Rechtfertigung der Raumfahrt
Laut einer vom PEW Research Center durchgeführten Umfrage unterstützt die Mehrheit der Amerikaner die Raumfahrt.
- Mehrheit der Amerikaner unterstützt Raumfahrtaktivitäten.
- Kritik an privater Raumfahrt und Marsbesiedlung wächst.
- Weltraumforschung fördert Verständnis für unseren Planeten.
Sieben von zehn Amerikanern halten es für wichtig, dass die USA weiterhin eine weltweit führende Rolle in der Raumfahrt, während 30 Prozent dagegen sind. Aber die Raumfahrt hatte stets auch viele Gegner, besonders unter Intellektuellen.
Vor allem die private Raumfahrt und das Ziel, möglicherweise andere Planeten zu besiedeln, haben jüngst verstärkt zu Widerspruch geführt. In ihrem Buch Astrotopia: The Dangerous Religion of the Corporate Space Race, warnt die amerikanische Wissenschaftlerin Mary-Jane Rubenstein eindringlich vor der privaten Raumfahrt und vertritt ernsthaft die These, Pläne von Elon Musk zur Besiedlung des Mars verletzten die legitimen Rechte von Mikroben (falls es diese auf dem Mars geben sollte) oder zumindest der Felsen, die ihre eigenen Rechte hätten.
Das ist sicher eine extreme Meinung, aber Skepsis unter Gebildeten war immer schon ausgeprägt. In einer Umfrage, die die Zeitschrift Science 1964 durchführte, unterstützten nur 16 Prozent der befragten Wissenschaftler das Ziel von Präsident Kennedy, zum Mond zu fliegen, während überwältigende 64 Prozent dagegen waren Gonzalo Munévar, Professor Emertius von der Lawrence Technological University, hat jetzt eine umfassende “Philosophy of Space Exploration” unter dem Titel “The Dimming of Starlight” vorgelegt (Oxford University Press). Er unterscheidet in seinem Buch zwischen „ideologischer“ und „sozialer“ Kritik der Raumfahrt. Intellektuelle, die der Überzeugung sind, Technik, Wachstum und Kapitalismus hätten auf der Erde vor allem viel Unheil angerichtet, sehen in der Raumfahrt eine Fortsetzung eines Weges, den sie sowieso falsch finden.
Das zweite Argument lautet, die Milliardenbeträge, die für die Weltraumfahrt ausgegeben werden, sollten besser für die Bekämpfung von Hunger, Armut, Klimawandel und anderen dringenden Problemen verwendet werden.
Das zweite Argument ist einfach zu widerlegen, denn es impliziert ja, man müsse nur genug Geld für Entwicklungshilfe ausgeben, um Hunger und Armut zu beseitigen. 60 Jahre Entwicklungshilfe für Afrika zeigen, dass das nicht stimmt und diese nichts nutzt und oft sogar sehr schädlich ist. Ich zeige das ausführlich in meinem Buch „Der Aufstieg des Drachen und des Weißen Adlers. Wie Nationen der Armut entkommen“ gezeigt habe. Was hilft gegen Armut ist nur mehr wirtschaftliche Freiheit. (Weiter auf Seite 2)
Munévar führt jedoch ein anderes Argument an, das den Nutzen der Weltraumforschung belegt: Erst die Kenntnis anderer Planeten helfe uns, unseren eigenen zu verstehen (so wie man ein Land nicht verstehen kann, ohne es mit anderen zu vergleichen). "Wir können die globalen Bedingungen auf unserem Planeten nicht nach Belieben verändern. Aber wir können uns andere Welten anschauen, in denen diese Variationen natürlich vorkommen, und sehen, wie andere Faktoren mit ihnen korrelieren."
Ein Beispiel für den praktischen Nutzen of vergleichende Planetologie: Als NASA-Wissenschaftler Fluor- und Chlorverbindungen in der Venusatmosphäre fanden, untersuchten sie die Chemie dieser Moleküle und bestimmten die Geschwindigkeitskonstanten ihrer chemischen Reaktionen. Diese Geschwindigkeitskonstanten wurden später von Sherwood Roland und Mario Molina verwendet, um herauszufinden, dass Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) in Gegenwart starker ultravioletter Strahlung die Ozonschicht zerstört.
Das ist nur ein Beispiel für seine These, dass ein Verständnis anderer Welten das Verständnis unseres eigenen Planeten voranbringe. Nur die Weltraumforschung erlaube es uns, zu verstehen, wie sich das Sonnensystem und die Erde entwickelten und eröffne „Gelegenheiten, unsere Ideen über die Erde zu testen - das Sonnensystem dient als natürliches Labor“.
Forschung sei nie planbar, sondern führe oft zu überraschenden Ergebnissen und Anwendungen, die niemand erwarte. Ein Beispiel dafür sind die Astrophysiker Anil Pradhan und Sultana Nahar von der Ohio State University, die die Zusammensetzung von Sternen durch Analyse des Strahlungsstromes untersuchten. Diese Forschungen führten direkt zu revolutionären Erkenntnissen für die Krebsbehandlung.
Ohne Wettersatelliten wüssten wir kaum etwas über das Wetter und Klimaveränderungen und wären zudem viel schlechter in der Lage, die Ursachen, aber insbesondere auch die Folgen des Klimawandels zu verstehen. Auch die Erforschung der Venus hat geholfen, die Wirkung des Treibhauseffektes zu verstehen.
Viele Argumente in dem Buch sind überzeugend. Wer freilich der Meinung ist, Technik, Wissenschaft und Kapitalismus hätten uns auf einen falschen Weg geführt, werden diese Argumente nicht überzeugen. Dagegen muss man einwenden, dass dieser Weg sehr erfolgreich war, um Hunger und Armut zu bekämpfen. Noch vor 200 Jahren lebten 90 Prozent der Menschen auf der Welt in extremer Armut, heute sind es weniger als neun Prozent – dank Technik, Wissenschaft, Kapitalismus.
Ein zentrales Verdienst des Buches ist es, an zahllosen Beispielen zu zeigen, wie die Weltraumforschung die Wissenschaft vorangebracht hat, manchmal auch auf Gebieten, wo es niemand erwartet hätte, auch die Forscher selbst nicht. Das nahe liegende Gegenargument, man hätte viel Geld sparen können, wenn man direkt auf die Entdeckungen zugesteuert wäre, die sich als Nebeneffekt der Weltraumforschung ergäben, widerlegt der Wissenschaftsphilosoph Munévar überzeugend: Die ganze Geschichte der Wissenschaft zeige, dass sich die wichtigsten Erkenntnisse nicht als erwartete Befunde aus planmäßiger Forschung eingestellt hätten, sondern spontan, nicht intendiert und nicht geplant.
Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Autor der Bücher "Die 10 Irrtümer der Antikapitalisten: Zur Kritik der Kapitalismuskritik" und "Weltreise eines Kapitalisten: Auf der Suche nach den Ursachen von Armut und Reichtum".