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    Immer mehr Wertpapierdepots  297  0 Kommentare Wird sich die deutsche Aktienkultur nachhaltig ändern?

    Den Deutschen wird nachgesagt, sie seien Börsenmuffel – und das auch nicht ganz zu Unrecht. Doch ausgerechnet die Corona-Krise sorgt für ein Umdenken.

    Die Deutschen sind nicht dafür bekannt, sich intensiv mit der Börse auseinanderzusetzen. Gerade einmal jeder siebte hält Aktien oder -fonds. Doch ausgerechnet die Corona-Krise sorgt für ein Umdenken. Im Umfeld massiver Kursverluste haben sich viele Neuanleger auf Schnäppchenjagd begeben.

    Den Deutschen wird nachgesagt, sie seien Börsenmuffel – und das auch nicht ganz zu Unrecht: Lediglich knapp 10 Millionen von ihnen besitzen Aktienpapiere oder -fonds, während in den USA oder auch den Niederlanden die Kapitalmärkte für den Vermögensaufbau eine deutlich größere Rolle spielen.

    Mitten in der Corona-Krise haben die Bundesbürger jetzt aber die Börse für sich entdeckt: Banken und Onlinebroker melden Rekordzahlen bei den Depoteröffnungen. Deutet das auf einen Sinneswandel im Land der klassischen Sparer hin? Die Experten von Consorsbank, eToro und Smartbroker berichten.

    Mehrere Gründe für das steigende Kapitalmarktinteresse

    Nicht nur die Corona-Krise hat in den vergangenen Monaten zu einem regelrechten Aktienboom geführt. Der Trend hat mehrere Treiber – darunter das anhaltende Nullzinsumfeld: „Die Erkenntnis, dass mit Zinsanlagen auf absehbare Zeit wohl kein realer Ertrag auf Ersparnisse mehr zu erwirtschaften ist, spielt sicher eine Rolle“, erklären die Experten der Consorsbank. Viele Menschen haben zudem die Zeit genutzt, um sich verstärkt mit ihren Finanzen zu beschäftigen.

    Darüber hinaus war das Thema immer wieder in den Medien, was ebenfalls zu einer verstärkten Aufmerksamkeit beigetragen hat. Das bestätigt Dennis Austinat, Deutschlandchef von eToro. Die „Pandemie-bedingte Marktvolatilität“ habe dafür gesorgt, dass die „Finanzmärkte zum Alltagsgespräch“ wurden. Das weckte das Interesse vieler Deutscher, die anschließend den Markteinstieg gesucht haben.

    Smartbroker-Vorstand Thomas Soltau bremst die Euphorie hingegen: „Die Tatsache allein, dass wir eine Rekordzahl von Depoteröffnungen sehen, sagt noch nicht, dass wir deutlich mehr Menschen an der Börse erleben als vorher.“

    Vor allem die jüngeren Jahrgänge drängen an die Börse

    Betrachtet man die Altersstruktur der Neu-Börsianer, erkennt die Consorsbank einen klaren Trend: Vor allem bei den unter 30-Jährigen sei ein überproportionaler Zuwachs zu verzeichnen. Das könne man zum Beispiel an der Zahl der Sparplanabschlüsse sehen: „Die haben in dieser Altersgruppe zwischen Januar und September 2020 um knapp 220 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zugenommen.“

    Der Anbieter eToro berichtet von einer ähnlichen Entwicklung und ergänzt, dass Geldanlage keineswegs nur eine Männerdomäne ist. „Die Zahl der deutschen Anlegerinnen wächst seit weit über einem Jahr stetig – um fast 30 Prozent gegenüber den zwölf Monaten vorher“, erklärt Austinat.

    Technologie und Sparpläne sind gefragt

    Doch welche Papiere stehen im Fokus der Börsenneulinge? „Das ändert sich tatsächlich täglich, und zwar mehrfach“, beobachtet Smartbroker-Vorstand Soltau. Eine Branche weckt jedoch besonderes Interesse: Die neuen deutschen Kleinanleger setzen wie namhafte Investoren auf Tech-Unternehmen. So steht bei den eToro-Nutzern Technologie hoch im Kurs: Neben den Aktien von Amazon, Netflix, Zoom und Microsoft werden „Elektroautohersteller wie Nio, der chinesische Konkurrent von Tesla“ viel gehandelt, berichtet Austinat. Außerdem habe zuletzt der baden-württembergische Softwarekonzern SAP verstärkt den Weg ins Depot gefunden.

    Bei den Kunden der Consorsbank hat der Aktienhandel deutlich zugenommen. Ende September verbuchte die Consorsbank bereits rund ein Drittel mehr Trades als im Gesamtjahr 2019. Darüber hinaus sind „Wertpapiersparpläne gefragt, insbesondere auf Aktienbasis“, stellt die Direktbank fest: „Das Wachstum bei den Sparplänen war noch größer als die Zunahme beim Aktienhandel.“ Der Schwerpunkt liege wie bei den anderen beiden Anbietern auf US-Tech-Werten. Allerdings werden „Pharma-Unternehmen wie BioNTech und CureVac sowie Wasserstoff-Anbieter wie NEL oder Ballard Power Systems“ immer beliebter.

