Marktkommentar
Marius Daheim (Gothaer): Reagiert Geldpolitik im Euroraum zu spät?
Die Geldpolitik im Euroraum reagiert auf Inflationsgefahr - wieder zu spät?
Januar 2022 - Im Dezember hat sich das Wirtschaftsvertrauen weltweit erneut abgeschwächt. In der europäischen Wirtschaft wird die Stimmung weiter durch Lieferengpässe, Angebotsknappheit und hohe Preisen für Rohstoffe, Vorprodukte und Energie sowie teils durch Personalmangel belastet. Personennahe Dienstleister leiden unter niedrigen Kundenzahlen angesichts der aktuellen Omikron-Infektionswelle. In Deutschland ist die Wirtschaftsleistung im Schlussquartal 2021 leicht geschrumpft. Die wirtschaftliche Schwächephase könnte auch im ersten Quartal fortdauern. Im Frühjahr dürfte die Konjunktur bei abebbenden COVID-Fallzahlen und hohen Auftragsbeständen zwar wieder anziehen, dabei aber zum einen durch die genannten angebotsseitigen Engpässe, zum anderen durch die schwache Nachfrage aus China gebremst werden.
Die wachstumsdämpfende Wirkung der Inflation in den Entwickelten Ländern wird 2022 nachlassen. Im Euroraum und Deutschland sinkt die Gesamtteuerung allein aufgrund von Basiseffekten zu Jahresbeginn deutlich und im weiteren Jahresverlauf graduell weiter. Die niedrigen Teuerungsraten der vor-COVID-Jahre dürften aber mittelfristig nicht mehr erreicht werden. Neben diversen strukturellen Faktoren wird die Teuerung nicht zuletzt durch die steigenden Energiekosten im Kontext der Energiewende getrieben.
In den USA, wo die Inflation im Dezember mit 7,0 % ihren höchsten Stand seit 1982 erreichte und die Stundenlöhne mit einer Jahresrate von 4,7 % stiegen, hat die US Notenbank in den Inflationsbekämpfungsmodus umgeschaltet. Die Marktteilnehmer erwarten für 2022 vier Leitzins-Erhöhungen - die erste bereits im März. Auch die EZB ist in den letzten Wochen ein Stück weit von ihrer Einschätzung der Inflation als „transitorisch“ abgerückt. Angesichts des im Euroraum noch schwachen Lohndrucks spielt sie aber auf Zeit und wird ihre Wertpapierkäufe wohl erst zum Jahresende beenden, um so die Voraussetzung für eine erste Leitzins-Anhebung in 2023 zu schaffen. Angesichts der erheblichen Wirkungsverzögerungen der Geldpolitik riskiert die Notenbank, ein weiteres Mal zu spät zu handeln.
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