So tickt die Börse
Reddits WallStreetBets treiben Hedgefonds vor sich her
Sie haben bestimmt seit letzter Woche von den Kurssprüngen in Gamestop (+1000%), AMC (+500%) oder Nokia (+80%) gehört. Ich erkläre, was dahinter steckt und was diese Vorgänge für die künftige Börsenentwicklung bedeuten.
Liebe Börsenfreunde,
Sie haben bestimmt seit letzter Woche von den Kurssprüngen in Gamestop (+1000%), AMC (+500%) oder Nokia (+80%) gehört. Ich erkläre, was genau dahinter steckt und was diese Vorgänge für die künftige
Börsenentwicklung signalisieren.
Letzte Woche war mega-turbulent, der DAX hat 3% verloren. Doch vereinzelte Aktien sind um 10%, 20%, 100%, ja teilweise mehrere hundert Prozent bis zu 1.000% angesprungen. In meiner neuen
Börsenbrief Ausgabe habe ich die Zusammenhänge erklärt, um Ihnen das ganze Bild der Ereignisse verständlich zu machen. Auf den Finanzinformationsseiten finden Sie stets nur einzelne
Informationsmosaiksteinchen, doch ich halte es für wichtig, das Gesamtbild zu verstehen.
Denn ich denke nicht, wie in den Medien derzeit publiziert, dass dem Treiben kurzfristig ein Ende gesetzt werden kann. Das wird noch ein bisschen weiter gehen. Und außerdem verändern sich gerade
wichtige Stabilisierungsregeln für die Aktienmärkte. Wir müssen verstehen, was vorgefallen ist, um die Folgen daraus abschätzen zu können.
Daher habe ich ausführlich alle Beteiligten vorgestellt und deren Ziele erläutert. Die Masse versucht, Hedgefonds in die Insolvenz zu treiben. Erste Opfer gibt es schon, aber auch erste
Profiteure.
• Rolle der Hedgefonds: Absicherung
• Darum werden diese 5 deutschen Aktien leerverkauft
• Internationale Hedgefonds-Lieblinge
• Occupy Wallstreet gegen Großkapitalisten
• Robinhood: Ein weiterer Akteur?
• Short Squeeze: Wenn Leerverkäufer in Panik geraten
• Reddit bietet Plattform für WallStreetBets
• So sprechen sich 5 Mio. Kleinanleger ab
• Parallelen zu LTCM & Volkswagen
• Robinhood und Interactive Broker verbieten Optionsscheinhandel auf WallStreetBets-Aktien
ROLLE DER HEDGEFONDS: ABSICHERUNG
Hedgefonds werden im Volksmund häufig mit Heuschrecken gleichgesetzt: Skrupellose Spekulanten, die auf dem Rücken der Belegschaft den eignen Profit maximieren. Ja, auch solche Hedgefonds gibt es,
heute laufen sie jedoch häufiger als aktivistische Investoren herum. Heute spielen viele Hedgefonds eine ganz andere Rolle. Das Besondere an Hedgefonds ist, dass sie sehr frei in der Wahl der
Anlageinstrumente sind. So können sie auch Leerverkäufe tätigen.
Leerverkäufe sind quasi das Gegenteil von Aktienkäufen. Normalerweise kauft man Aktien und möchte sie später zu einem höheren Kurs verkaufen. Die Differenz ist dann der Gewinn. Bei Leerverkäufen
VERkauft man als erstes die Aktien und möchte sie später zu einem NIEDRIGEREN Kurs kaufen. Die Differenz ist dann der Gewinn. Während man beim normalen Aktiengeschäft also vom Kursanstieg
profitiert, profitieren Leerverkäufer von fallenden Kursen.
In der heutigen Welt der Großfinanz spielt Finanzmathematik eine große Rolle. Und wenn institutionelle Anleger in ihren Portfolios Aktien im Wert von vielen Milliarden halten, dann zeigte die
Wissenschaft, dass es langfristig vorteilhaft ist, auch einen Anteil so zu investieren, dass Gewinne erzielt werden, wenn die Aktienmärkte fallen. Hedgefonds bieten genau hier ihre Dienstleistung
an.
