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     3775  0 Kommentare Der wahrscheinliche Crash

    Am Dienstag fand sich in der Financial Times Deutschland ein Artikel des Kolumnisten Lucas Zeise mit dem Titel „Der wahrscheinliche Crash“. Zeise behauptet hier, dass es demnächst wahrscheinlich einen Crash an den Märkten geben wird. Seine Argumentation lautet:

    „Wenn sich zu viel Geld im Umlauf befindet, gibt es grundsätzlich zwei Lösungen, wie es neutralisiert wird. Das eine ist die Inflation der Güterpreise ... Die andere Möglichkeit ist die Deflation der Asset-Preise. Das in Wertpapieren und Immobilien gebundene Geld würde einfach dahinschmelzen oder entwertet. Ein solcher Crash scheint heute die viel wahrscheinlichere Variante zu sein.“

    Machen wir einen kurzen Grundkurs. Geld kommt dadurch in Umlauf, indem Zentralbanken Aktiva dauerhaft ankaufen oder auf Zeit in Pension nehmen – und dafür Geld emittieren. Spiegelbildlich kann daher, wenn „zu viel Geld in Umlauf“ ist, dieses Geld auch nur dadurch wieder aus dem Kreislauf hinaus gelangen, indem die Zentralbank das genaue Gegenteil des eben Beschrieben macht. Das Geld verschwindet aus dem Umlauf, wenn die Zentralbank Assets verkauft oder die Pensionsgeschäft zurückführt. So einfach kann das manchmal sein.

    Doch wie kommt Zeise nun auf seine abweichende Sichtweise, die dadurch noch umso bizarrer ist, indem er behauptet, dass das „zu viele Geld“, was immer das sein mag, sowohl durch Inflation (der Güterpreise) als auch durch Deflation (der Assetpreise) beseitigt werden kann. Eines von beidem geht ja wohl nur. Zeise kommt darauf, weil er verwechselt, dass Assets in Geld bewertet werden, selbst jedoch kein Geld sind. Ich weiß, dass das schwer zu begreifen ist, schließlich habe ich lange genug an der Uni unterrichtet. Vermögensdeflationen schaffen kein Geld aus der Welt – und Vermögensinflationen bringen kein Geld in die Welt. Sie sind Änderungen der Vermögenspreise und haben mit dem Geldumlauf nichts zu tun. Und für die Bewertung von Vermögen gibt es tausend verschiedene Parameter – von den das Verhalten der Zentralbank nur einer von vielen ist. Geld selbst kommt nur durch Mitwirkung der Zentralbank in Umlauf und auch aus diesem wieder heraus. Keinesfalls jedoch durch die Veränderung der Vermögenspreise.

    Den von Zeise geschilderten „wahrscheinlichen Crash“ gibt es also nicht. Er ist ein Hirngespinst, das aus grober Unkenntnis der Funktionsweise einer Geldwirtschaft resultiert. Gleichrangig könnte man auch behaupten, mit der Zufuhr von Vitamin C eine Börsenhausse auszulösen.

    berndniquet@t-online.de

    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

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    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Der wahrscheinliche Crash Am Dienstag fand sich in der Financial Times Deutschland ein Artikel des Kolumnisten Lucas Zeise mit dem Titel „Der wahrscheinliche Crash“. Zeise behauptet hier, dass es demnächst wahrscheinlich einen Crash an den Märkten geben wird. Seine …