Impfstoffrallye
Biontech, Moderna, AstraZeneca: Welche Impfstoff-Aktie ist die beste? Und: Schaufelhersteller nicht vergessen!
Welches ist zurzeit das beste Impfstoff-Investment, von denen, die durch die Börsenpresse gejagt werden? Wir haben die erste Liga der Aktien-Experten um Antwort gebeten. Herausgekommen sind kluge Investmentideen!
Schnell wird klar, dass interessierte Selbstentscheider-Anleger beim Thema Impfstoff ihren Anlage-Horizont und ihr Risikobewusstsein stark erweitern sollten: „Impfstoffentwicklungen sind ein scheues Reh – ein knackendes Ästchen vertreibt sie, ein ernsthaft erkrankter Proband wirft jahrelange Studien über den Haufen“, erklärt Klaus Brune vom Platow-Verlag.
„Wer dazu gehört, ist rein spekulativ, im Prinzip sind das mehrere Hundert Unternehmen, die nach einem Wirkstoff suchen. Kein Mensch weiß, wer wann was bringt“, meint Peter Thilo Hasler, Gründer und Analyst von Sphene Capital. Außerdem spielt das unberechenbare Virus stets die Hauptrolle: „Um die Frage zu beantworten, ob Impfstoff-Unternehmen überhaupt gute Investments sind, wird entscheidend sein zu wissen, wie lange der Impfschutz hält und ob das Virus mutiert, so dass möglicherweise eine jährliche Impfung nötig ist. Das würde das Marktpotenzial natürlich dramatisch vergrößern“, so Markus Manns, Portfoliomanager bei Union Investment.
Welche schaffen es auf die Impfstoff-Watchlist?
Ok, verstanden. Aber welche Firmen kommen denn jetzt nach diesem Risiko-Check auf die heiße Impfstoff-Watchlist? Hier zeigt sich wieder, dass es weitaus mehr aussichtsreiche Titel gibt als die, die gerade über die Börsenwebseiten gejagt werden. Ajder Veliev, Systemarchitekt und Risk Manager bei FinMent, unserer Partnerredaktion, ergänzt zur Reihe von Biontech, Moderna, AstraZeneca und IDT Biologika: „Man sollte sich auch Novavax, Curevac und Janssen Pharmaceutica (Johnson & Johnson) anschauen.“
„Es ist schwer, auf die richtige Goldmine zu setzen“, sagt Brune von Platow, „daher würde ich eher in Aktien investieren, die auf jeden Fall von der Corona-Impfung gewinnen, egal wessen Impfstoff verabreicht wird.“ Brune weißt damit auf eine vielfach bewährte Investmentstrategie hin: „Wenn der Goldrausch ausbricht, kaufe Schaufelhersteller“, bringt es der renommierte Aktienexperte auf den Punkt und wird konkret: „Einen gehörigen Anteil würde ich daher in Papiere von Gerresheimer (stellen die Impfkanülen her), Stratec Biomedical (die sorgen für alles, was im Labor benötigt wird) und Becton Dickinson (die stellen die Spritzen her) stecken. Den Rest würde ich auf die genannten Impfstoffhersteller verteilen, in der Erwartung, dass einer oder zwei davon ordentliche Gewinne einfahren.“
Anlage-Horizont erweitern
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Martin Spieler, TV-Börsenmoderator und unabhängiger Finanzexperte, stößt ins gleiche Horn: „ Ich würde nicht allein nur die Impfstoffhersteller im Auge behalten, sondern den Horizont erweitern und auch Pharma- und Biotechfirmen ins Depot nehmen, die möglicherweise wirksame Medikamente gegen Covid 19 liefern. Dazu zählen in erster Linie Roche mit der Partnerin Regeneron. Roche ist zusätzlich interessant, weil der Pharmakonzern zu den weltweit führenden Anbietern von Corona-Tests gehört. Sowohl Corona-Tests als auch Corona-Medikamente wird es auch dann noch brauchen, wenn die Impfungen erfolgreich auf breiter Front eingesetzt werden können - gerade auch, weil die Impfungen eben nicht einen hundertprozentigen Schutz geben können“, argumentiert Börsenexperte Spieler.
Für Selbstentscheider-Anleger mit erweiterten Risikobewusstsein hat Martin Spieler folgende Investmentideen im Köcher: „Für mehr spekulative Naturen eine Überlegung wert sind außerdem Molecular Partners, die Tests mit einer potenziellen Corona-Arznei starten und mit dem Pharmariesen Novartis kooperieren. Chancen bietet für risikoaffine Investoren zudem Relief Therapeutics. Das Biotechunternehmen Relief Therapeutics aus Genf startet mit seinem Covid-Wirktstoff schon bald auch eine Studie in der EU. Und in den USA werden bereits zwei klinische Studien der Phase IIb/III durchgeführt. In der Schweiz gehört der Pennystock Relief Therapeutics zu den Aktien mit der besten Jahresperformance. Aus meiner Sicht kommt diese Aktie allerdings nur für sehr risikobereite Anleger in Frage, da jederzeit heftige Rückschläge möglich sind“, warnt Spieler.
Bei den prominenten Impfstoffrallye-Titeln bekommt Pfizer bzw. Biontech zurzeit die besten Einschätzungen ab: „Bislang haben aus meiner Sicht Biontech/Pfizer die Nase vorne. Biontech-Chef Ugur Sahin hat schon im Januar das richtige Näschen gehabt und frühzeitig Kapazitäten auf die Erforschung eines Corona-Impfstoffes gelenkt. Von diesem zeitlichen Vorsprung profitieren die Mainzer, die sich mittlerweile mit Pfizer finanzielle Feuerkraft ins Haus geholt haben, bis heute“, schätzt Klaus Brune vom Platow-Verlag die Lage bei den vermeintlichen Impfstoff-Königen ein.
"Gute News schon in den Kursen"
„Börsenpfarrer“ Uwe Lang tendiert ebenfalls zu Pfizer: „Mir erscheinen die beiden Großkonzerne Astrazeneca und Pfizer am wenigsten riskant zu sein, auch wenn sich mit Curevac, Moderna und Biontech vielleicht spekulative Gewinne erzielen lassen, die aber Glückssache sind. Denn die guten Nachrichten sind ja in den Kursen längst enthalten. Pfizer ist mit einem vierfachen Kurs-Umsatz-Verhältnis und mit einem dreifachen Buchwert im Moment am vernünftigsten bewertet“, begründet Lang seine Tendenz.
Und für den, der keine Lust auf Einzeltitel hat, präsentiert Christian Röhl, Kapitalmarktexperte („Dividendenadel“), eine praktische Lösung: „Ich halte wenig von gezielten ‚Impfstoff-Spekulationen‘. Mein Thema ist strategische Asset Allocation – und da sollten Anleger sicherstellen, dass der Healthcare-Sektor im Portfolio adäquat enthalten ist. Will heißen: Nicht nur ‚Big Pharma‘, sondern auch Biotechnologie- und Medizintechnik-Aktien. Der iShares Healthcare Innovation ETF bietet da eine sehr ordentliche Mischung“, meint Röhl.
Autor: Christoph Morisse, wallstreet:online Zentralredaktion