Nun machen die Hedgefonds Verluste, wenn die Kurse steigen. Ziel der institutionellen Anleger ist es, Hedgefonds zu finden, die in guten Börsenzeiten weniger verlieren, als der Gesamtmarkt gewinnt.
Und in schlechten Zeiten sollten die Hedgefonds möglichste mehr gewinnen, als der Gesamtmarkt verliert. Daher suchen sich Hedgefonds natürlich möglichst schwache oder überbewertete Unternehmen aus,
die sich dann leerverkaufen: denn genau bei diesen beiden Aktien ist zu erwarten, dass sie schlechter laufen als der Gesamtmarkt, und somit unterm Strich eine positive Wirkung auf das
Gesamtportfolio des institutionellen Anlegers entfalten.
DARUM WERDEN DIESE 5 DEUTSCHEN AKTIEN LEERVERKAUFT
Evotec wächst mit 19%, notiert aber auf einem Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) von 77. Das Verhältnis von KGV zum Wachstum (PEG - Price/Earnings/Growth) beträgt also 77/19= 4. Alles unter 1 gilt als
günstig, bei Wachstumsunternehmen kann dieses Verhältnis schon mal auf 2 anwachsen, aber alles darüber gilt als überbewertet. Evotec ist ein tolles Unternehmen, das jedoch sehr hoch bewertet ist.
Daher ist es ein Liebling der Leerverkäufer.
Die Deutsche Lufthansa ist derzeit 6 Mrd. Euro wert, sie schiebt aber 13 Mrd. Euro an Schulden vor sich her. Mit 21 Mrd. Euro Jahresumsatz wird es lange dauern, bis dieser Schuldenberg auf ein
vernünftiges Maß zurückgeführt werden kann und nun werden in vielen europäischen Ländern Reisebeschränkungen eingeführt. Der Aktie könnte ein erneuter Ausverkauf drohen, also ist auch sie bei
Hedgefonds derzeit beliebt.
Varta ist, genau wie Evotec, eine Spekulation auf die Zukunft: 24% Wachstum werden mit einem KGV von 30 bewertet. Die PEG steht also bei 1,3, das ist vertretbar. Varta hat im vergangenen Jahr die
Produktionskapazität stark ausgeweitet und dadurch einen enormen Wachstumssprung vollzogen, der von vielen Anlegern skeptisch begleitet wurde. Die Pandemie hätte dort jederzeit das
Wachstumsabenteuer vereiteln können. In meinen Augen ist Varta inzwischen über den Berg, die Bewertung also in Ordnung. Ich verstehe nicht, warum Varta weiterhin bei Leerverkäufern so beliebt
ist.
Hugo Boss hat sich nicht nur gegen asiatische Billigkleidung zu behaupten, sondern musste aufgrund der Pandemie die Geschäfte schließen. Der Umsatz ist eingebrochen, der Schuldenberg wächst und das
Ende der Pandemie zieht sich in die Länge. Auch Hugo Boss ist daher bei den Leerverkäufern beliebt. Es wäre in meinen Augen das deutsche Pendant zu Gamestop.
Grenke Leasing steht seit vergangenem September im Rampenlicht: der Hedgefonds, der Wirecard zu Fall brachte, hat Grenke als sein nächstes Opfer deklariert: Man arbeite weiterhin intensiv an der
Informationsbeschaffung, um die Schummeleien von Grenke aufzudecken, gab der Chef des Hedgefonds gestern noch über Twitter bekannt. Kein Wunder, dass sich auch hier weiterhin viele Hedgefonds
tummeln.
INTERNATIONALE HEDGEFONDS-LIEBLINGE
Was sich diese Woche in Deutschland abgespielt hat, ist nur ein Hasenfurz gegenüber dem, was auf dem internationalen Parkett zu sehen war.
Nokia sprang am Mittwoch untertägig (nicht im Bergbau unter Tage, sondern innerhalb des einen Tages) um 50% an. Im Vergleich zum Wochenbeginn notierte die Aktie damit vorübergehend bei +80%.
