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     1089  0 Kommentare Ist heute die USA oder China die wirtschaftliche Supermacht? 

    Ein Vergleich mit Hilfe von vier „Stärkeindikatoren“

    Der schwellende Handelskonflikt zwischen den beiden Titanen bildet erst den Anfang des Kampfes um die ökonomische Globalherrschaft. Wie stark sind die Chinesen wirklich, wenn sie den USA seit Jahren Paroli bieten? China war bis 1820 die führende Wirtschaftsmacht und holte sich etwa zweihundert Jahre später ihre alte Position zurück. Wiederholt sich die Geschichte?

    Zur Messmethode, wirtschaftliche „Stärkeindikatoren (Machtindikatoren)“

    Wirtschaftliche Macht hat immer zwei Seiten. Sie kann von einem Machtträger feindlich (über Zoll- und Preisdiktate, ungünstige Handelsverträge, finanzielle Knebelung, Embargo) oder friedlich (Markbeherrschung, Wirtschaftshilfe, Wettbewerbsvorteile) eingesetzt werden. Zur wirtschaftlichen Macht gehören demnach nicht günstige Wohlfahrts- und Sozialindikatoren (BIP pro Kopf, Glücksindizes) und (Handelsweltmeister, bestimmte Branchenführerschaften) uns Sentiment-Indizes. 

    Reiche (pro Kopf und absolut) und gerechte Nationen müssen nach dieser Abgrenzung nicht mächtig sein. Auch die militärische Macht (Ex-Sowjetunion, heute Nordkorea) muss mit der ökonomischen nicht einhergehen. Ob politische und religiöse Macht ohne diese beiden Ausprägungen separat existieren kann, bleibt fraglich. Wer mächtig ist kann die Welt mitregieren und anderen Ländern seinen Willen (partiell und temporär) aufzwingen.

    Analysten ist aufgefallen, dass das BIP (1) allein die Frage „Wer regiert (wirtschaftlich) die Welt?“ nicht beantworten kann. Zur Potentialanalyse sind noch das Privatvermöge (2), das Auslandskapital (3) und die global agierenden Großkonzerne in der Realwirtschaft (4) – hier bei Banken und Finanzriesen Überschneidungen mit (2) und (3) - eines Landes hinzuziehen. 
    Werden die „Machtfaktoren“ kombiniert, verstärkt sich ihre Wirkung. Deswegen belegen die Global Player bei allen Faktoren immer vordere Plätze. Ausrutscher gibt es dennoch. Die Schweiz besitzt einige Konzerne von Weltrang (Nestle & Co.), ist also stark beim Kriterium (4). Sie wird aber wegen ihrer Größe niemals zum Global Player aufsteigen. Deutschland wohl auch nicht? Die staatlichen Finanzmultis (Emirate?) fallen beim Kriterium (2) auf. 

    Ob noch mehr ökonomische Kriterien (Leitwährungen? Ratingagenturen?) ein genaueres Bild zu liefern vermögen, darüber streiten Ökonomen. 

    Machtindikator BIP und sein Wachstum (1):     BIP - China führt mit 1:0 

    Das BIP eines Landes ist vergleichbar mit dem Gewinn eines Konzerns. Isoliert gesehen ist es per se noch keine ökonomische Waffe. Es liefert allerdings die Grundlage für den Aufbau aller anderen „Machtfaktoren“ und ist „die Mutter eines jedes volkswirtschaftlichen Erfolges“. Ein reiches wenngleich autarkes Land kann ökonomische Macht gewinnen, wenn es wichtige Auslandsbeteiligungen kauft, wie die Golf-Staaten in der deutschen Wirtschaft. Im Mittelalter waren das reiche Genua und Venedig militärisch mächtig, weil sie Söldner-Armeen anwarben.  

    China hatte 2020 auf der Basis der Kaufkraftparität ein BIP von 23 Bill. USD, die USA von 20 Bill. USD. https://data.worldbank.org/indicator/NY.GDP.MKTP.CD?locations=DE.  Durch den 3% bis 4%igen Wachstumsvorsprung, wird sich der Abstand Chinas von Jahr zu Jahr vergrößern. Für China ist der US-Handel heute wichtig aber nicht mehr überlebensnotwendig wie vor 20 Jahren als es noch Kapital für die Entwicklung brauchte. Chinas Wirtschaftsmacht basiert heute nicht allen auf dem Handelsüberschuss (in 2020 gesamt 535 Mrd. USD) mit dem Westen und primär mit den USA. Ein völliger Abbruch der Handelsbeziehungen hätte einen Wachstumseinbruch von „nur“ einem Drittel zur Folge. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/242539/umfrage/laender- ...

