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    Im Interview  2794  0 Kommentare Paion: „Der asiatische Markt nimmt Remimazolam gut an“

    Paion hat zuletzt wichtige Fortschritte beim Narkosemittel Remimazolam (Byfavo) erreicht. Der durch die Pandemie entstandene Rückstau bei Operationen könnte den Aachenern beim Aufbau von Marktanteilen für Byfavo helfen.

    Im Exklusivinterview mit unserer Redaktion spricht Paion-CEO Jim Phillips über die zusätzlichen Chancen, die einlizenzierte Medikamente wie Giapreza und Xerava für Paion bedeuten, die weiteren Entwicklungsschritte und den Finanzierungsbedarf, den man aus einem Mix von Eigen- und Fremdkapital decken möchte.

    www.4investors.de: Die Jahre 2020 und 2021 waren für Paion Meilensteine und haben wichtige Produktzulassungen und in diesem Jahr verstärkte Vermarktungsaktivitäten gebracht, unter anderem mit Byfavo in den USA und Giapreza in Deutschland. Welche Erfahrungen hat Paion in den letzten Monaten gemacht, welche Schwierigkeiten galt es in Pandemie-Zeiten zu überwinden?

    Phillips: Starten wir mit unseren Partnern, die außerhalb Europas unser Hauptprodukt Remimazolam (Byfavo) vermarkten: Mit der Marktakzeptanz von Remimazolam in China und Japan, wo das Sedativum/Anästhetikum bereits seit Mitte 2020 vermarktet wird, sind wir sehr zufrieden. In China hat Remimazolam bereits einen Marktanteil von vier Prozent bei Koloskopien, was für die ersten vier Umsatzquartale sehr gut ist. Der asiatische Markt nimmt das Produkt offensichtlich gut an, denn auch die Verkaufszahlen in Japan und Südkorea entwickeln sich. Insgesamt konnten bis Ende Juni 2021 über 5 Millionen Euro an Produktverkäufen durch unsere Partner erzielt werden. Das ist für das erste Jahr im Vertrieb wirklich sehr gut. In den USA wird Remimazolam erst seit Anfang dieses Jahres vermarktet und unser dortiger Partner Acacia macht Fortschritte, trotz der Herausforderungen, die die Arbeit während einer weltweiten Pandemie mit sich bringt. Acacia hatte kürzlich berichtet, dass die Markteinführungen in Bezug auf die Aufnahme von Remimazolam in die Kundenkonten, dem wichtigsten Maßstab für den Erfolg in dieser frühen Phase der Vermarktung, gut verläuft und man auf dem besten Weg ist, das Jahresziel von 150 Kunden bis zum Jahresende zu erreichen. Darüber hinaus hätten auch über 80 Prozent der Kunden eine Nachbestellung getätigt. Wir selbst haben vor kurzem mit der Vermarktung von Remimazolam und den beiden einlizenzierten Produkten für die Intensivmedizin, Angiotensin II (Giapreza) und Eravacyclin (Xerava), in ersten europäischen Märkten begonnen – das war ein wichtiger Meilenstein für uns und kommt zu einer Zeit, in der die Pandemie besser im Griff ist als noch vor einem Jahr. Erste Produktverkäufe sind angelaufen. Wir arbeiten intensiv an der Umsetzung unserer Pläne, die Transformation in ein kommerziell erfolgreiches Specialty-Pharma-Unternehmen fortzusetzen.

    www.4investors.de: Wie wirkt sich die Pandemie heute bei klinischen Studien und der Arbeit im Vertrieb aus?