    Mit Blick auf die Anlageformen sind derzeit ETFs vor allem gefragt – auch wenn aktiv gemanagte Investmentfonds nach wie vor eine starke Stellung am Markt haben: „Wir stellen fest, dass derzeit auf unseren Plattformen mehr ETFs als aktiv gemanagte Produkte erworben werden. Der Gesamtbestand an Investmentfonds liegt aber nach wie vor deutlich über dem von ETFs“, erklärt Soltau. Diese Beobachtung haben auch die Experten der Consorsbank gemacht: „Gemanagte Fonds werden aktuell deutlich weniger nachgefragt als ETFs.“ Die Zahl neu abgeschlossener ETF-Sparpläne übertreffe die der Fondssparpläne um das Siebenfache.

    Nachhaltigkeit: Megatrend auch in den Depots?

    Nachhaltigkeit spielt im Alltag vieler Menschen eine immer größere Rolle – aber gilt das auch bei der Geldanlage? Laut einer Umfrage der Consorsbank aus dem dritten Quartal investieren deren Kunden bereits „5 Prozent ihres Geldes in nachhaltige Finanzprodukte“. Ein Grund für den moderat erscheinenden Zuspruch könnte sein, dass bei nachhaltigen Anlagen derzeit noch vieles unklar ist: Wie genau sind sie definiert? Wie werden Unternehmen anhand von ESG-Faktoren bewertet? Es fehlen einheitliche Standards für die Berichterstattung. Daher fühlten sich die Kunden „über nachhaltige Anlagen zu wenig informiert“.

    Smartbroker-Vorstand Thomas Soltau kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Zwar sei das Thema Nachhaltigkeit in der Gesellschaft angekommen, doch das Medieninteresse stimme nicht unbedingt mit den „tatsächlichen Vorlieben der Smartbroker-Kunden überein. Der ESG-Anteil in den Depots ist noch immer relativ gering.“

    Der Strom an die Börse könnte anhalten

    Die neue Börsenlust der Deutschen könnte mehr sein als nur ein Strohfeuer. Denn im Umfeld von Niedrig- oder sogar Strafzinsen gebe es schlichtweg keine Alternative für den Vermögensaufbau. „Anlagen in Aktien und Co versprechen einen realen Wertzuwachs – natürlich aber mit einem höheren Risiko gegenüber klassischen Sparkonten“, sagt die Consorsbank. Doch viele Menschen realisierten gerade erst, dass ihr Vermögen auf dem Konto oder dem Sparbuch keine Gewinne mehr erzielt. Vor allem bei „jungen Anlegern sehen wir hier Chancen, da ihr Zeithorizont größer ist als der von älteren Investoren.“ Daher dürften die Finanzmärkte auch nach Covid-19 ein Mainstream-Thema bleiben, ist sich Dennis Austinat von eToro sicher: „Die Pandemie führt dazu, dass immer mehr Menschen offen über die Finanzmärkte sprechen und sich im Umgang mit Finanzen weiterbilden.“

    Weitere Informationen finden Sie auf www.derfonds.com


    Helge Rehbein
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    Helge Rehbein (Jahrgang 1975) ist als in der Spiegel-Gruppe ausgebildeter Wirtschaftsredakteur seit dem Jahr 2010 in der Finanzberichterstattung und Finanzkommunikation tätig. Zu seinen Schwerpunktthemen gehören Nachhaltigkeit, Megatrends, Schwellenländermärkte, Rohstoffe und ETF-Strategien. Der studierte Politik- und Sprachwissenschaftler wertet dank seiner genauen Kenntnisse des Englischen, Spanischen und Portugiesischen Material aus den entsprechenden Originalquellen aus – und sorgt damit für einen frischen Blick auf das Marktgeschehen. Helge Rehbein investiert an den globalen Märkten selbst und vertraut als Kenner der internationalen Beziehungen auf seine Branchenexpertise und sein erprobtes Gespür bei der Bewertung von globalen Marktchancen. Seine Interviewpartner schätzen ihn als Journalisten, der sachlich berichtet und gerne auch einmal unbequeme Fragen stellt.
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    Verfasst von Helge Rehbein
    Immer mehr Wertpapierdepots Wird sich die deutsche Aktienkultur nachhaltig ändern? Die Deutschen sind nicht dafür bekannt, sich intensiv mit der Börse auseinanderzusetzen. Gerade einmal jeder siebte hält Aktien oder -fonds. Doch ausgerechnet die Corona-Krise sorgt für ein Umdenken. Im Umfeld massiver Kursverluste haben sich viele Neuanleger auf Schnäppchenjagd begeben.