Musk und Weidel auf X

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    War Hitler Sozialist oder Kommunist?

    Gestern auf X sprachen Elon Musk und Alice Weidel – ein Thema war auch Hitler, den Weidel als Kommunist bezeichnete.

    „Weidel: … Damals, während des Dritten Reiches, gab es die Nationalsozialisten, und wie das Wort schon sagt, waren sie Sozialisten.

    Musk: Ja, sie verstaatlichten Industrien wie verrückt.

    Weidel: Ja, absolut. Er war ein Kommunist und betrachtete sich selbst als Sozialist. Was sie also taten: Sie verstaatlichten die privaten Unternehmen. Und dann verlangten sie Steuern, hohe Steuern. Und dann wurde die ganze Industrie verstaatlicht.

    Der größte Erfolg nach der schrecklichen Zeit in unserer Geschichte war, Adolf Hitler als rechts und konservativ zu bezeichnen. Dabei war er genau das Gegenteil. Er war kein Konservativer. Er war kein Libertärer. Er war ein Kommunist. Ein Sozialist. Kein weiterer Kommentar dazu. Und wir sind genau das Gegenteil. Wir sind eine libertäre konservative Partei.“

    Wo hat Weidel Recht oder wo Unrecht?

    War Hitler rechts?

    „Hitler ist keineswegs so leicht als extrem rechts im politischen Spektrum einzuordnen, wie es viele Leute zu tun gewohnt sind“ – darauf wies schon der Publizist Sebastian Haffner 1978 in seinen viel beachteten „Anmerkungen zu Hitler“ hin. Untersucht man Hitlers Selbstverständnis und seine Selbstverortung im politischen Spektrum, so wird deutlich, dass er sich weder der linken noch der rechten Seite zuordnen wollte.

    Hitler wollte beide Extreme überwinden, allerdings nicht in der „Mitte“, sondern durch ein neues Extrem, in dem beide Extreme aufgehoben sind. „Die Definitionen der beiden Begriffe“, so Hitler am 26. Mai1944, „standen damals in einem diametralen Gegensatz. Der eine war damals rechts der Barrikade und der andere links und ich bin mitten zwischen diese beiden Kämpfer hinein, also auf die Barrikade selbst gestiegen und daher von beiden selbstverständlich abgeschossen worden; ich habe versucht, einen neuen Begriff zu definieren unter dem Motto, dass letzten Endes Nationalismus und Sozialismus unter einer Voraussetzung dasselbe sind, nämlich dass man das Volk in den Mittelpunkt alles Erstrebenswerten rückt… Ich habe damals sowohl von links als auch von rechts schwere Kämpfe gehabt.“

    Hitlers Kritik demokratischer Gesellschaften liest sich wie eine linke Systemkritik: In den Demokratien herrsche in Wahrheit das Kapital; die Medien seien abhängig von Kapitalisten und die Politiker in den Demokratien durch Aufsichtsratsposten, Aktienbesitz usw. bestochen, so dass in Wahrheit dort nicht das Volk herrsche, sondern das Kapital.

    Weidel hat Recht, wenn sie darauf hinweist, dass Hitler kein Konservativer war.

    War Hitler Sozialist oder Kommunist?

    Hitler war kein Kommunist, hier irrt sich Weidel. Hitler bekämpfte die Kommunisten. Er sah sie als seine gefährlichsten Rivalen im Kampf gegen die liberale Demokratie und den Kapitalismus. Aber Hitler war ein Sozialist, hier hat Weidel Recht. Beim Nationalsozialismus ist der Anspruch, eine Synthese von Nationalismus und Sozialismus zu sein, oft nicht ernst genommen und bestritten worden. Für Hitler waren die Begriffe „Nationalismus“ und „Sozialismus“ keine Gegensätze. Der nationale Gedanke, so Hitler, „ist für uns Deutsche identisch mit dem sozialistischen. Je fanatischer national wir sind, umso mehr muss uns die Wohlfahrt der Volksgemeinschaft am Herzen liegen, d.h. umso fanatischer sozialistisch werden wir sein.“ Die rücksichtslose Vertretung der Interessen des Volkes nach innen, gemäß dem Grundsatz „Gemeinnutz vor Eigennutz“, war für Hitler Sozialismus, die rücksichtslose Vertretung der Interessen des Volkes nach außen, bedeute Nationalismus.

