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    Marktkommentar  147  0 Kommentare Laurent Denize (Oddo BHF): Reflation in Lauerstellung

    Die Erwartung einer Reflationierung ist ins Wanken geraten, aber ist sie damit komplett vom Tisch?

    20.07.2021 - Seien wir ehrlich: Zu Beginn des Jahres war nicht damit zu rechnen, dass die Rendite 30-jähriger US-Staatsanleihen so schnell unter die Marke von 2% fallen würde, nachdem sie noch im März 2021 einen Höchststand von 2,45% erreicht hatte. Die Erwartung einer Reflationierung ist ins Wanken geraten, aber ist sie damit komplett vom Tisch?

    Rapider Rückgang der Langfristzinsen

    Was sind die Gründe für die schnelle Talfahrt der Langfristzinsen, und welche Szenarios sind im weiteren Jahresverlauf denkbar? Die stark gefallenen Renditen und die flachere Zinskurve lassen sich auf drei Faktoren zurückführen:

    • Schwächer als erwartet ausfallende Konjunkturdaten. Dieser Rückgang legte nahe, die USA hätten schon ihren Wachstumszenit erreicht und aufgrund der Abschwächung würden die Renditen sinken. Die bisherige Wachstumsrate ist nicht nachhaltig: Angesichts eines realen BIP-Wachstums von durchschnittlich fast 9,5% per Mitte 2021 erwarten wir eine Verlangsamung des US-Wachstums im weiteren Jahresverlauf und auch bis ins Jahr 2022 hinein. Unser Chefvolkswirt prognostiziert dennoch eine reale BIP-Wachstumsrate von 5,1% in 2022, die weiterhin deutlich über Potenzial liegt.
    • Es war der Eindruck entstanden, die Fed würde ihre Ankaufprogramme schneller als erwartet drosseln und bereits 2023 damit beginnen, die Zinsen zu erhöhen. Die US-Notenbank hat jedoch bei der Sitzung vom 16. Juni 2021 keineswegs plötzlich den „Falken“ in sich entdeckt. Auch dürfte sie kaum von ihrem unterstützenden Kurs ablassen, solange die Arbeitslosenquote nicht unter 4% fällt.
    • Die Auflösung von auf einen Zinsanstieg spekulierenden Positionen. Die Marktdaten deuten tatsächlich darauf hin, dass Anleger zu stark auf steigende Zinsen gesetzt haben und dieser Trend durch den Kauf von Short-Positionen noch verstärkt wurde. Aktuell sehen wir keine unmittelbaren Katalysatoren für einen Rückgang der Renditen auf das Niveau von Juni (durchschnittlich 1,5%% für 10-jährige Titel). Allerdings könnten hohe Bewertungen und Positionsbereinigungen eine Rückkehr zum Mittelwert auslösen.

    In den kommenden Wochen könnten ein knappes Angebot von Arbeitskräften und substanzielle Fortschritte bei der Infrastrukturfinanzierung den Boden für ein Wiederanziehen der 10-jährigen US-Zinsen bereiten. Kurzfristig stehen Mitte Juli umfangreiche Treasury-Emissionen an. So sollen 3-jährige Anleihen und 10-jährige Titel in einem Volumen von 58 Mrd. $ bzw. 38 Mrd. $ begeben werden. Wie dieses Angebot vom Markt aufgenommen wird, dürfte erste Hinweise auf die Anlegerstimmung liefern.

    Zum aktuellen Zeitpunkt empfehlen wir Short-Positionen in 10-jährigen Treasuries und Strategien, die auf eine Versteilung der Renditekurve im 2-7-Jahres-Laufzeitband setzen. Was das lange Ende der Kurve angeht, sind wir weniger überzeugt.

    Wie steht es in Sachen Reflation?

    Über den Prognosegehalt von gehandelten Inflationserwartungen (Break-Even-Renditen) lässt sich sicher diskutieren. Dennoch bieten sie eine solide Grundlage für die Analyse. Der Rückgang der Break-Even-Renditen in den USA von über 2,5% auf nur noch rund 2,25% in den letzten Wochen ging überwiegend auf den Rückgang der Nominalrenditen zurück. Wir gehen davon aus, dass diese mittelfristig wieder steigen werden – im Gleichschritt mit steigenden Realzinsen und einem weiterhin robusten Wachstum. Auch dürften die Indikatoren für Konjunkturüberraschungen bald wieder nach oben drehen und so die momentan eher verhaltenen Erwartungen übertreffen.

    Die Inflationszahlen für Juni fielen erneut überraschend hoch aus. Dies sollte allerdings den Höhepunkt markieren, und einige der stark preistreibenden Komponenten dürften sich im Verlauf der nächsten Monate abflachen. Zum Ende des Sommers dürfte der Arbeitsmarkt wieder deutlicher anziehen, da dann die US-Programme zur Arbeitslosenunterstützung auslaufen. Dies dürfte sich in den kommenden Monaten positiv auf die Lohnentwicklung auswirken. Darüber hinaus könnte sich auch die Teuerungsrate im Immobiliensektor weiter erholen – zwei Effekte die den oben beschriebenen Basiseffekten entgegenwirken. Per Saldo werden die nächsten Monate also einen Rückgang vom jetzigen Niveau sehen, aber möglicherweise bleibt die Inflation auf einem höheren Niveau als bislang erwartet.

    Weiter Präferenz für Aktien

    Mit den gefallenen Anleiherenditen haben Aktien wieder relativ an Wert gewonnen. Die anstehende Berichtssaison wird ein entscheidender Indikator dafür sein, wohin die Reise in den kommenden Monaten geht. Seit Januar sind die Gewinnerwartungen um 15 Prozentpunkte nach oben revidiert worden (in Europa zwischen 2020 und 2021 von 32% auf 47%) und stehen damit in vollem Einklang mit den Zuwächsen am Aktienmarkt. Der Markt bleibt hoch bewertet, unterfüttert wird dies aber mit soliden Fundamentaldaten. Mögliche positive Überraschungen an der Gewinn- und Konjunkturfront könnten zyklischen Titeln in den kommenden Monaten neuen Auftrieb geben. Wir halten dies keineswegs für ausgeschlossen. Wir teilen nicht die Einschätzung, dass die Rotation von Wachstums- in Value-Titel vorbei ist. Gleichwohl dürfte der nächste Marktzyklus – bis zum Jahresende – eher einer kräftezehrenden Bergetappe ähneln.


    Lesen Sie mehr im ausführlichen "Monthly Investment Brief - Reflation in Lauerstellung".


    Finden Sie hier weiter Kommentare von Laurent Denize.




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