US-WAHL/Trump oder Harris
Wie die Börse auf die US-Wahl reagiert
- US-Wahl beeinflusst Aktienmärkte stark in den Monaten.
- Trump könnte durchregieren, wenn Senat & Haus stimmen.
- Harris fördert grüne Technologien, könnte Märkte belasten.
FRANKFURT (dpa-AFX) - Der Ausgang der US-Präsidentschaftswahl am 5. November wird den Lauf der Aktienmärkte in den kommenden Monaten prägen. Denn die Demokratin Kamala Harris und der Republikaner Donald Trump verfolgen unterschiedliche Wirtschaftspolitiken. Viel wird aber auch von der Zusammensetzung des Repräsentantenhauses und des Senats abhängen, denn je nach Konstellation könnte Trump oder Harris durchregieren oder auch nicht.
Aktuell hat Trump in fünf der sieben hart umkämpften, sogenannten Swing-States die Nase vorn. Auch in den Wettbüros führt der Ex-Präsident. An den Finanzmärkten wird bereits der starke Renditeanstieg am Anleihenmarkt seit Anfang Oktober mit der Furcht vor teuren, die Inflation wieder anheizenden Wahlgeschenken des Republikaners in Verbindung gebracht.
Laut der US-Investmentbank JPMorgan setzen viele Anleger auf eine Rückkehr von Donald Trump ins Präsidentenamt und eine Blaupause seines ersten Wahlsiegs 2016 mit der damals positiven Marktreaktion. Anders als im November vor acht Jahren seien die Anleger diesmal aber bereits sehr stark investiert, was ein entscheidender Unterschied sei, erklärt Anlagestratege Mislav Matejka. Ein Trump-Sieg könne also aus Marktsicht lediglich die Erwartungen erfüllen, der Auftrieb könnte schnell verpuffen. Viel hänge hier vom Ausmaß der Reaktionen am Anleihemarkt ab und davon, ob eher die Auswirkungen auf den Handel oder aber Konjunktur und Steuern gespielt würden.
Trump verspricht unter anderem massive Einfuhrzölle auf importierte Waren sowie deutliche Steuersenkungen für Unternehmen und Familien. Letzteres wäre für die Anleger an den US-Börsen eine gute Nachricht: "Die Wiederbelebung der 'Reaganomics' im Stil der 1980er Jahre dürfte den Bullenmarkt bei Aktien und den Konjunkturzyklus zunächst bis ins Jahr 2025 verlängern", sagt Kevin Thozet, Mitglied des Investment-Komitees beim Vermögensverwalter Carmignac.
Mit Blick auf einzelne Branchen würden kleinere Unternehmen und der Finanzsektor wohl von Deregulierung und Steuersenkungen profitieren, Konsumwerte von einem längeren positiven Wirtschaftszyklus, Industriewerte vom Protektionismus und der Komplex der fossilen Brennstoffe von der Priorisierung der heimischen Öl- und Gasförderung.
Viel wird aber auch davon abhängen, ob Trump das Repräsentantenhaus halten und auch den Senat hinter sich bringen kann. Dann könnte er tatsächlich durchregieren. Bei einer solchen Konstellation würde Trump sich wohl ermutigt fühlen, hohe Zölle durchzusetzen, kommentiert Till Christian Budelmann, Investmentchef bei der Bergos Privatbank. Das würde die Schwellenländer und Europa belasten und der Ausblick für deren Aktienmärkte wäre erst einmal negativ.
Im Senat stehen die Chancen aus Trumps Sicht aktuell gut. Ein Drittel der Sitze wird neu gewählt und die Demokraten haben dieses Mal besonders viel zu verlieren. Das Repräsentantenhaus aber könnte wieder demokratisch kontrolliert werden. Denn das Hickhack um die Wahl des Sprechers der republikanischen Mehrheitsfraktion könnten noch viele Wähler in schlechter Erinnerung haben. "Im Fall eines geteilten Kongresses dürfte Trump seine handelspolitischen und migrationsbezogenen Versprechen eher über Exekutivverordnungen umsetzen", bemerkt Joe Russell, Investment Risk Manager beim Vermögensverwalter Abdrn.
Bei einem Wahlsieg von Kamala Harris ergeben sich ebenso zwei mögliche Szenarien: Entweder erfährt sie Widerstand im Kongress, oder sie kann durchregieren. In letzterem Szenario erwartet Russell einen moderaten Rückgang bei US-Risikoanlagen, da die Marktstimmung angesichts drohender Erhöhungen der Unternehmenssteuern und regulatorischer Eingriffe belastet werden könnte. Eine derartige demokratische Welle erscheine allerdings unwahrscheinlich.
Für Ronald Temple, Chef-Marktstratege bei der US-Investmentbank Lazard, ist ein wahrscheinliches Szenario, dass Kamala Harris gewinnt, jedoch mit einem republikanischen Senat regieren muss. Das würde bedeuten, dass sie bestimmte Gesetzesvorhaben nicht durchsetzen kann, etwa die Erhöhung der Unternehmenssteuern.
Prinzipiell würde der Sektor Erneuerbare Energien und Umwelttechnologie unter einer Harris-Regierung voraussichtlich boomen, da sich die Demokraten stark für den Klimaschutz einsetzten, zeigt sich Holger Knaup überzeugt, Gründer und Geschäftsführer der Vermögensverwaltung Albrecht, Kitta & Co. Sie könnten massive Investitionen in grüne Technologien fördern und strengere Umweltauflagen einführen.
Ist nun also Trump unter dem Strich besser für die Börse? Diese Frage lasse sich pauschal nicht klar beantworten, sagt Markus Lautenschlager, Portfoliomanager bei der BV & P Vermögen AG. "Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass Donald Trump durch seine pro-unternehmerische Agenda mit Steuersenkungen und Deregulierungen der Börse nähersteht als Kamala Harris, die ähnlich wie der aktuelle demokratische Präsident Joe Biden höhere Steuern für Unternehmen und Vermögende in Erwägung zieht. Auf der anderen Seite versuchen die Demokraten durch soziale Programme und höhere Löhne die Kaufkraft in den USA zu stützen, wovon prinzipiell die Unternehmen auch profitieren sollten."
Unter Präsident Joe Biden zumindest hat sich die US-Börse beachtlich entwickelt: Vom 20. Januar 2021 bis heute hat der breit gestreute Aktienindex S&P 500 rund die Hälfte an Wert gewonnen. Ein Grund dafür ist, dass die Regierung beherzt auf die Konjunktureinbrüche infolge der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges reagiert hatte. So brachte der Demokrat ein großes Infrastrukturpaket sowie ein milliardenschweres Investitionsprogramm für klimafreundliche Technologien auf den Weg.
Generell sollte man Lautenschlager zufolge als deutscher Investor jedoch nicht glauben, dass durch die Wahl in den Vereinigten Staaten ein globaler Nutzen gezogen werden kann. Denn "auch wenn beide Kandidaten in der Außendarstellung unterschiedlich wirken, so verfolgen beide das Ziel, vor allem den Wirtschaftsstandort USA zu stärken. Und beide werden gegenüber anderen Handelspartnern hart verhandeln."/la/ag/mis/men
--- Von Lutz Alexander, dpa-AFX ---