Zeit für Schadensersatz!
Betrugsfall Wirecard: So haben sich Aufsicht, Prüfer und Politik blamiert
Behörden und Prüfer haben sich im Fall Wirecard lächerlich gemacht. Das kann nicht ohne Konsequenzen bleiben. Sie sollten Schadensersatz an betroffene Anleger zahlen.
Wenn es stimmt, was die Tageszeitung WELT schreibt, dann gleicht das Ganze einem Schildbürgerstreich. Die sogenannte Bilanzpolizei DPR bemängelt in einem Schreiben an Wirecard, dass das Unternehmen für den Jahresabschluss 2018 „keine ordnungsgemäße Buchführung“ vorgelegt habe. Das wäre eine interessante Mitteilung. Das Problem ist das Datum des Schreibens. Es stammt vom 9. Juli 2020 – zwei Wochen nach dem Insolvenzantrag von Wirecard wegen Bilanzmanipulationen und Betrug.
Der Fall ist typisch für das Vorgehen von Aufsichtsbehörden, Politikern und Prüfern im Fall Wirecard. Die Sache gleicht dem Rennen zwischen Hase und Igel. Mit Wirecard in der Rolle des Igels – und mit reichlich unfähigen Hasen. Wirklich lästig wurden Wirecard in den vergangenen Jahren des organisierten Betrugs nicht diejenigen, deren Job die Kontrolle war. Stattdessen legten unabhängige Dritte immer wieder den Finger in die Wunde: Anlegerschützer, Journalisten, Leerverkäufer. Das Mindeste wäre gewesen, ihnen zuzuhören und ihre Vorwürfe zu prüfen.
Stattdessen wurden sie von den Prüfern und Aufsichtsbehörden bestenfalls ignoriert. In etlichen Fällen wurden die Kritiker jedoch behindert, verleumdet oder sogar ins Gefängnis geworfen. Hinter den Kulissen hatte Wirecard ein Netzwerk aufgebaut, das gegen seine Gegner mit unerbittlicher Härte vorging – nicht zuletzt mit der Drohung körperlicher Gewalt. Zudem hatte das Münchener Fintech gute Kontakte zur Politik, die einen Schutzschirm über das vermeintliche Wunder-Unternehmen aufspannte.
Wirtschaftsprüfer, Bafin und Politik haben sich im Fall Wirecard bis auf die Knochen blamiert. Wenn kritische Stimmen von Seiten der Verantwortlichen kamen, dann kamen sie viel zu spät und viel zu leise. Anleger haben Milliarden mit Wirecard verloren. Es kann nicht sein, dass sie nun ohne Entschädigung durch die Versager auf ihren Miesen sitzen bleiben.
Klar ist: Wer eine Aktie oder ein Derivat kauft, der erwirbt ein Risikopapier. Es gibt keine Vollkasko-Versicherung für Börsianer. Verluste gehören zum Geschäft. Aber wer an einer deutschen Börse investiert, sollte sich darauf verlassen können, dass ordentlich geprüft wird, ob ein Unternehmen nach fairen Regeln spielt. Das gilt insbesondere dann, wenn es über mehr als ein Jahrzehnt immer wieder Vorwürfe gibt, die ungeprüft bleiben.
Deswegen ist es gut, wenn jetzt die Bafin sowie der Wirtschaftsprüfer EY vor Gericht auf Schadensersatz verklagt werden. Man kann nur hoffen, dass sich nicht auch noch die Justiz zum Handlanger von Wirecard machen wird, indem sie sie Unschuld der Beteiligten feststellt.
Noch besser wäre es, wenn Aufsicht, Prüfer und Politik freiwillig Verantwortung zeigen und einen Entschädigungsfonds für Wirecard-Anleger ins Leben rufen würden. Als Zeichen, dass etwas mächtig schiefgelaufen ist – und als Zeichen, dass man aus dem Fall Wirecard gelernt hat.