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    Die haltlosen Versprechen von Olaf Scholz und die Wirklichkeit

    Olaf Scholz bleibt ausdrücklich bei seinem Versprechen auf ein Wirtschaftswunder mit Wachstumsraten wie in den 50er- und 60er-Jahren. Ein größeres Maß an Realitätsverleugnung ist nicht möglich.

    Für Sie zusammengefasst
    • Scholz bleibt bei Versprechen auf Wirtschaftswunder mit 8% Wachstum wie in den 50er- und 60er-Jahren.
    • Deutschland ist der kranke Mann Europas mit nur 0,2% Wachstum und hoher Firmenpleitenrate.
    • Energiewende und Bürokratie verschärfen wirtschaftliche Probleme, Schwarzarbeit steigt.

    Bundeskanzler Olaf Scholz versprach in einem Interview im März 2023 Wachstum wie zu Zeiten des „Wirtschaftswunders“. „Wegen der hohen Investitionen in den Klimaschutz wird Deutschland für einige Zeit Wachstumsraten erzielen können, wie zuletzt in den 1950er- und 1960er-Jahren geschehen“, sagte Scholz damals. In den 1950er-Jahren und noch Anfang der 1960er-Jahre lagen die jährlichen Wachstumsraten bei Vollbeschäftigung bei um die acht Prozent.

    Bei einer Kanzlerbefragung im Bundestag am 3. Juli 2024 setzte hier CDU-Abgeordnete Dr. Mathias Middelberg an. Er wollte von Scholz wissen, wann nun mit Wachstumsraten von bis zu acht Prozent zu rechnen sei. Scholz entgegnete zunächst, später sei ja nun einmal der Ukraine-Krieg gekommen, der vieles verändert habe, worauf Middelberg erwiderte, dies könne nicht überzeugen, da dieser Krieg schon mehr als ein Jahr im Gang war, als Scholz sein Interview mit dem Versprechen des Wirtschaftswachstums wie in den 50er- und 60er-Jahren gab. Scholz unterstrich daraufhin, dass er ausdrücklich bei seiner Aussage aus dem Interview vom März 2023 bleibe. Ein größeres Maß an Wirklichkeitsverleugnung ist nicht denkbar. Denn was ist die Realität?

    Deutschland ist wieder der kranke Mann Europas. Die OECD erwartet ein globales Wachstum von 3,1 Prozent in diesem Jahr, in Deutschland werden es nur etwa 0,2 Prozent sein, weniger als in jedem anderen OECD-Land. Die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland ist so hoch wie seit zehn Jahren nicht.

    Ende der 90er Jahre war Deutschland schon einmal der kranke Mann Europas. Doch dann führte Gerhard Schröder marktwirtschaftliche Reformen durch, liberalisierte den Arbeitsmarkt und senkte die Steuern von 53 auf 42 Prozent. Das war die Basis für eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte Deutschlands. Angela Merkel profitierte von den Reformen ihres Vorgängers.

    In der Ära von Merkel wurden jedoch keine Reformen durchgeführt, manches wurde sogar zurückgenommen. Stattdessen wurde unter der Parole des Kampfes gegen den Klimawandel die deutsche Energiewirtschaft Stück für Stück in eine Planwirtschaft verwandelt. Deutschland hat inzwischen alle Kernkraftwerke abgestellt und Fracking verboten, stattdessen importieren wir mit Fracking gewonnenes LNG-Gas aus den USA und Atomstrom oder mit Kohle produzierten Strom aus unseren Nachbarländern. (Weiter auf Seite 2)

    Zudem hatte die Regierung Merkel – entgegen den Warnungen aus den USA und von Ländern wie Polen – Deutschland abhängig von russischem Gas gemacht.

    Die Preise für Elektrizität in Deutschland sind explodiert, und dies nicht erst seit Putins Krieg gegen die Ukraine, der die Situation nur noch schlimmer machte. Schon vor Beginn des Krieges gehörten die Strompreise in Deutschland zu den höchsten der Welt.

    Eine wichtige Ursache für viele Probleme ist die Energiewende, die Deutschland bis zum Jahr 2035 1300 Milliarden Euro kosten soll. Was Merkel begonnen hatte, wird nun von Robert Habeck beschleunigt fortgesetzt. Ein Ergebnis der Energiewende ist es, dass es besonders für Firmen, die auf Elektrizität stark angewiesen ist, zu teuer geworden ist, in Deutschland zu produzieren. BASF, das größte Chemieunternehmen der Welt, produziert jetzt lieber in China. Begründung von BASF: Dort sind die Stromkosten niedriger und es gibt weniger Bürokratie als in Deutschland.

    Der wirtschaftliche Niedergang könnte sich beschleunigen, weil die EU ab 2035 die Zulassung von Autos mit Verbrennermotoren verbietet. Es ist wohl einmalig in der Geschichte, dass ein Land freiwillig sein erfolgreichstes Produkt verbietet. Die Chinesen, die E-Autos billiger produzieren können, aber weiterhin auch Verbrennermotoren produzieren, freuen sich darüber.