    Phillips: Die Pandemie ist nicht vorbei, aber wir alle haben uns irgendwie arrangiert in unseren Arbeitsabläufen. Da wir erst kürzlich mit dem eigenen Vertrieb unserer Produkte gestartet haben, konnten wir uns auf die aktuelle Situation gut einstellen. Die Markteinführung von Remimazolam kommt zu einer Zeit, in der COVID-19 zu erheblichem Rückstau bei geplanten Operationen und Routineeingriffen geführt hat. Wir hoffen, dass Remimazolam dazu beitragen kann, den Patientendurchsatz zu verbessern und es somit mehr Menschen zu ermöglichen, einen aufgeschobenen Eingriff zu erhalten. Und auch der Bedarf an unseren anderen Produkten Angiotensin II (Giapreza) und Eravacyclin (Xerava) als potenziell lebensrettende Substanzen ist unabhängig von COVID -19 zweifellos vorhanden. Da alle unsere Produkte zugelassen sind, haben wir glücklicherweise keine wesentlichen Beeinträchtigungen durch die Pandemie auf Studien erlebt. Durch die langsam zurückkehrende Normalität in Kliniken konnten wir vor kurzem die Kinderstudie mit Remimazolam, die wir gemeinsam mit Acacia durchführen, starten. Weitere „post-approval“ Studien sind in Planung.

    www.4investors.de: Im Zuge der COVID-19 Pandemie gab es teils starke Engpässe bei Narkosemitteln wie Propofol, einem der Hauptkonkurrenten von Paions Byfavo (Remimazolam). Konnten Sie davon profitieren?

    Phillips: Während der Hochphase der Lieferengpässe im letzten Jahr sind wir von verschiedenen medizinischen Zentren in Europa angesprochen worden, Remimazolam – noch vor der Zulassung – im Rahmen eines Compassionate-Use-Programms bereit zu stellen. Im Rahmen dieses sogenannten „Härtefallprogramm zur Anwendung eines nicht zugelassenen Arzneimittels“ haben wir uns bereit erklärt, die Substanz kostenlos zur Verfügung zu stellen. Die beteiligten medizinischen Zentren waren an der klinischen Entwicklung von Remimazolam beteiligt und hatten bereits gute Erfahrungen mit der Substanz. Es ist richtig, dass es starke Engpässe von Narkosemitteln gegeben hat. Zu einem gewissen Grad gab es diese auch schon vor der Pandemie. Engpässe und der beschriebene Rückstau bei geplanten Operationen und Routineeingriffen könnten uns im Vertrieb von Remimazolam nunmehr helfen.

    www.4investors.de: Wie sieht die Versorgungslage mit Byfavo und anderen Narkosemitteln derzeit aus? Ist Paion uneingeschränkt lieferfähig?

    Phillips: Viele Pharmaunternehmen hatten Schwierigkeiten mit Lieferketten. Auch bei unserem Lohnhersteller kam es zu Engpässen bzw. zeitlichen Verzögerungen. Aber mittlerweile haben wir ausreichend Vorrat produzieren können, da Remimazolam sehr stabil und daher lange haltbar ist.

    www.4investors.de: Können Sie beziffern, welchen Marktanteil Sie 2021 mit Byfavo erreichen können? Und wo liegen Ihre mittelfristigen Ziele?

    Phillips: Der Produktstart in Europa liegt erst wenige Wochen zurück und auch die Umsatzziele in diesem Jahr sind noch niedrig. Wir wollen jedoch mit jedem Quartal zeigen, dass Remimazolam/Byfavo eine wirkliche Alternative zu den etablierten Substanzen werden kann. Wir sehen eine gute Akzeptanz in den Märkten, in denen unsere Partner Remimazolam vermarkten. Für die europäischen Märkte, in denen wir Byfavo im Eigenvertrieb vermarkten, gehen wir zum Beispiel davon aus, dass Remimazolam das Potenzial für einen jährlichen Spitzenumsatz von ca. 130 Millionen Euro hat. Es dauert aber in der Regel einige Jahre, bis man das Spitzenumsatzpotential erreicht.

    www.4investors.de: Paion hätte sich für den europäischen Markt für Byfavo wie unter anderem in den USA ebenfalls einen Partner an die Seite holen können, geht stattdessen aber nun den Weg des Eigenvertriebs und hat zwei zusätzliche Wirkstoffe einlizenziert. Für Unternehmen und Aktionäre scheint das ein zusätzliches Risiko. Warum dieser Weg?