    Machtindikator Vermögen der Privaten (2): Reiche US-Haushalte gleichen auf 1:1 aus

    Der zweite Indikator, das Privatvermögen misst die finanziellen Aktiva (Wertpapiere, Geldvermögen, Beteiligungen) der Inländer (Privatpersonen und Unternehmen) eines Landes, nicht aber deren Schulden. Hier lagen die US-Amerikaner 2020, die dank 160 Jahre Frieden und Kapitalismus große Reichtümer angehäuft hatten, nach einem Crédit Suisse-Report deutlich vorne.  https://www.credit-suisse.com/about-us/en/reports-research/global-weal .... Die US-Amerikaner verfügen über ein Vermögen von 106 Bill., China „lediglich“ über 75 Bill. USD ist aber an zweiter Stelle weltweit. 

    Damit die privaten Finanzaktiva zum „Machtfaktor“ werden, müssen die Bürger dem Staat das Vermögen freiwillig oder als Steuern (unfreiwillig) zur Verfügung stellen, was nur beschränkt gelingen wird. Denn Handelskriege sind genauso teuer, wie „heiße“ Kriege, wo Rüstungen anfallen. Insgesamt ist das Privatvermögen insgesamt ein weicher „Machtindikator“.  Auch bei diesem Machtindikator ist der rasche Sprung der Ostasiaten in die Weltspitze erstaunlich. Geht es in diesem Tempo weiter - das Vermögen des Reiches der Mitte ist seit 2000 um das 14Fache, das der USA nur um das 2fache gestiegen - haben die Chinesen die USA bis 2025 eingeholt.  

    Machindikator Netto-Auslandsvermögen und Währungsreserven (3):   Chinesen führen 2:1 

    Während das Privatvermögen erst aktiviert werden muss, ist das Netto-Auslandsvermögen - definiert als Summe der Bestandteile Direkt- und Portfolioinvestitionen, Krediten und Beteiligungen abzüglich Schulden - schon im Ausland tätig. Der Gläubiger aus dem Ausland hat die „Machposition“ im Inland – am einfachsten über die Kündigung der Kreditverträge - wenn diese vertraglich nicht eingeschränkt ist. 

    Hohes Auslandvermögen wäre theoretisch eine ideale ökonomische Waffe, gäbe es da nicht zwei Hindernisse. Erstens: Es fehlen für Analysen keine regulären Daten (insbesondere für Unternehmen). Zweitens: Praktisch kann selbst hohes Netto-Vermögen bedeutungslos werden, wenn die Staatssouveränität ins Spiel gebracht wird. Es kommt letztendlich auf die ökonomische Stärke des Schuldners an. Im 19.Jahrhundert wurden Zahlungsunwillige oder -unfähige noch mit „Kanonenbooten“ bedroht und die Schulden mit Gewalt eingetrieben. Heute kann China ein armes afrikanisches Land mit der Kreditverweigerung disziplinieren, nicht aber die reichen USA mit der Kündigung der noch laufenden US-Staatsanleihen.  

    Rot-China führt mit 1,8 Bill. USD Netto-Auslandsvermögen die nicht aktualisierte Weltliste an, während die USA, durch ihre steten Handelsbilanzdefizite, mit 8 Bill. USD weltgrößter Schuldner bleiben. https://de.wikipedia.org/wiki/Auslandsverm%C3%B6gen. Wenig spricht dafür, dass sich die Schieflage bald ändert, denn China wird trotz sinkendem Welthandel Exportweltmister bleiben. Exkurs: Die Asiaten setzen ihr riesiges Auslandvermögen clever ein (Stichwort: Aufkauf auch von deutschen Firmen). Die Rating-Agenturen kümmert das alles wenig. Es grenzt an eine Farce, wenn die USA ein besseres Kreditrating als China haben. Die Begründung für diese Diskrepanz ist banal: wer die Rating-Agenturen dominiert, schreibt die Ratings. Eine Konkurrenz hat das Trio Moody, S&P, Fitch nicht.    

    Währungsreserven sind ein – regelmäßig als die Netto-Auslandssalden veröffentlichter - verwandter „Machtindikator“ definiert als die von den Zentralbanken auf der Aktivseite in ausländischer Währung, Edelmetallen, Sonderziehungsrechten und Reservepositionen im Internationalen Währungsfonds (IWF) gehaltenen Mittel zu Devisenmarktinterventionen und zur Finanzierung von staatlichen Außenhandelsdefiziten. Während China mit 3,2 Bill. USD 2019 der Reserven-Weltmeister war, brachten es die USA nur auf knapp 0,4 Mrd. USD https://www.experten.de/2020/10/30/diese-laender-haben-die-hoechsten-r ..., weniger als Russland und Saudi-Arabien.

