Weltweit massiver Zinsanstieg – wie geht die Geldpolitik damit um? - Seite 2
Experten befürchten, dass sich der Zinsanstieg für 10-jährige deutsche Bundesanleihen noch bis auf 3,5 % oder gar 4 % erhöhen könnte. Wenn allerdings neue Anleihen (deutlich) höhere Zinsen bieten als alte, verlieren letztere an Wert – die Kurse fallen. Genau das preist der Markt aktuell ein.
Höhere Zinsen für höhere Risiken
Höhere Zinsen müssen auch deshalb geboten werden, weil bei massiv steigenden Schulden das Risiko eines Zahlungsausfalls steigt, wenn im Falle von Deutschland auch von einem sehr niedrigen Niveau aus. Und Anleger verlangen für höhere Risiken höhere Zinsen.
Analystenschätzungen besagen, dass mit den aktuellen Schuldenplänen für Infrastruktur und Verteidigung das jährliche Staatsdefizit von Deutschland von derzeit 2,8 % auf rund 5,5 % und das Verhältnis der Schulden zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) von etwas mehr als 60 % auf 80 % ansteigen könnten. Laut dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) könnte Deutschlands Schuldenquote 2034 sogar die 100 %-Marke überschreiten. Damit würde Deutschland plötzlich zu den Hochschuldenstaaten der EU gehören.
Wie geht die EZB damit um?
Drastisch höhere Infrastruktur- und Verteidigungsausgaben würden auch die Staatsnachfrage stark steigen lassen und zu einem Anstieg der Inflation führen. Dadurch kommt die Europäische Zentralbank (EZB) in ein mögliches Dilemma. Denn einerseits müsste sie einen drohenden Inflationsanstieg mit tendenziell höheren Zinsen verhindern, andererseits müsste sie die immer noch schwächelnde Wirtschaft der Eurozone mit weiter sinkenden Zinsen unterstützen.
Wirtschaftsschwäche mit sinkenden Zinsen bekämpfen
Das Problem der Wirtschaftsschwäche könnte durch die deutlich gestiegene Unsicherheit wegen der US-Handelspolitik sogar noch einmal verschärft werden, vor allem, wenn die USA auch die angedrohten Zölle auf Waren aus der EU tatsächlich umsetzen, möglicherweise wie angekündigt ab April.
Erst vorgestern hat die Notenbank wie erwartet die sechste Leitzinssenkung beschlossen, seit sie Mitte 2024 auf einen Lockerungskurs umgeschwenkt ist. Begründet wurde diese Maßnahme mit der Aussicht auf weniger Wachstum im Euroraum auch wegen der drohenden US-Strafzölle. Die EZB-Volkswirte schraubten in ihren aktualisierten Projektionen die Vorhersage für den Anstieg des BIP auf +0,9 % zurück, nachdem sie im Dezember noch von +1,1 ausgegangen waren. Für 2026 wurde die Prognose von +1,4 % auf +1,2 % gestutzt.