Abbildung 1: Nokia Kursentwicklung der vergangenen Tage
Nokia kennen wir noch alle aus Zeiten der Handys. Doch Samsung und Apple haben das Hauptgeschäft des Konzerns obsolet gemacht. Heute ist Nokia neben Ericsson für den Aufbau des Mobilfunknetzes
zuständig. Doch Huawei drängt mit aller Kraft in den Markt und macht auch hier den beiden Europäern das Geschäft schwer. Nokia droht, den 5G-Boom an Huawei zu verlieren. Daher ist Nokia ebenfalls
beliebt bei Leerverkäufern.
AMC Entertainment betreibt Kinos in den USA. Netflix, Amazon Video, AppleTV, Disney+, etc. und vor allem der Lockdown fesselt die Zuschauer auf die heimischen Sofas, Kinofilme werden heute immer
häufiger gestreamt. Das Kino wird zu einem Erlebnis, das vom Stellenwert bald mit der Fahrt in einer Dampflokomotive zu vergleichen ist. Diese Aktie ist ebenfalls ein Liebling der Hedgefonds. AMC
sprang diese Woche zwischenzeitlich um 500%.
Abbildung 2: AMC Entertainment Kinobetreiber Kursentwicklung der vergangenen Tage
Gamestop schließlich ist die Mutter aller Verwerfungen: Die Aktie sprang diese Woche um über 1000%.
Gamestop kennen Ihre Kinder vielleicht aus den Einkaufszentren: Dort werden Videospiele verkauft. In Zeiten, in denen die meisten Videospiele online heruntergeladen werden, hat dieses
Geschäftsmodell keine Zukunft. Somit ist auch Gamestop ein Liebling der Hedgefonds.
Damit ist die Liste nicht zu Ende: Der Hersteller der früher einmal beliebten Blackberrys ist um 66% angesprungen, Billards (Einzelhändler mit Kleidung und Möbel) +83%, National Beverage Getränke
+63%, Academy Sports Outdoors +53%, Süßigkeitenhersteller Tootsie Roll +100%, ViacomCBS +40%.
OCCUPY WALLSTREET GEGEN GROSSKAPITALISTEN
In der großen Finanzkrise 2007 bis 2009 wurden viele Banken gerettet. Die Vermögen der "Reichen", insbesondere der Hedgefonds, die auf fallende Kurse spekulierten, nahm kaum Schaden. Viele Familien
verloren jedoch ihr Eigenheim, insbesondere in den USA. Die Wallstreet wurde zum Feindbild einer Bewegung, die sich unter dem Namen Occupy Wall Street organisierte. Man wollte dem Kapitalismus, dem
Lobbyismus und der wirtschaftlichen Ungerechtigkeit die Stirn bieten.
Die Bewegung schaffte es 2011 auf die Titelseiten der Boulevard Presse, ist seither jedoch von der Bildfläche verschwunden.
ROBINHOOD: EIN WEITERER AKTEUR?
Robinhood revolutioniert in den USA den Aktienhandel. Gründer und CEO Vladimir Tenev möchte den Aktienbesitz "demokratisieren": Mit seinem Online Broker hat er alle Hürden, die den Kleinanleger vom
Aktienbesitz fern halten, beseitigt, und möchte somit allen Menschen die Möglichkeit geben, am Produktivkapital des Landes teilzuhaben. Es gibt keine Ordergebühren und sollte eine Aktie zu teuer
sein (Tesla 835 USD), dann ist es auch möglich, Bruchteile einer Aktie zu erwerben.
Robinhood verzeichnet Zuwachsraten, die bei Wettbewerbern für Angst sorgte. Noch in diesem Jahr soll ggfls. der Börsengang folgen. Eine Reihe anderer Online Broker haben in den USA ihre
Ordergebühren nun ebenfalls gesenkt, teilweise sogar auf Null.
Dadurch gibt es nun in den USA eine Vielzahl an neuen, jungen Kleinaktionären. Auch in Deutschland ist eine solche Entwicklung zu beobachten: FlatEx unterbietet die meisten etablierten Broker beim
Preis, doch neue Broker wie Trade Republik stürmen den Markt mit ebenfalls günstigen bis kostenfreien Ordergebühren.
