Index-Dschungel
Kennen Sie das: Sie kommen aus der Bank und freuen sich, Ihr Geld soeben in einen überdurchschnittlich erfolgreichen Fonds angelegt zu haben. Zumindest glauben Sie das. Schließlich hat der freundliche Anlageberater Ihnen eine Chartgrafik gezeigt, auf der zwei Wertentwicklungs-Linien abgebildet waren: Die untere der Vergleichs-Index, die obere der empfohlene Fonds der Bank, der sich klar besser entwickelt hat. Der Haken daran: Erstens sagt die Wertentwicklung der Vergangenheit bekanntlich wenig über die Zukunft, sondern führt geradezu in pro-zyklisches und damit verlustreiches Handeln. Und zweitens, noch viel wichtiger: Die Finanzbranche weiß sehr genau, dass derartige Index-Vergleiche ihren Kunden ein gutes Gefühl vermitteln. Oft sind sie sogar das ausschlaggebende Kauf-Argument. Entsprechend kreativ war die Finanzindustrie in den letzten Jahren, sich einen wahren Index-Dschungel heranzuzüchten. Schließlich gibt es zwei Möglichkeiten, im Index-Vergleich gut dazustehen und so erfolgreich für sich zu werben: Entweder der hauseigene Fonds weist wirklich eine überdurchschnittliche Wertentwicklung auf – was in der Realität selten vorkommt und wenn, dann nur temporär. Oder man vergleicht sich einfach mit einem besonders schlecht gelaufenen Index, um glänzen zu können. Die Index-Anzahl und damit die Chance, eine solche Index-Niete für den eigenen Vergleich zu finden, ist in den letzten Jahren explodiert: Gab es vor einigen Jahrzehnten weltweit gerade mal eine dreistellige Zahl an Börsen-Indizes, sind es heute laut Rick Redding, Chef der Lobbygruppe Index Industrie Association, rund 3,5 Millionen Indizes. Rund zwei Millionen davon sind Aktienindizes. Und das bei einer Anzahl von weltweit geschätzt nur rund 45.000 börsennotierten Aktiengesellschaften. Zu Deutsch: Die Anzahl der Schubladen, in die die Finanzindustrie Aktien einsortiert, übersteigt die Anzahl selbiger Aktien mittlerweile um den Faktor 40 und mehr. Um einen Fonds für deutsche Aktien zu vergleichen, gibt es Index-seitig somit neben dem bekannten Dax noch MDax, SDax, Tech-Dax, DivDax, HDax, CDax, KDax usw., um nur einige zu nennen. Die Wertentwicklung der US-Börse hingegen lässt sich neben dem altbekannten Dow-Jones-Index auch messen am S&P 500, Nasdaq Comp., Nasdaq 100, S&P 100, NYSE US 100, NYSE Comp. sowie Russell 2000 - womit nicht einmal 1% aller US-Börsen-Indizes erwähnt wären. Und selbst, wenn man als global gestreuter Aktienanleger vornehmlich den MSCI-World Index im Blick hat, gibt es diesen in rund 150 Ausprägungen, zu erkennen an Zusätzen wie: AC, TR, NR, IMI, Large-Cap, Mid-Cap, Small-Cap, Growth, Value, Equal Weight usw. Für alle vorgenannten Indizes, von Deutschland über die USA bis zum MSCI-Weltindex, gibt es dann in der Regel noch eine Variante als Kurs- und eine als Performance-Index sowie oft auch Varianten in verschiedenen Währungen. Sich als Anleger in diesem Index-Dschungel zurecht zu finden, ohne sich von der Finanzindustrie auf eine falsche Fährte locken zu lassen, ist nahezu unmöglich. Sehen Sie den Index-Dschungel darum als das, was er ist: Eine ähnlich, wie die klassischen Performance-Ranglisten nur bedingt nützliche, oft sogar irreführende Marketingmaßnahme der Finanzindustrie. Anstatt sich von Ranglisten oder Index-Vergleichs-Charts zum meist pro-zyklischen Kauf eines Finanzproduktes bewegen zu lassen, folgen Sie besser den drei goldenen Regeln beim Investieren: Breite Streuung, langfristiger Anlagehorizont (bei sich selbst sowie bei Ihren Fonds) und dem Tipp von Super-Investor Warren Buffett „Investiere nur in Dinge, die Du verstehst“