Börsengang noch diesen Monat?
Payment-Riese Ant Financial vor Sprung aufs Parkett: Von China aus in die Welt

Versicherung, Broker, Zahlungsdienstleister, Kreditgeber – alles das ist Ant Financial, der FinTech-Arm des chinesischen Onlineriesen Alibaba. Möglicherweise noch diesen Monat will Ant Financial an die Börse gehen und bis zu 30 Milliarden US-Dollar einsammeln – das Unternehmen strebt eine Bewertung von über 200 Milliarden US-Dollar an. Der Doppelbörsengang – in Shanghai und Hongkong - könnte somit zum größten IPO aller Zeiten werden.
Bekannt ist Ant, das im vergangenen Jahr 17,6 Milliarden US-Dollar Umsatz und 2,6 Milliarden US-Dollar Gewinn verbuchte, vor allem für den Bezahldienst Alipay. Ursprünglich wurde Alipay für die Zahlungsabwicklung bei Alibaba gegründet. Heute nutzen 80 Millionen Händler die App, die laut Börsenprospekt 711 Millionen monatlich aktive Nutzer hat.
Die Dimensionen des Ant-Imperiums sind für westliche Verhältnisse nur schwer zu vergleichen. Das liegt alleine schon an der gewaltigen Größe des chinesischen Marktes, wie Marcus W. Mosen, Payment-Experte und Senior Advisor bei Raymond James Investmentbanking im Gespräch mit wallstreet:online erklärt: „Eine der Stärken des Unternehmens ist die Größe des Heimatmarktes. Denn größere Märkte als in Asien gibt es nicht. Europa ist nach wie vor fragmentiert und auch nicht so standardisiert wie beispielsweise der Riesenmarkt China.“
Zwar kommen auch hierzulande FinTechs, Banken und etablierte Tech-Konzerne mit immer neuen Innovationen beim mobilen Bezahlen auf den Markt. Doch ein Schwergewicht wie Alipay, das innerhalb des letzten Jahres 2,5 Billionen US-Dollar an Transaktionen abwickelte, sucht man noch vergebens. „Auch Apple und Facebook haben eigene Payment-Lösungen vorgestellt, aber ein Ökosystem wie bei Ant Financial gibt es bislang noch nicht“, sagt Mosen.
Das liege auch an der unterschiedlichen Akzeptanz, mit der Nutzer in China alle finanziellen Geschäfte in die Hände einer einzigen App legen, erklärt der Experte. „In Asien sind Smartphones noch fester im Alltag verankert als bei uns. Deshalb hat sich auch das Mobile Banking dort viel schneller und flächendeckender etabliert. Es gibt dort kulturell viel weniger Hürden und Bedenken für Bankgeschäfte übers Handy.“
Doch auch als absolutes Schwergewicht unter den Bezahldiensten ist Ant Financial alles andere als unangefochten. Der Rivale WeChat aus dem Hause Tencent hat Alipay in den vergangenen Jahren ein großes Stück vom Payment-Kuchen abgenommen. Während WeChat im Einzelhandel – beim Bezahlen mit QR-Code - oft bevorzugt wird, kann sich Alipay auf das Geschäft mit dem Online-Handel bei Alibaba verlassen. Der E-Commerce Gigant, der noch mit einem Drittel an Ant Financial beteiligt ist, steuerte 2019 mehr als acht Prozent zum Umsatz bei.
Während der Bezahldienst weiterhin die meisten Kunden ins Ant-Universium lockt, geht seine Bedeutung für das Gesamtgeschäft stetig zurück. Die margenstarken Geschäfte mit Krediten, Versicherungen und Anlageprodukten steuern inzwischen den Löwenanteil zum Ergebnis bei, 2019 waren es etwa 63 Prozent des Umsatzes.
Der Börsengang könnte laut Payment-Experte Marcus W. Mosen auch ein großer Schritt Richtung internationaler Expansion sein. „Ant Financial wird mit seinem Börsengang international sichtbarer und kann sich eine Reputation über Asien hinaus aufbauen. Afrika ist beispielsweise ein interessanter Markt. Ich würde nicht ausschließen, dass Alipay auch in Europa Fuß fassen könnte. Aktuell sind aber die politischen Vorbehalte zu groß.“
Die politische Großwetterlage und die Spannungen zwischen den USA und China dürften auch dafür gesorgt haben, dass die US-Technologiebörse Nasdaq, an der auch Alibaba oder der chinesische E-Autobauer Nio gelistet sind, beim Börsengang von Ant Financial leer ausgeht.
Medienberichten zufolge sind auch die beiden Staatsfonds Temasek und GIC aus Singapur an einem Einstieg bei Ant interessiert.
Autor: Julian Schick, wallstreet:online Zentralredaktion