SHORT SQUEEZE: WENN LEERVERKÄUFER IN PANIK GERATEN
Ein Leerverkäufer verkauft also zuerst eine Aktie und wartet dann auf fallende Kurse. Die Aktie, die er verkauft, hat ihm sein Broker organisiert: Bei jeder Depoteröffnung werden Sie gefragt, ob
Ihr Aktienbestand für die Ausleihe an Leerverkäufer verwendet werden darf. Standardmäßig ist das genehmigt. Der Broker nimmt also die Aktie aus dem Bestand eines anderen Kunden, gibt sie dem
Leerverkäufer und lässt ihn diese Aktie verkaufen. Der Erlös wird auf das Konto des Leerverkäufers gebucht.
Nun möchte der Broker aber sicher gehen, dass der Leerverkäufer jederzeit in der Lage ist, die geliehene Aktie auch zurück zu kaufen. Er muss also eine Summe an Bargeld hinterlegen, die dem Wert
der Aktie entspricht. Natürlich kann auch der Bestand an Aktien als Sicherheit dienen, aber nur zu einem Anteil (bspw. 50%). Wenn der Leerverkäufer also Aktien im Wert von 100.000 Euro geliehen und
verkauft hat, dann muss er Aktien im Wert von 200.000€ im Bestand haben, damit sein Broker gut schlafen kann.
Steigt nun der Kurs der geliehenen Aktien, dann steigt auch die Höhe der Sicherheiten, die der Leerverkäufer hinterlegen muss. Springt die Aktie bspw. um 20% an, dann muss der Leerverkäufer schon
Aktien im Wert von 240.000 Euro hinterlegen. Und wenn der Kurs weiter ansteigt, wird es immer schlimmer.
Irgendwann reichen die Sicherheiten vielleicht nicht mehr aus. Dann werden Aktien verkauft, denn Bargeld zählt zu 100%, während die Aktien nur zu 50% zählen. Wenn der Leerverkäufer das jedoch
bereits getan hat oder keine entsprechenden Gegenwerte hat, dann gibt es den sogenannten "Margin Call": der Broker ruft beim Leerverkäufer an und setzt ihm eine Frist: Bis morgen um 12 Uhr hast Du
Zeit, die geliehenen Aktien in deinem Depot zurückzukaufen oder weitere Sicherheiten einzureichen. Wenn du das nicht schaffst, werden wir die geliehenen Aktien zurück kaufen, ohne auf den Preis
Rücksicht zu nehmen.
Spätestens jetzt ist die ... am dampfen: Der Leerverkäufer muss in einem Markt, in dem viele Aktien fallen, seine geliehenen Aktien jedoch steigen, kaufen und damit den Kurs weiter antreiben. Wenn
die Aktie nicht liquide ist, wie bei Nostalgie-Werten wie Gamestop, Blackberry, AMC oder Nokia, dann treiben seine Käufe den Kurs in ungeahnte Höhen. Der Leerverkäufer wird ausgequetscht: Short
Squeeze. Häufig endet dieser Prozess in der Insolvenz eines Leerverkäufers, denn am Ende steht der Leerverkäufer ohne Aktien, aber mit einem Minusbetrag in der Schuld des Brokers.
REDDIT BIETET PLATTFORM FÜR WALLSTREETBETS
Reddit ist in den USA eine beliebte Blogging-Seite für jedermann, offensichtlich insbesondere für junge Kleinaktionäre. Dort werden Foren aufgemacht, in denen offen über die nächste Aktie
diskutiert wird, die in den Himmel geschossen werden soll.
Im Forum WallStreetBets tummeln sich inzwischen 5 Millionen Mitglieder. Mit Meldungen wie "Ich kaufe Gamestop Aktien, es ich mir egal, wenn ich alles verliere und ich werde weiterhin in Aktien
investieren, mit denen kriminelle Leerverkäufer in die Insolvenz getrieben werden" wird zur Revolution gegen die Wallstreet aufgerufen.