    Machtindikator Großkonzerne (4):    Die USA haben leicht die Nase vorn; Endstand 2:2  

    Der Status der Weltkonzerne als „Machtfaktor“ ist ebenso selbsterklärend, wenngleich die Riesen ihren Einfluss ebenso nur indirekt ausüben. Schließlich gilt weltweit das Primat der Politik, wie die Corona-Pandemie zeigt. Diese kann in Frage gestellt werden.

    Seit Jahrzehnten werden Missbräuche der US-Konzerne weltweit beklagt, die oftmals von ihrer Regierung unterstützt werden. Unter den ersten 10, der in der Forbes-Liste nach Umsatz, Gewinn und Mitarbeiter gelistete Multis, sind vier US- sind und drei chinesische Namen zu finden. Unternehmen der Welt. Unter den 20 weltgrößten entsprechend acht und China nur drei.  https://de.wikipedia.org/wiki/Fortune_Global_500#2021

    US-Dollar die heimliche, schwer quantifizierbare ökonomische „Superwaffe“? 

    Manche Ökonomen reduzieren die „Machtfrage“ auf die andauernde Dominanz des USD der als Reservewährung („Weltwährung“) seit 15 Jahren zu über 60% bei globalen Handels- und Finanztransaktionen und zur Reservebildung eingesetzt wird.  Die „Dollarherrschaft“ ist kein zwingendes Naturgesetz, wird weltweit aber hingenommen und von China, Russland und großen Schwellenländer massivsten in Frage gestellt. 

    Die BRICS versuchen die Flucht aus den US-Dollar mit Etablierung des digitalen Yuan, dem Wechsel zum Euro und mit Bartel-Geschäften. Leider unterstützt die EU sklavisch die USA und schießt sich damit ein Eigentor, wenn sie ihnen eine Mitkontrolle des S.W.F.T. (europäisches Zahlungsabwicklungssystem für den Euro mit einem Weltanteil 20%) gewährt. https://deutsch.rt.com/wirtschaft/79099-swift-knickt-nach-us-druck/.  

    Exkurs: Über den USD und S.W.I.F.T. waren die USA in der Lage z.B. jede Iran-Transaktion - auch die zwischen Iran und China - zu blockieren. Wenig deutet darauf hin, dass der Yuan bald zur Reservewährung avanciert. Den Clearing-Stellen für den Yuan- oder Rubel fehlt die internationale Akzeptanz. Dem USD wird immer noch mehr vertraut als dem Yuan. Handelskrieg hin, New Development Bank (früher BRICS-Bank) her, an der heute noch wenig beachteten „Währungsfront“ wird es bald weitere Spannungen zwischen den USA und China geben. Es gilt als sicher, dass das mächtige Peking mit den Verbündeten sehr bald den Kampf gegen den USD aufnehmen werden. Das Projekt Neu Seidenstraße lässt grüßen.  

    Welche Auswirkungen hat das Duell für Deutschland und die EU? 

    Wer heute ökonomisch „stärker“ ist, die USA oder China, bleibt demnach eine Definitionsfrage. Deutschland und die EU hätten ohnehin keine Vorteile, wenn die eine oder andere Seite gewinnt. Die verängstigten Europäer beten aus Furcht vor einer Weltrezession nach Corona, dass der Handelsstreit zwischen den beiden Riesen friedlich ausgeht. Mehr fällt ihnen nicht ein. Und die USA? Die müssen sich gegen die durch China & Co. angestrebte „Neuen Weltordnung“ (auch Vorschlag von Henry Kissinger) wehren. Das versucht Washington über die knallharte Beherrschung des globalen Finanzsystems und neue Partnerschaften in Südostasien. 

    Autor: Dr. Viktor Heese - Finanzanalyst und Fachbuchautor; www.finanzer.eu 
     






    Dr. Viktor Heese
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    Dr. Viktor Heese ist promovierter Volkswirt und war bis 2010 dreißig Jahre bei verschiedenen Großbanken im Wertpapierresearch tätig. Heese spezialisierte sich auf Versicherungs- und Bankaktien sowie Kapitalmarktanalyse. 2010-2013 leitete er das Deutsch-Russische-Zentrum- für Wirtschaftsforschung und deutsches MBA in Moskau. Seit 2014 ist er als Fachbuchautor und Publizist freiberuflich tätig und bietet Fachseminare zu Börsen- und Bankthemen an. Er ist Herausgeber des Anleihen-Börsenbriefes „Der Zinsdetektiv“
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    Verfasst von Dr. Viktor Heese
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