Solidvest im Interview
Rezession und Aktienmarkt: Was Anleger wissen müssen
Angesichts der nervösen Finanzmarkt-Lage versuchen Unternehmen, die Erwartungen zu dämpfen. Wie können Anleger jetzt am besten investieren? Fragen an Sebastian Hasenack, Leiter der Online-Vermögensverwaltung Solidvest.
wallstreet:online: Viele Unternehmen haben zuletzt starke Zahlen vorgelegt, doch der Ausblick auf die kommenden Monate sieht trotzdem ziemlich trüb aus. Viele Experten
überbieten sich mit Prognosen, ob und wann die Wirtschaft in eine Rezession rutschen wird. Wie kritisch wird die Lage aus ihrer Sicht werden?
Sebastian Hasenack: Die aktuelle Berichtsaison fällt bisher erwartungsgemäß ernüchternd aus. Dabei ist es egal ob Ad-Netzwerke, Banken, große Handelsketten oder globale
Konsum-Konzerne. Nur wenige Ausnahmen konnten in den vergangenen Wochen stabile Zahlen vorweisen. Insgesamt ist, verständlicherweise, eine gewisse Vorsichtshaltung zu spüren. So bauen auch größere,
stabilere Unternehmen, aktuell teilweise Personal ab, um Kosten einzusparen und sich für eine Schwächephase vorzubereiten. Einige der globalen Tech-Riesen haben Einstellungsstopps verhängt. Wie
kritisch die Lage genau wird, lässt
sich kaum prognostizieren. Letztlich ist der Faktor Notenbank und Geldpolitik immer noch entscheidend für die weitere Entwicklung. Und deren Verhalten hängt einerseits vom Inflationsgeschehen,
andererseits von der innenpolitischen Lage in den USA ab.
wallstreet:online: Anleger wägen derzeit ab, wie sie ihre Portfolios am besten für diese unsichere Zeit wappnen. Raten Sie aktuell eher noch zur Zurückhaltung an den Aktienmärkten oder glauben Sie, dass ein Boden schon erreicht ist?
Sebastian Hasenack: Das ist die große Frage: Kaufgelegenheit á la Warren Buffett oder doch fallende Messer? Das Problem ist, wie so oft, dass pauschale Antworten nicht weiterhelfen. Man kann davon ausgehen, dass auf der Aktienseite schon vieles eingepreist ist. Trotzdem wäre eine Rezession mit massivem Konsumeinbruch, in die Höhe schnellender Arbeitslosigkeit und den sonstigen Begleiterscheinungen ein zusätzlicher Dämpfer, der die Märkte nochmal einige Prozente kosten könnte. Schlussendlich ist es wichtig, sich immer die einzelnen Unternehmen genau anzusehen, in die ich investiere. Natürlich spielt in der Abwägung auch das Marktumfeld eine Rolle, aber eben nur eine untergeordnete.
wallstreet:online: Wie hilfreich ist in einer solchen Situation der Blick in die Vergangenheit? Inwieweit sind die aktuellen Probleme vergleichbar mit der Finanzkrise, dem
Dot-Com-Crash oder früheren Rezessionen?
Sebastian Hasenack: Der Blick in die Vergangenheit zeigt uns, dass eine Rezession nicht das Ende der Welt, sondern lediglich eine Phase ist, an deren Ende es auch wieder
aufwärts geht. Das gilt auch für den damit zusammenhängenden Bärenmarkt. Wir hatten in den 90er Jahren eine Rezession, in der ebenfalls Krieg, eine von Energiepreisen getriebene Inflation und die
Fed eine wichtige Rolle gespielt haben.
Damals haben einige Mechanismen gewirkt, die wir auch heute beobachten können.
Die Subprime Krise ab 2007 und den Dot-Com-Crash würde ich anders einordnen. Wir haben zwar auch bei den Tech-Aktien dieses Jahr einen teilweise heftigen Absturz erlebt, aber eher bei den Werten
aus der zweiten und dritten Reihe, die während Corona enorme Kursgewinne verzeichnen konnten. Insgesamt ist der Tech-Bereich heute wesentlich solider, kann gesunde Geschäftsmodelle vorweisen und
ist durch die fortschreitende Digitalisierung perspektivisch weiterhin relevant.
wallstreet:online: Trotz aller Krisen haben sich Aktien in den letzten Jahrzehnten als unschlagbares Investment erwiesen. Oftmals entstehen in Rezessionen sogar die besten
Gelegenheiten für gezieltes Stock-Picking. Wie suchen und finden Sie als professionelle Investoren diese Aktien-Chancen?
Sebastian Hasenack: Wir haben den großen Vorteil, dass wir auf die Expertise unserer Kollegen aus dem DJE Research-Team zurückgreifen können. Die beobachten einerseits
tagtäglich das globale, wirtschaftliche Gesamtgeschehen basierend auf einer Datenbank von über 2.000 verschiedenen Indikatoren.
Andererseits beobachtet jeder Analyst einen Sektor und die dazugehörigen Unternehmen. Basierend auf den fundamentalen Kennzahlen und jährlich hunderten von Gesprächen mit den
Unternehmensentscheidern, wählen die Kollegen vielversprechende Aktien für unsere Portfolios aus. Ob Krise oder nicht, unser Vorgehen bleibt weitestgehend identisch. Insbesondere jetzt setzen wir
aber auf Aktien, die eine gewisse Resistenz gegenüber schwächeren Konjunkturphasen haben. Das sind beispielsweise Unternehmen, die über eine ausgeprägte Preissetzungsmacht verfügen.
wallstreet:online: Wie stellt sich Solidvest für die kommenden sechs bzw. zwölf Monate auf?
Sebastian Hasenack: Grundsätzlich bleiben wir vorsichtig und haben schon länger unsere Investitionsquote etwas reduziert. Wie bereits geschildert ist der weitere Verlauf an
den Aktienmärkten nur schwierig vorherzusehen. Insofern fahren wir aktuell ein Stück weit auf Sicht. Mit der erhöhten Kasseposition werden wir versuchen möglichst günstig Titel, die wir bereits im
Portfolio haben, nachzukaufen oder übermäßig abgestrafte Unternehmen aufzusammeln. In mehreren Sektoren dürfte der Boden fast erreicht sein.
wallstreet:online: Vielen Dank für das Gespräch
Sie möchten mehr zu Solidvest erfahren? Dann haben wir hier noch einige spannende Links für Sie.
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