Hier übrigens der Link zum Forum: https://www.reddit.com/r/wallstreetbets/
Das passt wunderbar zur aktuellen Gemütslage der US-Amerikaner: Kapitalist Trump wurde aus dem Weißen Haus gejagt. Jetzt ist der Kleine Mann am Zug. Besser noch, der Kleine Mann hat gerade einen
Scheck von der Regierung bekommen: 1.400 USD pro Amerikaner, zusätzlich zu den 600 USD, die bereits im Dezember gezahlt wurden. Ins Kino darf man nicht, Essen gehen geht auch nicht. Also stecken
viele Amerikaner dieses Geld nun in die auf WallStreetBets vorgeschlagenen Aktien.
SO SPRECHEN SICH 5 MIO. KLEINANLEGER AB
Wie einigen sich diese 5 Millionen Reddit-Nutzer nun auf ein und dieselbe Aktie? Nun, in den USA werden nun Untersuchungen eingeleitet, ob die Mobilisierung der Massen einen kriminellen Tatbestand
erfüllt. Erste Vermutungen führen in die Richtung, dass es eben nicht willkürlich auf Reddit zusammentreffende Massen sind, die sich wie ein Vogelschwarm gleichzeitig auf eine Aktie stürzt, sondern
dass eine Steuerung vorhanden ist.
Und hier fällt der Verdacht auf Occupy Wall Street: Die Bewegung hatte durchaus finanzkräftige Unterstützer. So könnten einige Aktionen durchaus gut vorbereitet sein. Das würde so laufen:
Gamestop erlebt im Weihnachtsgeschäft einen Nachfrageboom, weil Sony die neue Playstation herausgebracht hat. In meinem Bekanntenkreis warten derzeit zwei Familien auf die Lieferung der neuen
Playstation, die vor Weihnachten bestellt wurde und eigentlich unter dem Weihnachtsbaum liegen sollte. Knappheit ist immer ein guter Indikator für ein heißes Produkt.
Die neue Generation der Playstation wird dafür sorgen, dass auch mehr Videospiele bei Gamestop gekauft werden. Gleichzeitig hat Gamestop den CEO ausgewechselt, neue Besen kehren gut. Die Aktie
setzte also schon im Oktober zum Sprung an: von damals 10 USD ging bis sie auf 20 USD Mitte Dezember. Jeder Leerverkäufer wird diesen Sprung lächelnd beobachten und seinen Zahlen entnehmen, dass
Gamestop perspektivisch doch das gleiche Schicksal ereilen wird wie die Video-Verleihe (Blockbuster), die früher mal an jeder Ecke zu finden waren.
Noch am 12. Januar notierte die Aktie von Gamestop auf 20 USD, doch dann nahm sie Fahrt auf. Jetzt erst wurden Aktienforen mit Meldungen zu Gamestop überflutet, während die Aktie gleichzeitig zu
steigen begann. Wichtig in dieser Phase ist, dass jegliches Angebot, das auf den Markt kommt, sofort aufgekauft wird ... und möglichst auch zu höheren Kursen.
Denn natürlich gibt es Alt-Aktionäre, die den Kurssprung in ihrer Gamestop Aktie gesehen haben und sich denken, das nehme ich mit. Dieses Angebot darf möglichst nicht zu den Leerverkäufern
gelangen. Also kaufen genau jetzt die Massen alles, was auf den Markt kommt. So steigt der Aktienkurs und mit ihm die Not der Leerverkäufer.
Und jetzt gibt es Durchhalteparolen auf WallStreetBets: "Info für Alle Gamestop-Aktionäre: Falls der Preis heute fällt, MACHT EUCH KEINE SORGEN. Wir haben bisher alle Gegenschläge der Leerverkäufer
überlebt, inzwischen sind sie mehr als verzweifelt. Der Short Squeeze ist noch nicht vorbei. BEHALTET EURE AKTIEN, EGAL, WAS KOMMT."
Abbildung 3: Gamestop Kursentwicklung der vergangenen Wochen
Der erste Hedgefonds ist bereits in die Knie gegangen: Melvin Capital wurde von den zwei Wettbewerbern Citadel und Point72 mit 2,75 Mrd. USD gerettet, dafür partizipieren die beiden Retter nun am
künftigen Geschäft des ersten Opfers. Mal sehen, ob weitere Hedgefonds in die Grätsche gehen.
