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    Meldestelle für „Steuersünder“  1513  0 Kommentare Nur der erste Schritt: Wohin führt die Spitzelkultur? - Seite 2


    Damit wäre der Willkür Tür und Tor geöffnet. Denn „Gemeinwohl“ ist ein vager und dehnbarer Begriff, unter dem sich jeder vorstellen kann, was er will. Bei Collier ist nicht gemeint, dass sich das Management an gesetzliche Vorschriften halten soll (das ist ja auch heute schon so), sondern dass in seinem „sozialen Kapitalismus“ bei jeder unternehmerischen Entscheidung geprüft werden müsse, ob diese auch im „Gemeinwohl“ liege, was heute wohl heißt, dass sie in Übereinstimmung mit „Nachhaltigkeit“ steht, nicht den Klimawandel befördert und natürlich „Gender“-Gesichtspunkte berücksichtigt. Collier möchte, dass die ganze Gesellschaft einem „sozialen Maternalismus“ verpflichtet sein soll. Doch Collier hat sogar noch radikalere Ideen. Er will, dass Bürger die Rolle von „Polizisten“ spielen, die darüber wachen, dass die Unternehmen im öffentlichen Interesse handeln. Er meint damit nicht die staatliche Polizei, sondern durch von niemandem legitimierte, also selbsternannte Aktivisten, die die Unternehmen bespitzeln und kontrollieren sollen. „Jede Regulierung kann durch kluges förmliches ‚Abhaken von Kästchen’ unterlaufen werden; jede Steuerlast kann durch geschickte Buchführung verringert werden; jedes Mandat kann durch eigennütziges Denken manipuliert werden. Der einzige Schutz gegen derartige Handlungsweisen ist eine alles sorgfältig beobachtende ‚Polizei’… Die sanfte Aufsichtsfunktion erfordert nicht, dass sich alle daran beteiligen: Wenn eine kritische Masse Teilnehmer überschritten wird, werden die Risiken, die durch das Fehlverhalten von Unternehmen entstehen, untragbar hoch.“ Collier setzt darauf, dass sich in jedem Unternehmen genügend selbst ernannte Aktivisten finden, die diese Kontroll- und Spitzeltätigkeit mit Freude übernehmen: „Alle Unternehmen haben einen großen Pool an Mitarbeitern mit feinem ethischem Gespür, die bereit wären, eine zusätzliche Aufgabe zu übernehmen, und stolz darauf, Hüter des öffentlichen Interesses zu werden… Es besteht kein Mangel an hochmotivierten Menschen, die in Großunternehmen arbeiten und sich der Gesellschaft verpflichtet fühlen.“
    Obwohl Collier sich in seinem Buch immer wieder zum Pragmatismus bekennt und gegen Ideologen und Populisten wettert, ähneln seine Ideen in erschreckender Weise totalitären Systemen. Wenn private Personen ohne jede Legitimation die Rolle einer „all-seeing police force“ (so die verräterische Formulierung in der englischen Originalausgabe des Buches) spielen sollen, die darüber wacht, dass die Eigentümer bzw. die Eigentümervertreter im Unternehmen im „public interest“ handeln, dann hat dies auf jeden Fall mit Marktwirtschaft und Kapitalismus nichts mehr zu tun. Vom Kapitalismus bleibt am Ende nichts mehr übrig als das bloße Wort: Zwölf Buchstaben, die aber ihrer eigentlich Bedeutung beraubt wurden.

    Antikapitalismus führt immer zu Freiheitsbeschränkungen – und ich könnte mir gut vorstellen, dass eine Linksregierung in Deutschland sehr gerne Vorschläge wie die von Collier aufgreifen würde. Deshalb gilt: Der „Gemeinwohl“-Zweck heiligt nicht die Mittel und es gilt, den Anfängen zu wehren.

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    Rainer Zitelmann
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    Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker, Politikwissenschaftler und Soziologe - und zugleich ein erfolgreicher Investor. Er hat zahlreiche Bücher auch zu den Themen Wirtschaft und Finanzen* geschrieben und herausgegeben, viele davon sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. * Werbelink
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    Verfasst von Rainer Zitelmann
    Meldestelle für „Steuersünder“ Nur der erste Schritt: Wohin führt die Spitzelkultur? - Seite 2 In Baden-Württemberg haben die GRÜNEN eine Meldestelle eingeführt, bei der man anonym mutmaßliche „Steuersünder“ melden kann. Annalena Baerbock möchte das auch für ganz Deutschland. Doch das wäre nur der erste Schritt.

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