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     129  0 Kommentare In die goldenen Zwanziger / Kommentar zur realwirtschaftlichen Abkopplung des Aktienmarkts von Dieter Kuckelkorn

    Frankfurt (ots) - US-Präsident Donald Trump hat sich jüngst äußerst zufrieden
    gezeigt mit der Entwicklung der aus seiner Sicht wichtigsten
    volkswirtschaftlichen Größe, nämlich der Entwicklung des amerikanischen
    Aktienmarktes: "Wir werden ein großartiges drittes Quartal haben und
    hervorragende Zahlen vom Aktienmarkt", stellte er am Dienstag in Aussicht.
    Bislang hat es in der Tat eine bemerkenswerte Erholung an der Wall Street
    gegeben. Vorangeprescht waren die Technologiewerte. Nun hat aber auch der
    breitere S&P 500 sämtliche Verluste im Rahmen der Coronavirus-Krise aufgeholt.
    Er hat quasi Rekordniveau erreicht und strengt sich derzeit an, den bisherigen
    Höchststand in den Schatten zu stellen.

    Die große Mehrheit der US-Bürger würde hingegen wohl der Aussage, es gehe ihnen
    so gut wie niemals zuvor, derzeit nicht zustimmen. Noch sind 28,3 Millionen
    Amerikaner auf Arbeitslosenhilfe der US-Regierung oder der Bundesstaaten
    angewiesen. In den vergangenen vier Wochen haben weitere sechs Millionen
    US-Bürger ihren Arbeitsplatz verloren. Und diejenigen, die ihren Arbeitsplatz
    bislang behalten haben, müssen oftmals bedeutende Einkommensverluste
    akzeptieren. Die Krise hat sich zwar leicht entschärft. Sie dominiert das Land
    aber noch lange.

    Und auch die übergroße Zahl der US-Unternehmen teilt die Champagnerlaune des
    Präsidenten wohl eher nicht. Schon vor dem Beginn der Coronavirus-Krise stand
    das Land vor einer Rezession. Die Profitabilität des gesamten - also nicht nur
    des börsennotierten - Unternehmenssektors befindet sich in einem langfristigen
    Abwärtstrend, die Investitionsquoten sind stark zurückgegangen. Die Pandemie
    dürfte die Zahl der Zombie-Unternehmen, die sich gerade über Wasser halten, noch
    einmal deutlich erhöhen.

    Im zweiten Quartal ist das amerikanische Bruttoinlandsprodukt mit einer
    rekordhohen Jahresrate von 32,9% geschrumpft. Am Leben gehalten wird die
    US-Wirtschaft von den enormen staatlichen Hilfen. So wird geschätzt, dass das
    Haushaltsdefizit im laufenden Jahr 18% des Bruttoinlandsproduktes erreichen
    wird, dies ist der höchste Stand seit 75 Jahren. Allerdings ist in die Prognose
    bereits das derzeit noch heftig umstrittene neue Konjunkturpaket in
    Billionenhöhe einbezogen. Sollte dieses am Parteienstreit scheitern,
    verschlechtern sich die kurz- bis mittelfristigen Aussichten für die
    US-Volkswirtschaft deutlich. Man kann somit von einer Diskrepanz zwischen der
    Entwicklung der Realwirtschaft und des Aktienmarktes sprechen, wie es sie in den
    USA noch niemals gegeben hat.

    Dies alles muss freilich nicht bedeuten, dass der S&P 500 vor einem Crash oder
    auch nur einer ausgeprägten Korrektur stünde. Die Unternehmen aus dem S&P 500
    stellen die Elite der amerikanischen Unternehmen dar. Sie verfügen über
    erhebliche Marktmacht, fast unbegrenzte Finanzmittel und erheblichen Einfluss
    auf die Politik, um für sich auch in der Krise günstige Rahmenbedingungen zu
    schaffen, um so ihre Ertragskraft zu erhalten und zu stärken. Daher sind auch
    die Bewertungen am Aktienmarkt längst nicht in astronomische Höhen entrückt. Der
    S&P 500 kommt aktuell auf ein vorwärts gerichtetes Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV)
    von 21,7. Damit befindet er sich zwar am oberen Ende der Spanne der vergangenen
    zehn Jahre (vgl. Grafik). Im Rahmen der Dotcom-Blase zur Jahrtausendwende und
    der Finanzkrise waren die Bewertungen aber deutlich höher.

    Daher sehen auch die meisten Analysten keinen Crash aufziehen. So veranschlagt
    etwa Goldman Sachs für den S&P 500 ein Potenzial noch bis 3600 Punkte, ausgehend
    von aktuell rund 3370 Zählern. Der früher bei der Deutschen Bank beschäftigte Ed
    Yardeni erwartet am Aktienmarkt gar die "Roaring 2020s" in Anspielung auf die
    überschwänglichen "goldenen" zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Diese
    Prognose mag etwas übertrieben erscheinen. Sie zeigt aber, dass
    US-Marktteilnehmer sich vom trüben Zustand der US-Realwirtschaft nicht die
    Stimmung vermiesen lassen. Sie dürfen darauf hoffen, dass das geldpolitische
    Umfeld noch viele Jahre ultralocker bleiben wird. Ein Kurswechsel der Fed mit
    dem Ziel einer "Normalisierung" der Geldpolitik würde nämlich der fragilen
    US-Konjunktur umgehend den Garaus machen.

    (Börsen-Zeitung, 15.08.2020)

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