PARALLELEN ZU LTCM & VOLKSWAGEN
Vielleicht erinnern Sie sich: 2008 sprang im Rahmen des Übernahmekampfs zwischen VW und Porsche die Aktie von VW plötzlich an und schoss von 250 EUR auf zwischenzeitlich über 1.000 EUR. Adolf
Merckle, Gründer von Ratiopharm und Großaktionär von HeidelbergCement, geriet durch die Finanzkrise in Probleme, suchte die Rettung im Geschäft mit Leerverkäufen zu VW und geriet so in die
Insolvenz. Beide Unternehmen wurden anschließend restrukturiert, Adolf Merckle nahm sich das Leben.
Oder Long Term Capital Management, LTCM: 1998 geriet dieser Hedgefonds in die Insolvenz. Gleich zwei Nobelpreisträger, Myron Scholes und Robert Merton, waren an diesem Geschäft beteiligt. Sie
hatten finanzathematische Zusammenhänge aufgedeckt, mit denen über die Zeit Bewertungsunterschiede für die Gewinnerzielung genutzt werden konnten. Das Modell funktionierte prima und die Wetten
wurden immer größer, bis eines Tages die Russlandkrise die mathematische Gewissheit auf die lange Bank schob.
Da man sich dieser mathematischen Gewissheit sicher war, hielt man mit dem eigenen Portfolio auch nicht hinterm Berg - immerhin hatte man ja dafür schon einen Nobelpreis erhalten. So begannen
andere Hedgefonds gegen die Positionen von LTCM zu spekulieren. Es gab so etwas wie eine Massenbewegung bei Hedgefonds, jeder nahm die Gegenposition zu LTCM ein, so dass sich die mathematische
Differenz vorübergehend in ungeahnte Höhen schraubte und zur Insolvenz von LTCM führte.
Die Finanzmärkte bebten, die US-Notenbank unter Alan Greenspan senkte umgehend den Leitzins und LTCM bekam Kapitalspritzen, um die offenen Positionen zumindest über die Zeit ausgleichen zu können.
Andernfalls wären die anderen Hedgefonds, die die Wette gewonnen hatten, ebenfalls leer ausgegangen und die Schockwellen in der Finanzindustrie wären noch viel größer gewesen.
Übermäßige Spekulationen wurden in Folge dieser Erfahrung reguliert, Hedgefonds wurden vorsichtiger. Marktteilnehmer, die bei vorübergehenden Fehlentwicklungen als Korrektiv auftreten, waren
verunsichert, denn vorübergehende Fehlentwicklungen können länger anhalten, als man selber solvent bleiben kann. In der Folge startete die Jahrhundertrallye, die schließlich in der Internetblase
endete. Es gab zu wenige Marktteilnehmer, die Aktien mit einem Kurs/Umsatz-Verhältnis von 100 oder gar 1.000 leerverkauft hätten, um noch höhere Kurse zu verhindern.
ROBINHOOD UND INTERACTIVE BROKER VERBIETEN OPTIONSSCHEINHANDEL AUF WALLSTREETBETS-AKTIEN
Gestern haben dann Robinhood und Interactive Brokers und einige weitere Broker reagiert und den Handel mit gehebelten Produkten auf Gamestop, Nokia, AMC Entertainment und eine Reihe anderer Aktien
verboten: Entsprechende Produkte dürfen vom Endkunden nur noch an den Broker zurück verkauft werden.
Zur Erinnerung: Wir haben es hier mit vielen Kleinanlegern zu tun. Diese können jedoch die Auswirkung ihrer Aktionen hebeln, indem sie Optionsscheine kaufen. So können sie beispielsweise mit 100
USD Aktien im Wert von 10.000 USD bewegen.
Wen's interessiert: Hier die Liste: AMC, BB, BBBY, EXPR, GME, KOSS, NAKD, NOK.
Es dauerte nur wenige Minuten, da wurde Robinhood CEO Vladimir Tenev auf WallStreetBets als Drecksack bezeichnet, er stecke mit den kriminellen Hedgefonds unter einer Decke. Die Massen machen nun
mobil gegen Robinhood.
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