    Deutschland hat darüber hinaus demografische Probleme, die vor allem zu einem massiven Fachkräftemangel führen. Überall fehlen qualifizierte Arbeitskräfte, aber es wird für Unternehmen zunehmend schwierig, Menschen für einfache Arbeiten zu finden. Es gibt eine starke Zuwanderung, aber die lindert die demografischen Probleme nicht. Grund ist der Wohlfahrtsstaat, der immer weiter ausgebaut wird.

    Das „Bürgergeld“ wirkt faktisch wie ein bedingungsloses Grundeinkommen wirkt. Da der Staat auch die Miete übernimmt sowie andere Leistungen, können sich die Transferleistungen für eine Familie mit zwei Kindern in einer Stadt wie München, wo die Mieten besonders hoch sind, auf bis zu 3400 Euro im Monat summieren.

    Die Schwarzarbeit in Deutschland nimmt massiv zu, denn die Kombination von Bürgergeld plus ein paar Stunden Schwarzarbeit führt häufig dazu, dass man mehr in der Tasche hat als mit 40 Stunden harter Arbeit. Laut Prognosen steigt der Wert der durch Schwarzarbeit illegal erwirtschafteten Leistungen in Deutschland in diesem Jahr um 38 Milliarden auf insgesamt 481 Milliarden Euro. Kein Wunder in einem Land, das fast die höchste Abgabenquote der Welt hat. (Weiter auf Seite 3)

    Das Paradoxe: In Deutschland gibt es 2,7 Millionen Arbeitslose, aber Betriebe suchen Hände ringend Arbeiter und Angestellte. Viele Restaurants beispielsweise finden keine Menschen mehr, die bereit sind, dort zu arbeiten. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Restaurants, die Insolvenz anmelden mussten, um 27 Prozent.

    Bürgergeld ist für viele Menschen attraktiver als im Niedriglohnbereich zu arbeiten.

    Das gilt natürlich auch für Zuwanderer. In den vergangenen Jahren sind viele Millionen Zuwanderer nach Deutschland gekommen, nur die USA (die jedoch vier Mal mehr Einwohner haben als Deutschland) gibt es noch mehr Migranten als in Deutschland. Überwiegend sind das Personen mit geringer Qualifikation, Fachkräfte sind nur wenige darunter. 82 Prozent der in Deutschland lebenden Syrer, die größte Bevölkerungsgruppe unter den Asylbewerbern, hat nicht einmal eine Berufsausbildung. Von den Beziehern des Bürgergeldes sind 63 Prozent Migranten, in manchen Bundesländern wie etwa Hessen, sind es sogar 76 Prozent.

    Andererseits verlassen immer mehr qualifizierte Personen Deutschland. Mit einer Auswanderungsrate von 5,1 Prozent liegt Deutschland auf Platz drei im internationalen Vergleich. Die meisten Auswanderer – etwa drei Viertel! - haben einen Hochschulabschluss.

    Das Hochsteuerland Deutschland ist für qualifizierte Zuwanderer nicht besonders attraktiv, aber für unqualifizierte Zuwanderer, die die Vorteile unseres Wohlfahrtsstaates schätzen, umso attraktiver. Will man die Fehlentwicklungen verstehen, muss man nur die komplett falschen Anreizstrukturen analysieren. So kritikwürdig die gegenwärtige Regierung ist, so muss man sagen: Es hat schon viel früher begonnen und einen Großteil der Probleme, von der Zuwanderung bis zur Energiepolitik, haben wir Angela Merkel zu verdanken.

    Zu all den beschriebenen Problemen kommt bekanntlich die Bürokratie. Genehmigungen dauern Jahre, manchmal mehr als ein Jahrzehnt. Einen Bebauungsplan aufzustellen, dauert in Berlin länger als neun Jahre. Die Ampel hat versprochen, Bürokratie abzubauen, aber durch das Lieferkettengesetz wird sie erst einmal noch schlimmer. Vieles, was von Übel ist, kommt aus Brüssel.

    Gibt es Hoffnung? Ich fürchte: Egal, wie die nächsten Wahlen ausgehen, es ist unwahrscheinlich, dass die dringend notwenigen Reformen durchgeführt werden. Deutschland bräuchte eine Maggi Thatcher – aber diese ist weder in Sicht noch würde sie gewählt werden.

    Rainer Zitelmann ist Autor der Bücher „Die 10 Irrtümer der Antikapitalisten“ und (neu) „Weltreise eines Kapitalisten“  

     


    Rainer Zitelmann
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    Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker, Politikwissenschaftler und Soziologe - und zugleich ein erfolgreicher Investor. Er hat zahlreiche Bücher auch zu den Themen Wirtschaft und Finanzen* geschrieben und herausgegeben, viele davon sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. * Werbelink
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    Verfasst von Rainer Zitelmann
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    Die haltlosen Versprechen von Olaf Scholz und die Wirklichkeit Olaf Scholz bleibt ausdrücklich bei seinem Versprechen auf ein Wirtschaftswunder mit Wachstumsraten wie in den 50er- und 60er-Jahren. Ein größeres Maß an Realitätsverleugnung ist nicht möglich.