    Phillips: Wir haben immer das Ziel kommuniziert, dass wir an der gesamten Arzneimittelwertschöpfungskette teilnehmen und als Spezialpharmaunternehmen Remimazolam in ausgewählten Märkten selbst vermarkten möchten. Der Vertriebsaufbau für ein einziges Produkt ist allerdings nicht wirtschaftlich. Wir haben daher durch die Einlizenzierung von Angiotensin II (Giapreza) und Eravacyclin (Xerava), zwei neuen, bereits zugelassenen Produkten, ein attraktives Produktportfolio in der Anästhesie und Intensivmedizin geschaffen und können nun eine effiziente Vertriebsstruktur aufbauen. Dadurch ergeben sich mittel- bis langfristig attraktivere Wachstumspotentiale als sich auf Lizenzeinnahmen auszuruhen. Bei einer Auslizenzierung wäre das Potential zur Wertsteigerung sehr begrenzt gewesen und auf die Dauer des Patentschutzes limitiert.

    www.4investors.de: Wird es im Eigenvertrieb bei den aktuellen drei Wirkstoffen - neben Byfavo noch Giapreza und Xerava - bleiben, oder soll das Produktportfolio durch zusätzliche Einlizenzierungen, Übernahmen etc. weiter wachsen? Wie sehen da Ihre Pläne aus?

    Phillips: Es wäre ein logischer Schritt, die derzeit im Aufbau befindliche Infrastruktur mit weiteren, passenden Produkten zu nutzen. Aber wir konzentrieren uns aktuell voll und ganz auf die Vermarktung unserer drei Produkte und den weiteren Ausbau unserer Vertriebsinfrastruktur. Aber selbstverständlich halten wir die Augen nach interessanten Produkten auf, die wir mittel- bis langfristig integrieren könnten.

    www.4investors.de: Welche Entwicklungsschritte sind bei Remimazolam über das bestehende Programm hinaus noch zu erwarten?

    Phillips: Wir haben kürzlich den Start einer pädiatrischen Studie zusammen mit unserem US-Partner Acacia bekanntgegeben. Die Phase-2/3-Studie zur Bewertung der Wirksamkeit und Sicherheit von Remimazolam bei Kindern und Jugendlichen ist Bestandteil des mit der Europäischen Arzneimittelagentur EMA vereinbarten pädiatrischen Prüfkonzepts für Remimazolam. Gerade bei Kindern und Jugendlichen ist der Bedarf für eine moderate Sedierung bei medizinischen Verfahren und Eingriffen groß, z.B. bei MRT- und CT-Bildgebung, Endoskopien, dem Legen von intravenösen Kanülen, zahnärztlichen Eingriffen oder beim Verbandswechsel bei schmerzhaften Wunden oder Verbrennungen.

    www.4investors.de: Zuletzt hieß es, dass Paion Ende 2023/Anfang 2024 den Breakeven erreichen will. Bleibt es dabei, oder hat sich die Perspektive mit dem wieder verstärkten Pandemiegeschehen verschlechtert?

    Phillips: Nein, dafür haben wir momentan keine Ansatzpunkte. Zusammen mit den Lizenzeinnahmen und den Umsätzen der anderen Produkte ist es unser Ziel, ab Ende 2023/Anfang 2024 die Profitabilität zu erreichen. Remimazolam ist auf einem guten Weg und auch die Erfahrungen in den USA mit Angiotensin II/Giapreza und Eravacyclin/Xerava - den beiden zusätzlichen Produkten, die wir jetzt in Europa auf den Markt bringen - sind sehr positiv. So ist das US-Unternehmen La Jolla zwei Jahre nach dem Launch von Angiotensin II/Giapreza auf Quartalsebene profitabel.

    www.4investors.de: Paions Entwicklung über die letzten Jahre wurde von einem permanenten Finanzierungsbedarf und einigen Kapitalerhöhungen begleitet, was - wie zum Beispiel beim mittlerweile beendeten Yorkville-Deal - immer wieder stark auf den Aktienkurs gedrückt hat. Welche Lehren hat man bei Paion aus der Vergangenheit bei der Strukturierung zukünftiger Finanzierungsschritte gezogen?

