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    Krypto-Experte Dr. Julian Hosp im w:o Interview  16885  4 Kommentare "Krypto-Euro hat absolut nichts mit Bitcoin zu tun" - Blockchain-Experte mahnt zur Skepsis

    Autor, Arzt und Unternehmer Dr. Julian Hosp ist einer der gefragtesten deutschen Blockchain-Experten. Im Exklusiv-Interview mit wallstreet:online erklärt er, warum Investoren immer mehr Nutzen im Bitcoin sehen, man es bei einem Investment rational angehen sollte und welches Szenario eintreten müsste, damit er seine Bitcoin Position reduziert.

    wallstreet:online: Herr Hosp, Sie leben und arbeiten in Singapur. Bietet das Land bessere Voraussetzungen für Krypto-Unternehmer als Deutschland?

    Dr. Julian Hosp: Im Jahr 2015 hat es mich hierher verschlagen, weil Singapur eines der Hubs für Krypto war. Es ist der stärkste wachsende Markt für Blockchain Startups. Zwar gibt es auch in Berlin ein gutes Ökosystem. Aber in Deutschland fehlt der Unternehmergeist ein bisschen, und auch die Venture Capital Szene ist hier etwas ausgeprägter.

    wallstreet:online: Wieso geht es in der Diskussion um Bitcoin eigentlich immer nur um den Preis? Ist der Bitcoin nur Spekulationsobjekt?

    Dr. Julian Hosp: Viele Dinge, die kurzfristige Gewinne bringen, sind natürlich attraktiv für viele Menschen. Das sind auch bei Bitcoin die Antreiber. Ich glaube aber, dass es viele Leute in der Bitcoin-Community gibt, die Krypto als eine Absicherung sehen; zum Beispiel für den Fall, dass Währungen wie Euro oder Dollar irgendwann Mal Probleme bekommen sollten. Was ist, wenn Zentralbanken über die Stränge schlagen und traditionelle Investments nicht mehr funktionieren? Und ich glaube, dass viele Investoren da immer mehr Nutzen im Bitcoin sehen.

    Und deshalb geht es dabei schon um mehr als nur die Frage, wann wir endlich die 10.000 Euro-Marke wieder knacken.

    wallstreet:online: Die Corona-Krise wäre doch für Bitcoin der ideale Zeitpunkt gewesen, sich als sicherer Hafen zu beweisen. Stattdessen schlingert der Kurs eher vor sich her. Hat Bitcoin den Härtetest nicht bestanden?

    Dr. Julian Hosp: Im bisherigen Jahresverlauf ist Bitcoin aktuell das am besten laufende Asset. Es outperformt Gold und auch die Aktienmärkte. Im Crash Mitte März gab es aufgrund der Liquiditätskrise einen starken Abverkauf von allen möglichen Assets. Und da hat Bitcoin genau so reagiert, wie man sich das vorstellt. Mitte März ging es 50 Prozent runter. Mittlerweile sind wir aber jetzt schon wieder auf einem ähnlichen Level wie damals. Seit Jahresanfang sind wir 40 bis 50 Prozent im Plus.

    Schon vor drei oder vier Jahren habe ich gesagt: Wenn es eine Liquiditätskrise gibt, wird auch Bitcoin abstürzen. Und genau das ist ja jetzt auch passiert. Kaum war die Liquidität wieder zurück, war Bitcoin das am stärksten wachsende Asset.

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    wallstreet:online: Zögern die Leute aufgrund der Vorgeschichte mit starken Kursschwankungen vielleicht, wieder in Bitcoin zu investieren?

