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    Der Erbvertrag als Alternative zum Testament

    Der letzte Wille eines Menschen wird üblicherweise im Testament geregelt. Dieses wird zu Lebzeiten niedergeschrieben, aber erst nach dem Tod wirksam. Eine weniger bekannte Möglichkeit der Nachlassregelung ist der Erbvertrag. Welche Vor- und Nachteile diese zweite Option bietet und was genau sie vom Testament unterscheidet, wird hier ausführlich erklärt.

    Der eine große Unterschied zwischen Testament und Erbvertrag

    Der wichtigste Unterschied und oftmals die Entscheidungsgrundlage bei der Wahl der Nachlassregelung: Während ein Testament einseitig durch den Erblasser oder die Erblasserin jederzeit geändert werden kann, erfordert der Erbvertrag die Zustimmung von mindestens zwei Vertragsparteien. Das bedeutet, dass im Rahmen eines Erbvertrages, der Erbe oder die Erbin über Änderungen jederzeit Bescheid weiß und das gleiche Recht wie der Erblasser oder die Erblasserin besitzt, diesen zuzustimmen oder sie abzulehnen. Der Erblasser oder die Erblasserin verzichtet freiwillig auf die Möglichkeit seine Meinung ohne Übereinstimmung des zukünftigen Erben oder der zukünftigen Erbin zu ändern. Ein einseitiger Widerruf ist somit nicht möglich und der Erbvertrag daher die sicherere Option für den Erben oder die Erbin. Er oder sie besitzt damit eine vertraglich festgeschriebene Erwerbsaussicht auf ein Recht, dessen Bedingung (= Tod des Erblassers/ der Erblasserin) noch nicht erfüllt ist.

    Der Abschluss des Erbvertrages

    Der Abschluss des Vertrages setzt voraus, dass alle Beteiligten volljährig, voll geschäftsfähig und testierfähig sind. Dies bestätigt der Notar oder die Notarin durch seine Beurkundung. Verlobte und Verheiratete sind von der Pflicht der Volljährigkeit ausgenommen. Der Vertrag muss außerdem unter Anwesenheit aller Vertragsparteien und eines Notars/ einer Notarin unterzeichnet werden. Außer dem Erblasser oder der Erblasserin selbst sind die Vertragsparteien jedoch dazu berechtigt, den Erbvertrag durch Vertreter/ Vertreterinnen oder Betreuer/ Betreuerinnen schließen zu lassen. Inhaltlich betrachtet sind die Verfassenden eines Erbvertrages völlig frei, solange es ausschließlich um erbrechtliche Angelegenheiten geht, wie die Benennung von Erben und Erbinnen, Vermächtnisnehmern und Vermächtnisnehmerinnen oder die Bestimmung von Auflagen. Auch spezielle einseitige Verfügungen, bspw. die Ernennung eines Testamentsvollstreckenden, können im Vertrag festgesetzt werden. Diese können, im Gegensatz zum Vertrag selbst, im Nachhinein sogar einseitig widerrufen werden, da sie nicht bindend sind.

    Wichtig: Das laut § 2303 BGB festgelegte Recht auf Ansprüche Pflichtteilsberechtigter wird durch den Erbvertrag ebenso wenig angetastet wie durch das Testament. Eine Ausnahme bildet ein vertraglich festgelegter Verzicht auf den Pflichtteil, der oft mit einer Abfindungszahlung verknüpft ist.

    Die Vorteile eines Erbvertrages

    Auch der Erblasser oder die Erblasserin kann von einem Erbvertrag profitieren. Mit den vertraglich festgelegten Rechten und Ansprüchen gehen oft auch Pflichten des Erben oder der Erbin einher, an welche die Ansprüche gebunden sind. Außerdem ist es möglich, statt eines einseitigen Erbvertrages, bei dem nur eine der beiden Parteien seinen Nachlass regelt, einen zweiseitigen Erbvertrag einzusetzen. Der zweiseitige Erbvertrag umfasst die Nachlassregelung beider Parteien in gegenseitigem Einverständnis und wird oftmals eingesetzt, wenn sich die Vertragsparteien gegenseitig als Alleinerbende einsetzen - vergleichbar mit dem Berliner Testament unter Eheleuten. Im Gegensatz zum gemeinschaftlichen Testament, können nicht nur Verheiratete oder sich in einer anerkannten Lebenspartnerschaft befindliche Paare, sondern bspw. auch Unverheiratete oder Geschäftspartner und Geschäftspartnerinnen einen gemeinschaftlichen Erbvertrag erstellen.

    Für wen ist der Erbvertrag besonders geeignet?

