Wasserstoff-Projekt
Thyssenkrupp erwägt Stopp des Milliardenprojekts für grünen Stahl
Der Stahlriese Thyssenkrupp stellt seine gesamte zukünftige Ausrichtung in Frage und prüft einen Ausstieg aus der Dekarbonisierung von Stahl. Das könnte die Probleme der Essener noch größer machen.
- Thyssenkrupp prüft Ausstieg aus grünem Stahlprojekt.
- Hohe Kosten und Planungsfehler belasten die Umsetzung.
- Staatliche Unterstützung könnte entscheidend sein.
- Report: Platzt die Alles‑Blase?
Thyssenkrupp steht vor einer entscheidenden Weichenstellung: Der deutsche Industriekonzern prüft derzeit, ob das geplante 3 Milliarden Euro schwere Projekt zur Herstellung von grünem Stahl mithilfe von Wasserstoff tatsächlich realisierbar ist.
Die Pläne für die Dekarbonisierung des Stahlgeschäfts, eines der weltweit emissionsintensivsten Industriezweige, stehen auf der Kippe, bestätigte das Unternehmen am späten Sonntag als Antwort auf einen Bericht des Handelsblatts. Der Vorstand spiele verschiedene Szenarien durch, darunter auch ein vollständiger Stopp des Projekts, zitierte die Zeitung aus internen Dokumenten des Konzerns.
Das Herzstück der Transformation ist der Bau einer Direktreduktionsanlage (DRI) in Duisburg, die ursprünglich durch den Einsatz von Wasserstoff die Emissionen erheblich senken sollte. Doch die Kosten für das Projekt scheinen höher als erwartet, was zu internen Debatten geführt hat.
Thyssenkrupp Steel Europe (TKSE), die Stahlsparte des Konzerns, hat diese Bedenken bereits geäußert und warnt vor erheblichen Mehrkosten, die den ursprünglichen Rahmen sprengen könnten. Laut internen Informationen wird aktuell ein Mehrbedarf von rund 200 Millionen Euro veranschlagt, der vor allem auf bautechnische Anpassungen zurückzuführen ist.
Dabei geht es um die Stabilisierung der Anlagen, da der Standort nahe dem Rhein auf schwammigem Boden liegt. Ein solcher Planungsfehler erinnert an die Probleme beim Bau eines Stahlwerks in Brasilien, das Thyssenkrupp vor knapp einem Jahrzehnt an den Rand der Insolvenz brachte.
Sollte das Projekt tatsächlich gestoppt werden, wären die Folgen für Thyssenkrupp weitreichend. Die Bundesregierung und das Land Nordrhein-Westfalen hatten rund 2 Milliarden Euro an Fördermitteln zugesagt, um die Transformation hin zu einer klimaneutralen Produktion zu unterstützen.
Doch laut Insidern müsste der Konzern im Falle einer Projektabsage den bereits überwiesenen Anteil von rund 500 Millionen Euro zurückzahlen. Dies könnte die ohnehin angeschlagene Stahlsparte weiter belasten und den Konzern erneut in eine finanzielle Schieflage bringen.
Die Diskussion um die Zukunft der grünen Transformation bei Thyssenkrupp hat das Potenzial, den Konzern weiter zu spalten. Die Entscheidung könnte nicht nur finanzielle Auswirkungen haben, sondern auch das Image des Unternehmens in der Öffentlichkeit und der Politik nachhaltig schädigen.
Sollte Thyssenkrupp das Projekt dennoch weiterverfolgen, könnte dies nur mit staatlicher Unterstützung und möglichen Zugeständnissen des tschechischen Investors Daniel Kretinsky gelingen, der bereits mit 20 Prozent an dem Konzern beteiligt ist. Andernfalls droht dem Unternehmen eine weitere Belastung, die es sich möglicherweise nicht leisten kann.
Autor: Ingo Kolf, wallstreetONLINE Redaktion
Diskutieren Sie über die enthaltenen Werte
NEU: Podcast "Börse, Baby!"