    Dr. Julian Hosp: Ja, das glaube ich schon. Der erste Fehler ist, dass die Leute kein Bitcoin im Portfolio haben. Und der zweite Fehler ist, dass die Leute zu viel Bitcoin im Depot haben. Die Sharpe-Ratio - also das mathematische Optimum von Volatilität im Verhältnis zur Rendite – liegt bei 6 Prozent. Der große Fehler ist, dass die Leute denken, sie brauchen 20 oder 30 Prozent Bitcoin im Portfolio. Wenn man in den letzten Jahren nur einen kleinen Bitcoin-Anteil gehalten, hätte man extrem stark performt, sowohl in den schwachen als auch in den starken Phasen. Die einzige Frage ist, wie viel Bitcoin man hält?

    wallstreet:online: Es sei denn man hat im Jahr 2017 zu den Höchstständen gekauft.

    Dr. Julian Hosp: Jetzt sind knapp drei Jahre vergangen seitdem. Ich persönlich vertraue am liebsten auf die Mathematik. Und die Statistik zeigt: Es gibt keinen Bitcoin-Investor, der mehr als vier Jahre dabei ist, der im Minus ist. Das liegt an den Halving-Zyklen. Die wichtigste Frage bei jedem Investment ist für mich die Antithese: Was muss passieren, damit man von seinem Investment nicht mehr überzeugt ist? Das unterscheidet Investieren von einer Religion. Man muss es rational angehen.

    In der aktuellen Situation – wo immer mehr Leute von Bitcoin wissen, wo sich das Angebot alle vier Jahre halbiert und wo immer mehr Geld gedruckt wird – sollte der Preis eigentlich weiter steigen.

    Wenn diese Vier-Jahres-Zyklen plötzlich nicht mehr standhalten, dann würde ich meine Einschätzung zu Bitcoin überdenken. Das heißt: Sollte bis Ende 2021 kein neuer Höchststand erreicht werden, dann würde ich meine Bitcoin Position vermutlich reduzieren. Wenn es soweit kommt, müsste man eingestehen: Diese Idee des digitalen Golds klingt zwar toll, aber der Markt hat gezeigt, dass das nicht aufgeht.

    wallstreet:online: In der Vergangenheit hat das Halving ja regelmäßig für starke Kursbewegungen gesorgt. Doch dieses Mal verlief die Entwicklung eher seitwärts. Woran liegt das?

    Dr. Julian Hosp: Bei jedem Halving hat sich der Preis nach einiger Zeit wieder eingependelt. Beim ersten Halving 2012 ist der Preis zunächst angestiegen und war zweieinhalb Monate später wieder beim Ausgangskurs. Beim zweiten Halving 2016 ging es erst runter und dann wieder rauf. Ich kann mir vorstellen, dass das dieses Mal ähnlich ist. Ich glaube, dass die Dynamik des Halvings bis Ende August abgeflacht sein wird.

    Im Prinzip liegt das daran, dass das Schürfen für viele Miner nicht mehr wirtschaftlich ist. Deshalb haben viele sich vorher schon mit Optionen auf Bitcoin abgesichert. Bis diese Optionen ablaufen, dauert es ein, zwei Monate. Und dann pendelt sich diese Dynamik wieder ein. Deshalb fällt es auf, dass die Volatilität bei Bitcoin in den letzten zwei Monaten geringer war als am Aktienmarkt, was krass ist. Spätestens im August sollte die Volatilität beim Bitcoin aber zurückkommen. Denn das ist für den Krypto-Markt eigentlich der Normalzustand.

    wallstreet:online: Das Besondere an Kryptowährungen ist ja, dass sie dezentral organisiert sind. Jetzt denken aber auch Zentralbanken über eigene digitale Währungen auf Blockchain-Basis nach. Wie passt das zusammen?

    Dr. Julian Hosp: Die nennen es Krypto-Euro, aber das sind natürlich zwei grundverschiedene Dinge. Die Frage ist ja: Wer kontrolliert die Menge der ausgegebenen Kryptowährung. Bitcoin hat einen klar vorgegebenen Algorithmus. Es ist genau vorgegeben, wie viel Inflation in dem System entsteht. Bei einem Projekt wie dem digitalen Euro oder auch Facebooks Libra kontrolliert am Ende eine Firma oder eine Zentralbank die Menge.

