Online-Riese sucht Partner
Schwarzer Freitag für Einzelhändler – Zalando will mit cleverem Schachzug profitieren
Der Black Friday – vor Jahren noch ein Phänomen, dass hauptsächlich aus den USA bekannt war – hat sich längst auch in Deutschland etabliert. Wegen Corona wird die beliebte Rabattschlacht in diesem Jahr anders aussehen.
Während dem Einzelhandel in den Innenstädten die Kundschaft fehlt, boomt der Online-Handel noch mehr als ohnehin schon. Platzhirsch Zalando will von der Ausnahmesituation profitieren, und bietet den Offline-Händlern eine Kooperation an.
Über die Plattform „Connected Retail“ können Einzelhändler ihre Waren über Zalando verkaufen – vorerst provisionsfrei bis Ende März 2021. Das Unternehmen spricht von einer „risikofreien und unverbindlichen Möglichkeit“ für den stationären Handel, um den „Umsatz in dieser schwierigen Zeit zu steigern.“ Analysten sehen darin einen cleveren Schachzug, das eigene Verkaufsvolumen anzukurbeln. Auf den ersten Blick eine Win-Win Situation.
Eine Umfrage des Handelsverbands Deutschland (HDE) zeichnet ein düsteres Bild von Deutschlands Einkaufsstraßen. Demnach lag die Kundenzahl in den Innenstädten in der dritten Novemberwoche im Durchschnitt um rund 40 Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum – schlechte Vorzeichen für das wichtige Weihnachtsgeschäft. Bei manchen Geschäften reicht schon ein Umsatzeinbruch um 20 Prozent aus, um die Existenz zu gefährden, rechnet der HDE vor.
Der Handelsverband steht dem Zalando-Programm deshalb grundsätzlich positiv gegenüber. „Insbesondere für kleine und mittelständische Händler ist es oft zu teuer und zu aufwändig einen eigenen Online-Shop aufzubauen“, sagt der stellvertretende HDE-Geschäftsführer Stephan Tromp im Gespräch mit wallstreet:online. 60 Prozent der mittelständischen Einzelhändler seien online gar nicht vertreten. „Da kann es eine gute Möglichkeit sein, die bestehenden Infrastrukturen großer Online-Plattformen für sich zu nutzen und so auch von der großen Bekanntheit dieser Anbieter bei den Kunden zu profitieren.“
Profitieren will natürlich auch Zalando. Laut einer Analyse von Bank of America (BofA) Global Research dürfte „Connected Retail“ ein wichtiger Wachstumstreiber für die Berliner werden. Die Analysten rechnen mit jährlich drei bis fünf Prozent Wachstum des Bruttowarenwerts. 35 Millionen regelmäßige Kunden seien ein schlagkräftiges Argument für Einzelhändler, sich auf das Angebot einzulassen. Im laufenden Jahr hat sich die Anzahl der teilnehmenden Einzelhändler auf 2000 bereits verzehnfacht. Im kommenden Jahr rechnet Zalando mit 6000 beteiligten Geschäften.
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Der Handelsverband warnt aber auch, dass kleine Betriebe sich möglicherweise von Zalando abhängig machen. "Die Händler müssen aufpassen, dass sie ihre Kundendaten und den direkten Zugang zu den Kunden nicht an die Plattformbetreiber verlieren. Das muss im Detail jedes Handelsunternehmen im konkreten Fall für sich abwägen", sagt Stephan Tromp.
Die neuen Partner sorgen nicht nur für ein breiteres Sortiment im Zalando-Reich. Die stationären Geschäfte könnten auch helfen, die Kosten für Lieferung und Rücksendungen deutlich zu senken, so die Bank of America-Experten. Sie glauben an ein Kursziel von 95 Euro* für die Zalando-Aktie, ein Aufschlag von fast 25 Prozent zum Kurs vom Donnerstag.
Autor: Julian Schick, wallstreet:online Zentralredaktion
*Bei den angegebenen Kurszielen handelt es sich ausschließlich um eine Einschätzung der zitierten Experten. Bei prognostizierten Kursanstiegen besteht immer auch die Gefahr von Kursrückgängen.