Euro auf Drei-Jahres-Hoch
US-Währung ist angeschlagen – "Entdollarisierung" verschärft sich
Seit Anfang des Jahres kennt die US-Währung nur eine Richtung – abwärts. Dieser Trend, der sich zuletzt verstärkt hat, könnte sich verfestigen und dem Euro zugute kommen.
- US-Dollar fällt stark, Euro profitiert deutlich.
- Anleger verunsichert durch volatile Märkte und Zinsen.
- Strukturelle Verschiebung zugunsten des Euro erkennbar.
- Report: Magnificent 7 - Die Spreu trennt sich vom Weizen

Die Rolle des US-Dollars als sichere Währung in Krisenzeiten bekommt zunehmend Risse. Die beispiellose aktuelle Kombination aus fallendem Greenback, einbrechenden Anleihekursen und erratischer Aktienmarkt-Performance verunsichert Anleger weltweit – und stellt die Dominanz amerikanischer Vermögenswerte infrage.
Am Montag fiel der Dollar-Index, der die US-Währung gegen sechs große Währungen misst, um 0,5 Prozent auf 99,60 – den tiefsten Stand seit drei Jahren. Seit Jahresbeginn hat die US-Währung mehr als 8 Prozent eingebüßt. Besonders profitiert davon haben vor allem drei Währungen, die als besonders sicher angesehen werden, der Schweizer Franken, der japanische Yen – und der Euro. Am Montag verteuerte sich die Gemeinschaftswährung über die Marke von 1,14 US-Dollar und erreichte mit 1,1425 US-Dollar den höchsten Stand seit Februar 2022, wie aus Bloomberg-Daten hervorgeht.
Parallel dazu verzeichneten US-Staatsanleihen historische Renditesprünge: Die zehnjährige Treasury-Rendite stieg vergangene Woche um 50 Basispunkte auf 4,49 Prozent, der stärkste Anstieg seit 2001. Die Rendite 30-jähriger Anleihen kletterte um 48,2 Basispunkte auf 4,87 Prozent – der stärkste Wochenanstieg seit 1987.
"Was wir aktuell erleben, ist schlimmer als der Nixon-Schock von 1971", sagte Marc Chandler von Bannockburn Global Forex im Interview mit MarketWatch. Die Volatilität, ausgelöst durch die Zollpolitik der Vereinigten Staten, habe "der US-Marke erheblichen Schaden zugefügt". Einige Marktbeobachter sprechen bereits von einer "Kapitalstreikwelle" gegen amerikanische Vermögenswerte.
Der jüngste Verfall des US-Dollars trifft auf ein Umfeld, in dem die US-Regierung mit widersprüchlichen Aussagen zur Zollpolitik für zusätzliche Unsicherheit sorgt. Diese inkonsistente Kommunikation hat das Vertrauen der Investoren weiter erschüttert. Laut Daten der DTCC wurden Ende der vergangenen Woche ungewöhnlich viele Optionen auf weiter steigende Euro-Kurse gehandelt. Hedgefonds spekulieren nun auf ein Ziel von 1,20 US-Dollar innerhalb der nächsten drei bis sechs Monate.
"Wir sehen eine strukturelle Verschiebung zugunsten des Euro", so Van Luu von Russell Investments. Die Gemeinschaftswährung profitiert nicht nur von der Schwäche des US-Dollars, sondern auch von der neuen fiskalpolitischen Ausrichtung Deutschlands, das nach Jahrzehnten der Sparsamkeit erstmals größere Ausgaben plant. Zudem bedeutet die Schrumpfung des transatlantischen Handelsüberschusses, dass weniger Einnahmen in US-Dollar reinvestiert werden – ein weiterer Belastungsfaktor für die US-Währung.
"Trump verwässert seine Zölle, aber die Märkte sehen dennoch US-Dollar-Schwäche und einen Ausverkauf bei US-Renditen – eine toxische Kombination", sagt Jordan Rochester von Mizuho International. Der Optionsmarkt hat sich deutlich hin zu einer Euro-Stärke positioniert. Die Verlagerung hin zu einer Euro-Rallye ist so markant wie seit fünf Jahren nicht mehr, schreibt Bloomberg.
Der Begriff "US-Exzeptionalismus" beschreibt die einzigartigen Elemente der amerikanischen Wirtschaft und des Finanzsystems, die sie attraktiver machen als andere Länder der Welt. Und im Moment scheint die Attraktivität des US-Dollars (und anderer US-Vermögenswerte) stark abzunehmen.
"Trotz Präsident Trumps Rückzieher bei den Zöllen ist der Schaden für den US-Dollar bereits angerichtet", erklärt George Saravelos, Leiter Devisenanalyse bei der Deutschen Bank. "Der Markt bewertet die strukturelle Attraktivität des US-Dollars als globale Reservewährung neu und durchläuft einen Prozess der schnellen Entdollarisierung."
Die aktuelle Situation könnte ein Wendepunkt sein – nicht nur für den Greenback, sondern für die globale Vermögensallokation insgesamt. Die Märkte suchen nach neuen sicheren Häfen. Das könnte dem Euro längerfristig zugutekommen. Und der US-Dollar? Der steht erstmals seit Jahrzehnten nicht mehr ganz oben auf der Liste.
Autor: Ingo Kolf, wallstreetONLINE Redaktion

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