    Der Vorteil ist natürlich, dass man von den alten Schienen des Finanzsystems weg geht. Besonders für Fintechs und Startups ist das alte System nicht mehr zeitgemäß: Die langsamen Zahlungssysteme oder das veraltete Visa-Netzwerk. Eine zentrale Kryptowährung hätte viele Vorteile und würde würde ganz neue Schnittstellen ermöglichen.

    Aber ein Krypto-Euro hat absolut nichts mit Bitcoin zu tun. Denn der größte Kritikpunkt ist die potenziell fehlende Privatsphäre.

    wallstreet:online: Und diese Krypto-Euros könnten die Privatsphäre nicht gut genug schützen?

    Dr. Julian Hosp: Das ist die große Frage. Natürlich könnten sie die Privatsphäre schützen. Es gibt die chinesische Version, den Krypto-Renminbi, der die Privatsphäre angeblich auch absichert. Es ist aber extrem schwierig nachzuvollziehen, ob es da Backdoors im Code gibt. Die große Befürchtung ist ja, dass jemand mit dem Generalschlüssel ohne Weiteres alles einziehen kann. Da muss man doppelt und dreifach aufpassen.

    Und man muss hoffen, dass man bei einer europäischen Kryptowährung dem Staat da auch mehr vertrauen kann als das in China der Fall ist. Skepsis ist natürlich generell nicht schlecht.

    wallstreet:online: Bei Ihrem Startup Cake bekommt der Nutzer eine Rendite auf eingezahlte Kryptowährungen. Wie funktioniert das?

    Dr. Julian Hosp: Am einfachsten sind Vermögenswerte, wenn man einen Cashflow daraus zieht. Genau wie Mieteinnahmen bei Immobilien oder Dividenden bei Aktien. Die Idee ist, eine Plattform aufzubauen, bei dem Nutzer Kryptowährungen hinterlegen können, die dann an große Institute verliehen werden. Cake bekommt dafür Rendite und dadurch erhält der Nutzer seinen Cashflow, der ihm monatlich ausgezahlt wird. Und auf der Website kann man transparent nachverfolgen, wie viel Geld verliehen wird – die Blockchain macht das alles transparent.

    wallstreet:online: Wie viele Kunden hat das Unternehmen?

    Dr. Julian Hosp: Das ist derzeit noch nicht öffentlich. Es ist eine solide fünfstellige Zahl. Noch sind es keine 100.000, aber das ist unser Jahresziel.

    wallstreet:online: Ebenfalls ein vielversprechendes Geschäftsmodell hat die Firma TenX, die Krypto-Kreditkarten vertreibt. Um Ihren Abschied von TenX hat es viel Wirbel gegeben. Woran ist die Zusammenarbeit gescheitert?

    Dr. Julian Hosp: Ich glaube, dass mein damaliger Geschäftspartner mit der Aufmerksamkeit, die ich in der Öffentlichkeit habe, nicht zurechtgekommen ist. Er war auf jeden Fall der Meinung, dass er die Firma besser führen konnte. Seine Resultate bzw. das Ausbleiben dieser sprechen ja für sich, denn mittlerweile ist die Firma ja ziemlich irrelevant geworden. Seither hat sich aber auch meine Einschätzung geändert, ob Bitcoin wirklich ein gutes Zahlungsmittel ist.

    Bitcoin auszugeben ist ein Bonus, aber nicht die Grundlage von digitalem Gold. Ich glaube, dass sich eher Stablecoins als Zahlungsmittel durchsetzen – wie zum Beispiel der Krypto-Euro oder der Krypto-Dollar. Damals war ich traurig, dass ich gehen musste, aber aus heutiger Sicht ist es mehr als okay, wie sich alles entwickelt hat. Ich bin sogar richtig froh darüber.

    wallstreet:online: Herr Dr. Hosp, vielen Dank für das Gespräch

    Die Fragen stellte: Julian Schick, wallstreet:online Zentralredaktion

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