Die Pandemie als Motor des Kulturwandels
Von Peyvand Jafari, Geschäftsführender Gesellschafter, CREO Group
Wir reden immer darüber, dass sich die Büroarbeit verändert - sowohl räumlich als auch technisch. Dabei geht es um neue Büroformen und innovative technische Lösungen, mithilfe derer das dezentrale Arbeiten voranschreitet, oder um die Verschiebung der lokalen Standorte der Unternehmen von morgen. Aber zwischen all dem haben wir den Menschen hinter der Arbeit außer Acht gelassen beziehungsweise bisher recht wenig betrachtet. Die "New Work"-Bewegung ist neben der technischen Innovation vor allem auch Einstellungssache. Ein Kulturwandel wäre dringend nötig, denn wir müssen die Bewegung viel stärker auf den Menschen projizieren.
Viele Händler nutzen die Zeit in der Pandemie bewusst, um ihre internen Strukturen und Organisationen neu zu ordnen und frische Impulse zu setzen. Dabei geht es vorrangig um ein angenehmes Arbeitsklima. Dazu zählt der Umgang der Mitarbeiter untereinander ebenso wie das angemessene Agieren mit dem Kunden. Um einen Kulturwandel tatsächlich voranzutreiben, müssen die Unternehmen einiges beachten.
Wertebasiertes Handeln
Im Zentrum des Kulturwandels steht das wertebasierte Handeln. Zum einen geht es darum, dass die neu entwickelten Werte von der Unternehmensspitze vorgelebt werden. Das führt dazu, dass neue
Grundsätze von allen Mitarbeitern gut aufgenommen und nachvollzogen werden können, sodass sich keiner von der neuen Situation überrumpelt oder überfordert fühlt. Dazu zählt beispielweise der Wandel
von impliziten Gesetzen hin zu festgelegten Prozessen und Rollen. Entscheidungen sollen datenbasiert statt aus dem Bauch heraus erfolgen, sodass sie für jeden nachvollziehbar sind und nicht
willkürlich erscheinen.
Zum anderen geht es um die Inklusion von langjährigen Mitarbeitern. Leute, die schon seit Jahren beim Unternehmen tätig sind, müssen abgeholt werden. Es ist wichtig, dass auch sie in den neuen Strukturen der Firma Erfolgserlebnisse genießen können. Bestehende Hierarchien lässt der Kulturwandel hinter sich. Es sollen gemeinsame Erfolge erzielt und gefeiert werden: vom Sie zum Wir. Das kann durch einen transparenten Austausch und eine optimale Vernetzung funktionieren, die über die Abteilungsgrenzen hinweg geschehen. Das bedeutet außerdem, dass jeder einzelne mehr Verantwortung übertragen bekommt und somit die neuen Werte selbst aufnehmen und weiterführen kann. Gleiches gilt für das Büro der Zukunft - auch dort handelt es sich nicht um ein Konzept, das "von oben" eingeführt werden sollte. Vielmehr sollten die Entscheidungen aus dem Team heraus getroffen werden. Es geht darum, dass jeder einzelne Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse einbezogen wird und Mehrwerte für alle geschaffen werden. Mitarbeiter sollen in den neuen Büroformen beispielsweise wesentlich flexibler arbeiten können, um so das Privat- und Berufsleben besser miteinander zu verbinden.
Eines sollte dabei immer vor Augen geführt werden: Der Kulturwandel ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Deshalb sind vor allem Geduld und eine gewisse Beharrlichkeit gefragt. Auch wenn eine aktuelle Notwendigkeit für einen Kulturwandel ersichtlich ist, wie beispielsweise die Corona-Pandemie, ist ein Wandel immer etwas Langfristiges. Werte innerhalb eines Unternehmens können sich nur verändern, wenn jeder einzelne Mitarbeiter die Benefits entdeckt und neue Strukturen für sich annimmt. Sie müssen selbst erkennen, dass der neue Weg der richtige und bessere ist. Unternehmensführer sollten daher die neuen Grundsätze und den Glauben an den Erfolg über eine längere Zeit hinweg aufrechterhalten.
Eine große Chance für Mittelständler
Glaubhaftigkeit, Inklusion und Geduld sind also die wichtigsten Themen auf der Ebene des Kulturwandels. Die Pandemie bedeutet für die Unternehmen nicht nur Filialschließungen infolge des Lockdowns,
sondern auch Zeit. Zeit für die Organisation interner Strukturen und die Aufbereitung neuer und bestehender Werte. Doch nicht jedes Unternehmen ist in der Lage, diese Werte gleichermaßen
umzusetzen. Der Wertewandel stellt vor allem eine Chance für die mittelständischen Unternehmen dar. Diese denken langfristig und basieren auf tief verwurzelten Werten. Daher könnten sie am ehesten
die Vorteile des Wandels beziehungsweise der Anpassung an zeitgemäße Werte erleben.