der großen Banken sehen nun große Fragezeichen hinter Wirecard. "Wurde Wirecard betrogen oder hat Wirecard betrogen?", fragt LBBW-Analyst Mirko Maier. "Noch am 25. Mai kommunizierte Wirecard per Adhoc, dass für die Bilanz 2019 ein uneingeschränktes Testat erwartet wird. Insofern überrascht die heutige Meldung mit den Täuschungsvorwürfen umso mehr."

    Technische Analyse

    Christoph Geyer, CFTe Technischer Analyst und stellvertretender Regionalmanager der VTAD Frankfurt ordnet für wallstreet:online die neueste Meldung von Wirecard technisch ein: "Der übergeordnete, seit 2018 bestehende Abwärtstrend, bei Wirecard ist damit weiterhin intakt und bestätigt worden. Der kurzfristige Aufwärtstrend wurde ohne Probleme heute gebrochen. Indikatoren helfen hier nicht weiter. Das erneut erreichte neue Tief ist eine weitere Bestätigung für den Abwärtstrend." Eine mögliche Erholungsbewegung dürfe maximal bis an das letzte Tief führen, sagt er.

    Von welchem Niveau aus eine Erholung starten könnte, sei allerdings völlig offen, solange die Nervosität am Markt für diesen Wert anhält, so Geyer weiter.

    Mehr dazu in Kürze bei wallstreet:online…




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    Verfasst vonJulian Schick
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