    Oftmals entscheiden sich unverheiratete Paare für einen Erbvertrag, da sie sich mit Hilfe dessen bspw. gegenseitig als Alleinerbende einsetzen können. Aber auch für die pragmatische Regelung beiderseitiger Pflichten und Ansprüche kann der Erbvertrag von Vorteil sein. In ihm können bspw. Vermögensansprüche an Pflegeleistungen bis zum Tod des Erblassers/ der Erblasserin geknüpft werden. Selbst Geschäftspartner und Geschäftspartnerinnen schließen gemeinsame Erbverträge, um sich gegenseitig im Falle des Todes abzusichern. Auch kann Nachfahren die Übernahme einer Firma per Erbvertrag zugesichert werden, welche oftmals mit der Zusicherung der Arbeitstätigkeit in ebendieser einhergeht. Besonders vermögende Paare entscheiden sich oft für die gleichzeitige Erstellung eines Erb- und Ehevertrages, um die, aufgrund des hohen Verfahrenswertes, enormen notariellen Kosten um die Hälfte zu reduzieren.

    Änderungen und Widerruf des Erbvertrages

    Mit beiderseitigem Einverständnis kann der Erbvertrag geändert oder gar aufgehoben werden. Der Aufhebungsvertrag oder die Erstellung eines neuen Erbvertrages muss wiederum in Anwesenheit eines Notars oder einer Notarin erfolgen. Auch ein vertraglich festgehaltenes Rücktrittsrecht kann vereinbart werden. Von diesem muss jedoch in Form einer notariell beurkundeten Erklärung Gebrauch gemacht werden.

    Eine weitere Form der Aufhebung ist gegeben, wenn ein Testament errichtet wird. Diesem müssen alle Parteien zustimmen, es muss notariell beglaubigt und beurkundet werden. Dann tritt es an die Stelle des Erbvertrages. Eine Ausnahme bildet das Ehegattentestament. Durch das Aufsetzen der gemeinschaftlichen letztwilligen Verfügung wird der Erbvertrag laut § 2292 BGB automatisch ungültig.

    Einseitig kann der Vertrag nur aufgehoben werden, wenn das im Erbrecht geregelte gesetzliche Rücktrittsrecht greift. Dies kann bspw. eintreten, wenn die Begünstigten dem Erblasser oder der Erblasserin nach dem Leben trachten oder zu einer Haftstrafe von zwölf Monaten ohne Bewährung verurteilt werden.

    Außerdem kann ein Erbvertrag angefochten werden, wenn gegenüber dem zuständigen Nachlassgericht eine Anfechtungserklärung abgegeben wird. Gründe hierfür können bspw. sein, dass vereinbarte Gegenleistungen nicht erbracht werden, der Vertrag widerrechtlich geschlossen wurde (z.B. in Folge der Androhung von Gewalt) oder ein Pflichtteilsberechtigter/ eine Pflichtteilsberechtigte übergangen wurde, der oder die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht geboren oder nicht bekannt war. Die Beweisführung gestaltet sich jedoch meist schwierig und die Anfechtung muss innerhalb von zwölf Monaten nach Bekanntwerden des Anfechtungsgrundes erklärt werden.

    Die Vor- und Nachteile eines Erbvertrages in Kurzform

     

    Vorteile:

    • Alternative zum Berliner Testament: auch unter nicht verheirateten Partnern oder Partnerinnen können gemeinschaftliche Vorkehrungen getroffen werden
    • hohe Verbindlichkeit, da beide Vertragsparteien vor eigenmächtigen Änderungen geschützt werden
    • eine Leistung kann mit einer Gegenleistung (z.B. Pflege bis zum Tod) verknüpft werden
    • vereinfachte und beiderseitig unterzeichnete Regelung der Unternehmensnachfolge

     

    Nachteile:

    • eine notarielle Beurkundung ist stets erforderlich und mit einem Kostenaufwand verbunden, der sich nach dem Verfahrenswert richtet
    • die Bindungswirkung kann sich nachteilig auswirken, da Änderungen schwieriger vorzunehmen sind als beim Testament (ein Rücktrittsrecht kann diesen Nachteil umgehen)
    • während ein Testament eigenständig und mit einem Minimalaufwand erstellt werden kann, bedarf der Erbvertrag eines aufwändigeren Verfahrens inklusive Anwesenheit eines Notars/ einer Notarin und aller Parteien (der Erblasser/ die Erblasserin darf nicht durch Bevollmächtigte vertreten werden)

     

    Ob ein Erbvertrag anstelle eines Testaments geschlossen werden sollte, muss individuell entschieden werden. Er kann jedoch enorme Vorteile und Sicherheiten für alle Parteien haben und ermöglicht eine Nachlassregelung auf Augenhöhe.




    Martin Brosy
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    Martin Brosy ist Tradingcoach und Mitbegründer der Trading Ausbildung www.trademy.de. Großen Einfluss auf sein ökonomisches Weltbild haben die Publikationen von Karl-Heinz Paqué und Joseph Schumpeter. Als Börsianer inspirieren ihn die Ansätze von Buffett, Burry, Livermore und Lynch.
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    Verfasst von Martin Brosy
    Der Erbvertrag als Alternative zum Testament Der letzte Wille eines Menschen wird üblicherweise im Testament geregelt. Dieses wird zu Lebzeiten niedergeschrieben, aber erst nach dem Tod wirksam. Eine weniger bekannte Möglichkeit der Nachlassregelung ist der Erbvertrag. Welche Vor- und Nachteile diese zweite Option bietet und was genau sie vom Testament unterscheidet, wird hier ausführlich erklärt.

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