    Der Historiker Götz Aly hebt in seinem Buch „Hitlers Volksstaat“ die vielen Anleihen des nationalen Sozialismus aus dem linkssozialistischen Ideenvorrat hervor. Für Millionen Deutsche habe das Attraktive am Nationalsozialismus in dem völkischen Gleichheitsversprechen gelegen. „Für diejenigen, die zu der als rassisch einheitlich definierten Großgruppe zählten – das waren 95 Prozent der Deutschen –, verringerten sich die Unterschiede im Binnenverhältnis. Für viele wurde das staatspolitisch gewollte Einebnen der Standesdifferenzen in der Staatsjugend fühlbar, im Reichsarbeitsdienst, in den Großorganisationen der Partei und langsam selbst in der Wehrmacht.“

    Hitlers Eintreten für die Schleifung traditioneller Privilegien und seine in unzähligen öffentlichen, aber auch internen Äußerungen vertretene Forderung, Arbeitern bessere Aufstiegsmöglichkeiten zu geben, entstammt seiner sozialdarwinistischen Philosophie. Hitler sah das Bürgertum als kraftlos, dekadent, verfault und schwach an. Zahllose Äußerungen belegen dies. Umgekehrt sah er in den Arbeitern eine „Kraft- und Energiequelle“. In seinen „Tischgesprächen“, also den von Hitler-Vertrauen angefertigten Aufzeichnungen über seine nächtlichen Monologe im vertrauten Kreis, spielte das Thema eine zentrale Rolle. „Das ist die nationalsozialistische Lehre: dass man die Kräfte nimmt, gleich aus welchem sozialen Stand sie kommen.“

    Hitlers Forderung nach Aufstiegschancen für Arbeiter begründete sich daraus, dass ein Staat nur dann nach außen kraftvoll auftreten könnte, wenn die Besten eine Chance hätten, nach oben zu gelangen. Daher betonte er immer wieder in seinen Tischgesprächen, „dass man im Inneren der Völker die Bahn frei machen muss dem Tüchtigen, dass man sie nicht verriegeln darf durch Gesellschaftsordnungen, dass man im Inneren der Völker nicht zu einer Sterilisierung der Vermögensverhältnisse kommen darf, sondern dass man auch im Inneren dafür sorgen muss, dass ein fortgesetzter Strom frischen Blutes von unten nach oben kommt und dass alles, was faul ist, weil es träge ist, absterben soll.“ In der Geschichtswissenschaft hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten die Einsicht durchgesetzt, dass die „Volksgemeinschaft“ das zentrale Konzept war, das die Attraktivität und Massenwirksamkeit des Nationalsozialismus ausmachte.

    Hat Hitler die privaten Unternehmen verstaatlicht?

    Nein, die meisten Unternehmen blieben formal in den Händen privater Eigentümer. Die Behauptung von Musk und Weidel, Hitler habe die Unternehmen verstaatlicht, stimmt nicht. Richtig ist jedoch: In wirtschaftlichen Fragen waren Hitlers Ansichten von einem ausgeprägten Antikapitalismus geprägt. Hitler war zwar gegen eine „Vollsozialisierung“, weil er als Sozialdarwinist das Ausleseprinzip auch im Wettbewerb der Wirtschaft schätzte. Doch wandte er sich scharf gegen den Wirtschaftsliberalismus und wurde im Laufe der Jahre zu einem vehementen Anhänger planwirtschaftlicher Vorstellungen.

    Wie Hitler sich das Verhältnis von Staat und Wirtschaft vorstellte sieht man in seiner Denkschrift zum Vierjahresplan aus dem Jahr 1936: „Das Wirtschaftsministerium hat nur die nationalwirtschaftlichen Aufgaben zu stellen und die Privatwirtschaft hat sie zu erfüllen. Wenn aber die Privatwirtschaft glaubt, dazu nicht fähig zu sein, dann wird der nationalsozialistische Staat aus sich heraus diese Aufgabe zu lösen wissen.“

