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    Marktkommentar  131  0 Kommentare Walter Liebe (Pictet): Die Zukunft der Ernährung

    Die Zukunft der Ernährung – besser und nachhaltiger, nicht bloss „mehr“!

    August 2021 - Als um die Jahrtausendwende die ersten Fonds für Agrikultur und „Food“ auf den Markt kamen, stand eine andere Herausforderung im Raum als heutzutage. Die große Frage, die seinerzeit gestellt wurde, lautete: „Die Weltbevölkerung wächst auf 9 bis 11 Milliarden Menschen bis Mitte/ Ende des 21. Jahrhunderts, gleichzeitig sinken die Ackerflächen pro Kopf der Bevölkerung. Wie sollen wir künftig die Menschheit satt bekommen?“

    Gleichzeitig, so die Sorge, erzeugt eine stärker werdende Mittelschicht in den Schwellenländern mit ihren sich verändernden Essgewohnheiten weiteren Druck auf die globale Versorgung mit Lebensmitteln („was soll nur werden wenn jeder Chinese so viel Fleisch essen möchte wie wir Europäer?“). Dementsprechend lag der Hauptfokus von Landwirtschafts-Anlagestrategien in der Ausweitung der produzierten Menge an Lebensmitteln, sprich in einer extensiven Landwirtschaft.

    Diese Themeninterpretation des Anlagethemas hatte jedoch einige gravierende Nachteile. Neben den beträchtlichen Umweltauswirkungen einer ungezügelten Steigerung der Intensität der Landwirtschaft (Biodiversität, Abholzung von Regenwäldern, übermäßiger Einsatz von Dünger und Pestiziden – und nicht zuletzt die Tatsache, dass die Landwirtschaft etwa ein Drittel der weltweiten Treibhausgas-Emissionen erzeugt!) war eine solche Anlagestrategie auch recht volatil. Ein hoher Anteil des Portfolios war sehr zyklisch aufgestellt und abhängig von der Entwicklung der Rohstoffpreise. Die Schwankungen wurden dabei bisweilen durch externe Faktoren wie Wetterextreme beeinflusst. 

    Mittlerweile hat sich der Blickwinkel jedoch merklich gewandelt. Nicht mehr die Menge der erzeugten Nahrungsmittel steht im Mittelpunkt, sondern die Qualität und Nachhaltigkeit dessen, was wir zu uns nehmen. Das bedeutet leider nicht, dass das Problem des Hungers in der Welt gelöst wäre – noch immer sind etwa 2 Milliarden Erdenbürger unter- oder mangelernährt. Die Corona-Pandemie hat die Situation sogar noch verschlimmert und Fortschritte von Jahrzehnten zunichte gemacht.

    Auf der anderen Seite gibt es weltweit über 2 Milliarden Menschen, die übergewichtig sind. Deren Lebensweise hat andere, auch unerwünschte Nebenwirkungen. Auch hier hat Covic eine Bewusstseins-Änderung ausgelöst. Denn es zeigte sich, dass Corona-Krankheitsverläufe tendenziell schwerer sind, wenn Patienten übergewichtig sind und Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben. Aber auch abseits der unmittelbaren Erfahrungen schwerer Covid-Erkrankungen hat die Pandemie und die verschiedenen Lockdowns viele Bürger zu einer kritischen Reflektion ihrer Ernährung und ihrer allgemeinen Gesundheitssituation veranlasst. Das eigene Wohlbefinden und das Leben bei guter Gesundheit hat mittlerweile einen viel höheren Stellenwert als noch vor wenigen Jahren (von der „Fresswelle“ im Nachkriegs-Deutschland ganz zu schweigen). In der Folge verändern sich Konsumgewohnheiten und Einkaufsverhalten, also die Nachfrageseite der Ernährung. Anfangs graduell und zögerlich, beginnend bei eher wohlhabenden und urbanen Bevölkerungsgruppen, aber dennoch nachhaltig.

    Der Konsument besteht zunehmend auf einer „gesunden“ und besser verträglichen Zusammensetzung der Lebensmittel, die Vorliebe für fettige und zuckerreiche Convenience-Produkte hat seinen Höhepunkt überschritten. Pflanzliche bzw. vegane Kost ist nicht mehr exotisch, sondern nimmt einen wachsenden Anteil im Speiseplan von Nicht-Vegetariern ein.

    Auch auf der Angebotsseite hat sich das Innovationstempo in den letzten Jahren massiv beschleunigt. Lebensmittelzusätze für eine bessere Verträglichkeit beispielsweise von Milchprodukten, Ersatz von Fleisch durch Erbsen- oder Sojaproteine oder vertikale Landwirtschaft oder Indoor-Fischzucht sorgen für eine Vielzahl neuer Produkte und Produktionsmethoden. Sogar die Erzeugung von Fleisch in Bioreaktoren (also die Vermehrung von Fleisch-Muskelzellen außerhalb eines Tierkörpers) macht Fortschritte, so dass die Preise rapide sinken. Es wird damit gerechnet, dass unter Einrechnung der Umweltkosten traditioneller Viehzucht in wenigen Jahren dieses „laborgezüchtete Fleisch“ konkurrenzfähig werden kann – und sogar schmackhaft ist.

    Als dritter Wachstumstreiber kommen Regulierung und die Politik ins Spiel. Ein bedeutender Teil der Klimapakets der EU und der USA widmet sich dem nachhaltigen Umbau der Landwirtschaft. Der CO2-Ausstoss der Farmindustrie soll durch effizientere Anbaumethoden gesenkt werden.

    Was bedeutet dies nun für das Anlagethema „Ernährung“? Hier sehen wir uns am Beginn einer neuen Ära. Denn die Disruption in der Lebensmittelindustrie war in den vergangenen 20 Jahren – wenn man es mit der Industrie vergleicht – eher gering. Aber sie nimmt Fahrt auf. Traditionelle Lebensmittelkonzerne passen die Rezepturen ihrer Produkte an die neue Nachfrage an, es gibt Hunderte von Startups für Innovationen in Landwirtschaft und Lebensmittel. Daraus resultiert eine rege Aktivität von Börsengängen, die das investierbare Universum vergrößert.

    Historisch zeigten Food-Strategien eine eher defensive Wertentwicklung an den Börsen. Die neuen Innovatoren bringen jedoch neue Wachstumsfantasie in den Sektor, und dies für viele Jahre. Unser Fazit: Einzelne „Superfoods“ oder Konzeptaktien mögen ein Hype sein, der so rasch verfliegt wie er gekommen ist – die große Transformation in unserem Verständnis von gesunder und nachhaltiger Ernährung wird sich nicht umkehren lassen.



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