Ölriese im Fokus
Shell-Aktie: Unterbewertete Cash-Cow oder Stranded Asset? – Das sagen Analysten
Mehr als 50 Prozent gewann die Shell-Aktie in einem Jahr hinzu. Trotzdem ist Shell laut mehreren Analysten noch günstig bewertet. Lohnt sich jetzt noch ein Einstieg oder droht Shell zu einem Stranded Asset zu mutieren?
Ölmultis sind die unmittelbaren Profiteure der hohen Energiepreise: Sie fördern Öl weiterhin günstig, können es aber teuer verkaufen. Die Aktie des Ölriesen Shell gewann allein seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges mehr als neun Prozent hinzu. Innerhalb eines Jahres verzeichnete das Papier sogar einen Kursanstieg von mehr als 50 Prozent.
Aktienexperte Uwe Lang, besser bekannt als der 'Börsen-Pfarrer', hat die Shell-Aktie "schon vor einem Jahr am 21.1.2021 zu 14,41 Euro zum Kauf empfohlen, als der Ölpreis noch sehr niedrig und die Aktie völlig unterbewertet war." Auch heute sei die Aktie des Ölmultis "noch gut haltenswert und einigermaßen fair bewertet".
Im Gespräch mit wallstreet:online führt der Börsenexperte aus: "Die Aktie notiert mit einem KBV von 1,28 nur wenig über ihrem Buchwert. Das Kurs-Umsatz-Verhältnis liegt mit 0,85 im Vergleich zu Exxon (1,23) immer noch sehr günstig."
Ähnlich sieht dies auch Peter-Thilo Hasler, Gründer und Analyst von Sphene Capital: "Rein vom Bewertungsstandpunkt aus betrachtet ist die Shell-Aktie günstig. Das KGV für 2022 liegt bei 6,0. Hinzu kommt eine auskömmliche Dividendenrendite von etwa 3,5 Prozent."
Es gebe aber auch Unsicherheiten bei dem Ölmulti, gibt Hasler zu bedenken. Zu ihnen zähle "Putins Forderung, dass Shell die russischen Gaslieferungen in Rubel und über die Gazprom Bank bezahlen muss, die in Großbritannien auf dem Sanktionsindex steht". Trotzdem dürften insgesamt "die positiven Aussichten überwiegen."
Tatsächlich rät derzeit die Mehrheit der großen Banken und Analysehäuser zum Kauf der Shell-Aktie. Barclays, Jefferies, RBC, JPMorgan, Deutsche Bank, Morgan Stanley, UBS, Goldman Sachs und die Berenberg Bank haben eine Kaufempfehlung für Shell ausgesprochen.
Doch es gibt auch kritische Stimmen, die Shell weiterhin einen zu starken Fokus auf fossile Energien vorwerfen. Im Mai 2021 zwang ein niederländisches Gericht den Ölriesen sogar seine Klimaziele deutlich zu verschärfen.
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"Shell spielt das Risiko gestrandeter Öl- und Gasreserven herunter", titelte Reuters vor einem Jahr. Mit dem Pariser Klimaabkommen habe sich die Weltgemeinschaft auf verbindliche Klimaschutzmaßnahmen geeinigt. Damit gehe einher, dass weniger fossile Energieträger gefördert werden. Viele fossile Reserven von Ölkonzernen könnten daher zu sogenannten Stranded Assets ('gestrandeten Vermögenswerten') werden. Der Marktwert dieser Stranded Assets könnte erheblich sinken bis hin zur vollständigen Wertlosigkeit.
Immerhin will Shell vom Öl wegkommen: Bis zum Ende des Jahrzehnts will man seine Ölproduktion jährlich um zwei Prozent senken. Bis 2050 will der Konzern komplett klimaneutral werden. Außerdem
investiert Shell in erneuerbare Energien, grünen Wasserstoff und ist mit Shell-Recharge einer der führenden Elektro-Mobilitätsservice-Anbieter in Europa.
Der US-Nachtichtensender CNBC berichtet heute, dass Shell nach dem Rückzug aus Russland bis zu fünf Milliarden US-Dollar abschreiben muss.
Autor: Ferdinand Hammer, wallstreet:online Zentralredaktion