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    Einsturz muss alarmieren / ein Kommentar von Wolfgang Mulke zur Dresdner Carolabrücke

    Berlin (ots) - Dresden ist knapp einer Katastrophe entgangen. Das war die gute
    Nachricht in dieser Woche. Die schlechte ist, dass vermutlich auch andere
    Brückenbauwerke einsturzgefährdet sind, auch wenn es nicht auf den ersten Blick
    erkennbar ist. Hastige Verkehrseinschränkungen bei anderen Querungen wie an der
    Elbe weisen auf eine gewisse Nervosität der verantwortlichen Behörden hin.
    Spekulationen über die tatsächliche Ursache des Zusammenbruchs großer Teile der
    Carolabrücke helfen nicht weiter. Fachleute werden sie ergründen. Wohl aber
    lassen sich Schlüsse aus dem Unglück ziehen. Eine Debatte um den Zustand der
    Verkehrsinfrastruktur in Deutschland ist unerlässlich.

    So verdeutlicht der sichtbare Schaden in Dresden schon, dass ein Neuaufbau viel
    teurer kommt als rechtzeitige Investitionen in die Instandhaltung. Dabei geht es
    nicht nur um die reinen Baukosten, sondern auch um die Schäden, die durch die
    nun ausfallende Verkehrsverbindung oder die zerstörten Fernwärmeleitungen
    entstehen. Die Sanierung des betroffenen Teils der Carolabrücke stand für das
    kommende Jahr auf dem Plan. Was zu spät gepflegt wird, kann ein teures Fiasko
    werden. Vor diesem Szenario warnen Fachleute wie Ökonomen schon lange. Vorbeugen
    ist viel billiger als neu zu bauen.

    Bundesweit ist der Sanierungsbedarf bei Brückenbauwerken gewaltig. Allein 4000
    der rund 28.000 Autobahnbrücken in Deutschland müssen instand gesetzt werden.
    Mehr als die Hälfte davon sind älter als 40 Jahre. An ihnen nagt zwangsläufig
    der Zahn der Zeit. Gleiches gilt nach einer Aufstellung des Bundestags aus dem
    Jahr 2020 für gut 1000 der fast 26.000 Eisenbahnbrücken. Mehr als ein Drittel
    ist mehr als 100 Jahre alt.

    Es ist nicht so, dass der Staat die Anlagen bewusst verfallen lässt. Sowohl für
    die Straße als auch für die Schiene läuft ein Sanierungsprogramm. Angesichts der
    Bilder aus Dresden müssen sich die Verantwortlichen aber fragen, ob das Tempo
    der Modernisierungen ausreicht. Ein Umdenken ist auch in der Politik gefragt.
    Allzu oft wird da lieber in Projekte investiert, die sich medienwirksam in Szene
    setzen lassen. Reparieren bringt kaum Pluspunkte, eher Ärger, weil zeitweilig
    Bequemlichkeit verloren geht. Auch Ideologie kann zum Hemmschuh einer
    Verbesserung werden, etwa wenn der Straßenverkehr ohnehin eingedämmt und deshalb
    kein Geld für den Erhalt der Wege bereitgestellt werden soll.

    Eine radikale Beschleunigung der Brückensanierung ist auch bei einem Umdenken
    kaum realistisch. Dazu fehlen die Kapazitäten am Bau. Doch was geleistet werden
    könnte, sollte auch in Angriff genommen werden und nicht an fehlenden
    finanziellen Möglichkeiten scheitern. Die In­frastruktur wurde zu lange
    vernachlässigt. Der notwendige Erhalt ist dadurch schon sehr teuer geworden. Ihn
    durch eine Schuldenbremse zu verlangsamen, kann am Ende noch teurer zu stehen
    kommen, etwa wenn Menschen bei einem Unglück ums Leben kommen.

    Bisher hat wohl kaum jemand in Deutschland den Zusammenbruch einer Brücke für
    möglich gehalten. Entsprechende Bilder kannte man nur aus anderen Ländern wie
    Italien oder den USA zum Beispiel. Im Ausland kommt mit den Bildern die
    Botschaft an, dass auch das einstige Musterland an Perfektion nicht mehr gut
    funktioniert. Besucher der Fußball-EM haben ja hinsichtlich des Bahnverkehrs
    kürzlich auch diesen Eindruck mit nach Hause genommen. Die Carolabrücke steht
    auch sinnbildlich für den Zustand des Landes.

    Pressekontakt:

    BERLINER MORGENPOST

    Telefon: 030/887277 - 878
    bmcvd@morgenpost.de

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