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     143  0 Kommentare Schief gewickelt, Marktkommentar von Alex Wehnert

    Frankfurt (ots) - Beim Börsenhype um Windeln.de haben aktivistische Kleinanleger
    inzwischen jeglichen Vorwand, es handle sich um eine fundamental zu
    rechtfertigende Rally, fallen gelassen. Zu Beginn der Kurskapriolen hatte noch
    die in deutschsprachigen Subforen der Plattform Reddit verbreitete Behauptung
    ge­standen, die Aufhebung der Ein-Kind-Politik in China helle die
    Geschäftsaussichten des Unternehmens massiv auf. Tatsächlich generiert
    Windeln.de rund drei Viertel ihres Umsatzes in der Volksrepublik - Effekte der
    neuen Vorgaben aus der Volksrepublik auf die Nachfrage dürften aber höchstens
    mit langer Zeitverzögerung spürbar werden. Zudem wäre der Babyausstatter
    aufgrund der angespannten Liquiditätssituation vielleicht gar nicht in der Lage,
    davon zu profitieren.

    Mittlerweile scheint das China-Narrativ aber beiseite gefegt und durch pure Lust
    an der Kurstreiberei ersetzt worden zu sein. Nachdem auf eine Warnung der BaFin
    vor Kaufaufrufen im Internet am Donnerstag ein Kurssturz von über 30 Prozent
    gefolgt war, wurden Anleger, die nach eigenen Angaben viel Geld verloren hatten,
    von anderen Nutzern zum Nachkaufen gedrängt. Andere proklamierten das Ziel, die
    Aktie bis auf 10 Euro anzuschieben. Dass der Titel davon weit entfernt ist,
    liegt auch an einem entscheidenden Unterschied zwischen dem Hype um Windeln.de
    und der Rally vieler sogenannter Meme-Stocks aus den USA. Denn bei Investitionen
    in Aktien von Gamestop und AMC können sich die Reddit-Aktivisten an einem
    gemeinsamen Feindbild austoben: Hedgefonds, die bei diesen Gesellschaften
    großvolumig Short-Positionen aufgebaut haben.

    Das Narrativ von einer organisierten Masse an Privatanlegern, die sich gegen die
    Finanzelite verbündet und in Not geratene Unternehmen rettet, verstärkt den
    Herdentrieb am Markt. Wobei sich ironischerweise Hinweise darauf verdichten,
    dass Hedgefonds, die algorithmenbasierte Momentum-Strategien verfolgen,
    ebenfalls bei der Rally der Meme-Stocks mitmischen.

    Auch bezüglich Windeln.de kursierten in Internetforen wilde Gerüchte um
    chinesische Hedgefonds, die angeblich die Kurse drücken wollten, um die
    Gesellschaft günstig übernehmen zu können. Anleger, die daran glaubten, waren
    schief gewickelt: Im Bundesanzeiger liegen keine Meldungen über
    Leerverkaufspositionen in Aktien von Windeln.de vor. Weil diese Information
    infolge der medialen Berichterstattung auch in die Internetforen vorgedrungen
    ist, löst sich das zusammenschweißende Feindbild der chinesischen Hedgefonds in
    Luft auf.

    Dass die Verbreiter solcher Gerüchte ihre Kommentare oft schnell wieder löschen,
    unterstreicht den Wahrheitsgehalt der jüngsten BaFin-Warnung, in der es heißt:
    "Häufig dienen Chat-Gruppen in sozialen Netzwerken lediglich dazu, Anleger zum
    Kauf von bestimmten Aktien zu verleiten, damit die Absender von steigenden
    Kursen dieser Aktien profitieren." Derartige Komplotte sind am Finanzmarkt nicht
    neu - doch während Kaufaufrufe früher in Anlegerjournalen verbreitet wurden,
    ermöglichen Social Media heute eine schnellere und großflächigere Publikation.

    Es sind allerdings nicht nur Reddit-Investoren, die im Zuge des Hypes auf dem
    Rücken leichtgläubiger Kleinanleger Kasse machen. Bei AMC haben laut Einträgen
    bei der US-Börsenaufsicht SEC zuletzt hochrangige Manager große Aktienpakete
    abgestoßen. Dass offenbar selbst Insider Zweifel an einem anhaltenden Aufschwung
    haben, sollte Investoren zu denken geben. Zugleich nutzen die Unternehmen die
    Kursanstiege, um Aktien auf den Markt zu werfen. Bei Gamestop könnte eine
    weitere Kapitalerhöhung die Blase laut Analysten zum Platzen bringen - hinzu
    kommt, dass die SEC den Handel mit Aktien des Videospielhändlers prüft.

    Außerdem erwägt die Aufsicht angeblich, Neobroker dazu zu verpflichten, vor
    Transaktionsabschluss Warnhinweise an Privatanleger zu schalten. Wenigstens ein
    paar Privatinvestoren könnten so eventuell vor gewaltigen Kursverlusten bewahrt
    werden. Auch die BaFin, deren Mandat natürlich nicht kongruent zu dem der SEC
    ist, sollte überlegen, welche Maßnahmen sie über ihre jüngste Warnung hinaus
    ergreifen kann. Denn gerade dem deutschen Markt, an dem Aktien gerade wieder
    etwas mehr Zuspruch erfahren, droht sonst ein herber Rückschlag. Schließlich
    könnte es den Enthusiasmus vieler junger Menschen nachhaltig dämpfen, wenn ihre
    erste Anlageerfahrung aus einem Totalverlust ihrer Investition in Windeln.de
    bestünde.

    Pressekontakt:

    Börsen-Zeitung
    Redaktion

    Telefon: 069--2732-0
    www.boersen-zeitung.de

    Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/30377/4939666
    OTS: Börsen-Zeitung



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