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     287  0 Kommentare Policen gegen Betriebsschließung: Corona-Einnahmeausfälle – wer übernimmt den Schaden?

    In der Corona-Krise mussten viele Gastwirte und Einzelhändler erfahren, dass ihre Versiche-rer sich weigern, für Ertragsausfälle aufzukommen – auch wenn das Unternehmen gegen einen entsprechenden Betriebsausfall versichert war. Rechtsprofessor und Anwalt Peter Fissenewert unternimmt eine Bestandsaufnahme.
    Peter FissenewertFoto: Buse Heberer Fromm 

    Corona ist für viele Unternehmen eine echte Bedrohung: Behördlich angeordnete Betriebsschließungen, unterbrochene Lieferketten, geschlossene Gaststätten, Hotels und Läden führen zu bedrohlichen Einnahmeausfällen, während die Betriebsausgaben zu einem großen Teil weiterlaufen. Hier helfen in der Regel die richtigen Versicherungen, wie etwa Ertragsausfallversicherung, Betriebsschließungsversicherung, Betriebsunterbrechungsversicherung, Veranstaltungsausfallversicherung, All-Risk-Versicherung oder "Non-Damage-Business-Interruption".
    Derzeit häufen sich aber die Beschwerden über die Versicherer, die einen Schadenseintritt beziehungsweise eine Einstandspflicht zum Teil rundweg ablehnen. Selbst bei "Betriebsschließungsversicherungen wegen Infektionsgefahr" mauern einige Versicherer. Dieses Verhalten verstärkt die landläufige Meinung, dass Versicherungen eben alles versichern, nur nicht den Schadenseintritt. Hier gilt es also, genauer in die Versicherungspolicen zu schauen.
    Erstes positives Urteil liegt vor
    Das Landgericht (LG) Mannheim hat jüngst bestätigt, dass eine Betriebsunterbrechungsversicherung Schäden aus Betriebsschließungen anlässlich des Covid-19-Virus übernehmen muss (Urteil v. 29.04.2020, 11 O 66/20). Dem liegt die Klage eines Hotelbetreibers zugrunde, der für drei Corona-bedingt geschlossene Hotels Betriebsunterbrechungsversicherungsverträge vorlegen konnte und sich auf folgende Klausel berief:

    Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG)

    den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt;
    Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebes oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt;


    Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die in den §§ 6 und 7 IfSG namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger.

    Das Gericht legt diese Klausel danach aus, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer diese Regelung verstehen muss und gelangt zu dem Ergebnis, dass die Corona-Verordnungen, die unter anderem den Hotelbetrieb – und damit auch das Gewerbe der Versicherungsnehmer – auf außertouristische Zwecke beschränkt, eine behördlich angeordnete Betriebsschließung darstellt.
    Versicherer sehen Covid-19-Virus nicht inbegriffen
    Auch die Versicherungsunternehmen haben sich bislang bei ihrer Rechtsauslegung im Wesentlichen auf das IfSG berufen. In den meisten Versicherungsverträgen sei vereinbart, dass der Schutz gegen eine Betriebsschließung wegen Seuchen- und/oder Infektionsgefahr nur solche Infektionen umfasst, die im IfSG aufgelistet seien. Interessant sind die Argumentationshilfen des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), der einerseits behauptet, dass deutsche Versicherungen "trotz Corona-Krise" ihre Leistungsverpflichtungen erfüllen und auf der anderen Seite bemüht ist, jedes Argument aufzuzeigen, welches eben eine Einstandspflicht nicht begründet. Auch im genannten Urteil musste der Versicherungsnehmer ja letztlich gegen "seine" Versicherung klagen.

    Nach Auffassung des GDV gehen Betriebsschließungsversicherungen im Grundsatz davon aus, dass es sich um Einzelfälle handelt – dass also ein Hotel wegen einer Norovirus-Erkrankung oder eine Metzgerei beim Auftreten von Koli-Bakterien geschlossen werden muss. Eine Schließung aus Gründen der allgemeinen Sicherheit falle nicht unter den Versicherungsschutz. Dies dürfte nach dem nun vorliegenden Urteil so nicht mehr haltbar sein.
    Prüfung im Einzelfall
    Weiter argumentieren die Versicherungen dahingehend, dass in vielen Versicherungsverträgen die versicherten Krankheiten abschließend aufgelistet sein müssten. Da das Covid-19-Virus bislang nicht bekannt war, ziehe der Versicherungsschutz eben in diesen Fällen nicht.
    Bezieht sich ein Vertrag ausdrücklich auf das IfSG, so komme es darauf an, ob die letzten Änderungen des IfSG, also die Einbeziehung des Covid-19-Virus in den Katalog der meldepflichtigen Krankheiten, einbezogen sei oder eben nicht.
    Über eine derartige Klausel hatte das LG Mannheim zu urteilen – und hat mit guten Argumenten zugunsten des Versicherungsnehmers entschieden.
    Im Übrigen verweisen aber der GDV sowie große deutsche Versicherungen wie Allianz oder Ergo auf die erforderliche Prüfung im Einzelfall. Letztlich kommt es daher auf das an, was tatsächlich im Vertrag vereinbart ist und erst recht auf die Auslegung dieses Vertrages. Der Bundesgerichtshof hat die Versicherungsbranche in der Vergangenheit mehrfach überrascht. So wurden mehrere Klauseln gekippt beziehungsweise entgegen dem Willen der Versicherung und im Interesse der Versicherungsnehmer ausgelegt. So hat das eben jüngst auch das LG Mannheim getan.
    Einige Versicherer kundenfreundlich
    Signal Iduna und HDI haben für die Betriebe des Lebensmittelhandwerks erklärt, dass auch behördlich angeordnete Betriebsschließungen durch das Corona-Virus versichert seien.
    Mittlerweile rücken auch einige bislang ablehnenden Versicherungen von ihrer harten Auffassung ab. Sie haben ihren Kunden Vergleichsangebote von 10 Prozent bis 15 Prozent der versicherten Summe vorgelegt. In Bayern haben rund 70 Prozent der Versicherten dieses "Kulanzangebot" angenommen. Der Rest soll über Staatshilfen finanziert werden (sogenanntes Bayerisches Modell). Eigentlich sieht das allerdings wie Staatshilfe für die Versicherungen aus.
    Praxistipps

    Obliegenheitsverpflichtungen beachten: Alle Schäden sind grundsätzlich schnellstmöglich zu melden, um den Versicherungsschutz nicht zu gefährden.
    Es ist empfehlenswert Versicherungsverträge sorgfältig prüfen und schnellstmöglich mit der Versicherung Kontakt aufzunehmen.

    Über den Autor:Peter Fissenewert ist Rechtsanwalt und Partner der Berliner Kanzlei Buse Heberer Fromm. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind das Wirtschaftsrecht und das Wirtschaftsstrafrecht und hier insbesondere das Gesellschaftsrecht, Restrukturierung, Sanierung und Insolvenz sowie Compliance-Beratung und Managerhaftung. Seit 2005 hält Fissenewert darüber hinaus eine Professur für Wirtschaftsrecht an der Berliner SRH Hochschule.

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