    In seinen Tischgesprächen äußerte er 1941: „Freilich lässt sich ein sinnvoller Einsatz der Kräfte eines Volkes nur mit einer Planwirtschaft von oben erreichen.“ Und: „Was die Planmäßigkeit der Wirtschaft angeht, stehen wir noch ganz in den Anfängen.“ Zunehmend wurde Hitler zu einem Bewunderer des sowjetischen Wirtschaftssystems, das nach seiner Meinung dem kapitalistischen System weit überlegen war. Aus den Aufzeichnungen von Wilhelm Scheidt, dem Adjuanten von Hitlers Beauftragtem für die Militärgeschichtsschreibung Scherff, wissen wir, dass Hitler immer stärker „die innere Verwandtschaft seines Systems mit dem so heiß bekämpften Bolschewismus“ erkannt und ausgesprochen habe. „Auch vor Stalin müsse man unbedingten Respekt haben“, erklärte Hitler im inneren Kreis, „seine Wirtschaftsplanung sei so umfassend, dass sie wohl nur von unseren Vierjahresplänen übertroffen werde“. Es stehe für ihn außer Zweifel, dass es in der UdSSR, im Gegensatz zu den kapitalistischen Staaten wie etwa den USA, Arbeitslose nicht gegeben habe. Hitler war, wie er in einem Gespräch mit Mussolini 1944 bekannte, zu der Überzeugung gelangt: „Auch der Kapitalismus hätte seine Rolle ausgespielt, die Völker würden ihn nicht mehr ertragen. Als Sieger würden die Ideen des Faschismus und des Nationalsozialismus übrig bleiben – vielleicht des Bolschewismus im Osten.“ Hitler war, wie er in seiner letzten Rundfunkansprache am 30. Januar 1945 sagte, davon überzeugt, „dass sich die Epoche des zügellosen wirtschaftlichen Liberalismus überlebt hat“. In seinen letzten Diktaten an Martin Bormann äußerte er: „Die Krise der Dreißigerjahre war lediglich eine Wachstumskrise, allerdings globalen Ausmaßes. Der wirtschaftliche Liberalismus entpuppte sich als eine überlebte Formel.“

    Der Ökonom Ludwig von Mises hat die Unterschiede zwischen Kapitalismus, Kommunismus und Nationalsozialismus sehr klar herausgearbeitet. Während der Kapitalismus auf Privateigentum beruht, wurde in kommunistischen Ländern das Privateigentum beseitigt. Im Nationalsozialismus blieb es formal bestehen, wurde jedoch inhaltlich immer mehr ausgehöhlt, wie Mises schrieb: „Das deutsche Modell des Sozialismus (Zwangswirtschaft) zeichnet sich dadurch aus, dass es, wenn auch nur nominell, einige Einrichtungen des Kapitalismus beibehält. Die Arbeit ist natürlich keine „marktgängige Ware“ mehr; der Arbeitsmarkt ist feierlich abgeschafft worden; die Regierung legt die Lohnsätze fest und weist jedem Arbeiter den Ort zu, an dem er arbeiten muss. Das Privateigentum ist nominell unangetastet geblieben. Tatsächlich aber sind die ehemaligen Unternehmer auf den Status von Betriebsführern reduziert worden. Die Regierung schreibt ihnen vor, was und wie sie zu produzieren haben, zu welchen Preisen und von wem sie einkaufen und zu welchen Preisen und an wen sie verkaufen sollen. Die Unternehmen können gegen unbequeme Anordnungen protestieren, aber die endgültige Entscheidung liegt bei den Behörden.“

    Ist die AfD eine „libertäre konservative Partei“?

    Weidel bezeichnete die AfD mehrfach als konservativ-libertäre Partei. Das ist unrichtig. Richtig ist, dass bei Gründung der AfD viele Wirtschaftsliberale in der Partei gab. Viele davon haben jedoch die Partei verlassen, so etwa der Mitgründer Hans-Olaf Henkel. Heute gibt es immer noch vereinzelt Libertäre in der AfD, ebenso gibt es jedoch ausgesprochene Etatisten und sogar nationale Sozialisten. Insbesondere in Ostdeutschland ist die antikapitalistische Strömung sehr stark. Diese Leute sind ganz entschiedene Feinde des libertären Denkens.  

    Rainer Zitelmann hat über Hitlers wirtschafts- und sozialpolitische Vorstellungen promoviert – sein Buch „Hitler. Selbstverständnis eines Revolutionärs“ erschien in vielen Sprachen.


    Rainer Zitelmann
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    Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker, Politikwissenschaftler und Soziologe - und zugleich ein erfolgreicher Investor. Er hat zahlreiche Bücher auch zu den Themen Wirtschaft und Finanzen* geschrieben und herausgegeben, viele davon sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. * Werbelink
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    Verfasst von Rainer Zitelmann
    Musk und Weidel auf X War Hitler Sozialist oder Kommunist? Gestern auf X sprachen Elon Musk und Alice Weidel – ein Thema war auch Hitler, den Weidel als Kommunist bezeichnete.