Digitale Währung im Höhenflug
Steigende Inflationsgefahr macht Bitcoin „salonfähig“ – Experten ordnen den Krypto-Hype ein
Der Bitcoin steigt und steigt und bricht Rekorde im Stundentakt. Stand der Kurs am Anfang der Woche noch bei 19.000 US-Dollar je Bitcoin, steht die Kryptowährung nun bei ungefähr 22.700. Experten erklären die Rallye.
Von Montag bis heute kletterte der Bitcoin um mehr als 4.000 US-Dollar (USD) nach oben. Die Rallye der digitalen Währung scheint kurz vor Weihnachten keine Grenzen zu kennen. Jochen Stanzl, Chef-Marktanalyst bei CMC Markets erklärt die Rekordjagd gegenüber wallstreet:online folgendermaßen: „Impfstoffe weisen einen möglichen Weg aus der Pandemie auf. Institutionelle Investoren denken jetzt schon einen Schritt weiter. Sie sehen Inflation als wachsendes Risiko. Das lässt den Bitcoin salonfähig werden. Institutionelle Investoren sind gerade dabei, den Bitcoin als eigene Assetklasse in ihren Portfolios zu adaptieren.“
Ähnlich sieht es Harald Meisner, Professor für Finanzwirtschaft an der Rheinischen Fachhochschule in Köln. Er ergänzt: „Der Einstieg von institutionellen Investoren und von PayPal und der damit einhergehenden Verknappung des Angebotes hat in der Tat zu dieser Kursentwicklung geführt.“ Hier führe die schiere Marktbedeutung zu der Rallye.
Geht es nach Stanzl ist gar noch einiges an Luft nach oben: „Über 13.852 USD hat der Bitcoin charttechnisch betrachtet einen langfristigen Boden gebildet. Wenn sich der voll nach oben auffächert, ließe sich ein mögliches Kursziel von 59.158 bis 75.993 USD ableiten“, sagt der CMC-Chef-Marktanalyst für Deutschland. Er merkt jedoch an, nur solange die Unterstützung bei 20.462 USD und darunter vor allem 13.852 USD gehalten werde. Sonst drohe eine Eintrübung des übergeordneten Chart-Setups.
Auch wenn der langfristige Trend des Bitcoins laut Stanzl intakt ist, sieht er durchaus Gefahren. Er verweist auf die ähnlich starke Anstiegsphase im Dezember 2017, die bis Dezember 2018 um 83 Prozent einbrach. „Der Bitcoin kann heftig schwanken und das zeigt doch, dass die Preisentwicklung beim Bitcoin keine Einbahnstraße ist. Anleger, die im Bitcoin aktiv sind, müssen mit den heftigen Schwankungen in beide Richtungen klarkommen“, sagt Stanzl.
Neben Bitcoin bahnt sich ebenso die Kryptowährung Etherum ihren Weg nach oben und steht bei circa 650 USD. Harald Meisner macht einen Grund für den Anstieg beim Wert Ethereum in der aktiven Rolle im DeFi-Segment aus. (Decentralized Finance, auch als DeFi bekannt, ist eine experimentelle Finanzierungsform, die nicht auf zentralen Finanzintermediären wie Brokern, Börsen oder Banken beruht, sondern intelligente Verträge für Blockchains verwendet.) Zudem sei Ethereum dabei, die Version 2.0 mit der verbesserten Skalierung auf den Weg zu bringen.
Auf die Frage, ob es der derzeitige Kurs von über 23.000 USD privaten Anlegern, nahezu unmöglich mache noch in Bitcoin einzusteigen, entgegnet Meisner, dass es für Einsteiger heute doch recht teuer, aber nicht zu teuer sei, weil gerade Ethereum erhebliches Potential biete. Hier sei es allerdings immer schwierig, Empfehlungen zugeben. Meisner weiter: „Unter anderem Kleinanleger zeichnen sich nach der Behavioral-Finance-Theorie* dadurch aus, dass sie mögliche Verluste so fürchten, dass ihnen die vorhandenen Gewinnaussichten dafür keine Kompensation bieten.“
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Autor: Nicolas Ebert, wallstreet:online Zentralredaktion
*Behavioral Finance:
Die Theorie besagt, dass Wertpapierkurse statt der tatsächlichen ökonomischen Situation immer das aggregierte Meinungsbild aller Marktteilnehmer über die erwartete ökonomische Entwicklung
ausdrücken. Dies zeigt die besondere Relevanz der Psychologie im Marktprozess.