    Phillips: Wir stehen nach wie vor zu den getroffenen Entscheidungen, denn diese waren zu den jeweiligen Zeitpunkten notwendig, um die Finanzierung und den erfolgreichen Abschluss unserer Entwicklungsprogramme zu sichern. Medikamentenentwicklung ist kapitalintensiv und birgt Risiken bezüglich Entwicklungszeiten oder Ausfall von Kandidaten. Aber auch der Aufbau eines starken Vertriebs und Marketing benötigt viele Ressourcen. Mit zunehmenden Zahlungszuflüssen aus Produktverkäufen wird auch der Finanzierungsbedarf sinken.

    www.4investors.de: Der Aufbau der Vertriebsstrukturen in Europa verschlingt jetzt wieder Geld und die liquiden Mittel reichen nur noch bis ins erste Halbjahr 2022. Sind also neue große Kapitalerhöhungen zu erwarten, oder wie soll der Kapitalbedarf im mittleren zweistelligen Millionenbereich diesmal gedeckt werden?

    Phillips: Nach derzeitiger Planung besteht in den kommenden Jahren bis zum angestrebten Erreichen der Gewinnschwelle ein Finanzierungsbedarf im mittleren zweistelligen Millionenbereich, der durch verschiedene Finanzierungsmaßnahmen und weitere Partnerschaften aufgebracht werden könnte. Mit dem Reifen der Pipeline stehen uns nun auch andere Finanzierungsinstrumente zur Verfügung. Deshalb ist es unser Ziel bei der weiteren Finanzierung einen Mix aus Eigen- und Fremdkapitalfinanzierung zu schaffen.

    www.4investors.de: Auffällig ist, dass an der Börse die Aktienumsätze bei Paion mit wenigen Ausnahmen niedrig sind und das Interesse begrenzt scheint, trotz der Entwicklungen bei Byfavo. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?

    Phillips: Einige Knackpunkte wurden von Ihnen bereits angesprochen. Wir kommunizieren sehr transparent, dass weiterer Finanzierungsbedarf besteht. Auch wir sind mit dem Aktienkurs nicht zufrieden, denken jedoch, dass wir uns derzeit gut aufstellen, sodass von einem erfolgreichen Vertrieb unserer drei Produkte der Unternehmenswert in der Zukunft profitieren wird. Hier gilt es jetzt zu liefern.

    www.4investors.de: Was die PR-Aktivitäten angeht, hat sich Paion in der letzten Zeit gefühlt eher rar gemacht und auch Sie als neuer CEO der AG hatten noch nicht allzu viele Auftritte. Wollen Sie zukünftig wieder etwas stärker für Paion „trommeln” und zwar nicht nur in Zusammenhang mit eventuellen Finanzierungsmaßnahmen?

    Phillips: Seit meinem Start als CEO im Oktober 2019 habe ich mich sehr stark auf das operative Geschäft konzentriert. Wir haben uns von einem Forschung- und Entwicklungsunternehmen zu einem kommerziellen Business entwickelt und vor allem Strukturen für den Vertrieb, IT und die Lieferketten aufgebaut. In diesem Jahr haben wir viel positiven Newsflow geliefert: 17 Pressemeldungen, davon Lizenzverträge für neue Produkte und Zulassungen sowie Produkteinführungen. Das ist nicht wenig für ein Unternehmen unserer Größe. Wir legen sehr viel Wert darauf unsere Aktionäre sehr zeitnah über unsere wesentlichen Aktivitäten zu informieren. Dafür bekommen wir im Übrigen auch gelegentlich Lob. Demnächst wird es auch wieder einen Newsletter an die Aktionäre geben. Einige Formate wie Konferenzteilnahmen oder unser Aktionärsabend in Aachen waren aufgrund der Pandemie in der letzten Zeit leider nicht realisierbar. Aber wir freuen uns darauf, wenn vor-Ort-Begegnungen wieder möglich sind. In der Zwischenzeit nutzen wir viele verfügbare Kommunikationsformate und arbeiten weiter mit Hochdruck daran, unsere Kommerzialisierungsstrategie erfolgreich umsetzen.

    Dieses Interview ist eine Kooperation von wallstreet-online mit der Redaktion von www.4investors.de.





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