Nur SAP, Novo wertvoller
Hermès überholt LVMH – Luxus-Purist wird teuerstes Unternehmen Frankreichs
Unbeachtet von den meisten hat sich der Luxuskonzern Hermès zum Unternehmen mit der dritthöchsten Bewertung in Europa gemausert. Sehr zum Ärger des "Wolfs in Kaschmir".
- Hermès überholt LVMH in Börsenbewertung, dritthöchster Wert.
- Strategiewechsel im Luxus: Exklusivität statt Volumen.
- Hermès punktet mit begehrten Produkten und hoher Marge.
- Report: Magnificent 7 - Die Spreu trennt sich vom Weizen

Der Luxuskonzern Hermès hat Geschichte geschrieben: Am Dienstag überholte der Hersteller der ikonischen Birkin-Bag erstmals seinen langjährigen Rivalen LVMH in der Börsenbewertung – ein symbolträchtiger Moment in der Welt der französischen Luxuskonzerne. Nicht zuletzt, da LVMH früher Hermès hatte kaufen wollen!
Mit einer Marktkapitalisierung von 243,65 Milliarden Euro lag Hermès zwischenzeitlich knapp über den 243,44 Milliarden Euro von LVMH und stieg damit zum wertvollsten Unternehmen im französischen Leitindex CAC 40 auf. Zuvor hatte Bloomberg darüber berichtet. In Europa rangierte Hermès nur noch hinter SAP und Novo Nordisk auf Platz drei der größten börsennotierten Konzerne.
Die Wachablösung ist mehr als nur ein Börsenmoment. Sie steht auch für einen grundlegenden Strategiewechsel im Luxussegment – weg vom volumengetriebenen Konzernmodell hin zu selektiver Exklusivität. Hermès hat sich mit seiner strikt angebotslimitierten Strategie und unnachgiebiger Preiskontrolle als Fels in der Brandung erwiesen. Während Konkurrenten wie LVMH mit rückläufiger Nachfrage in den USA und China kämpfen, florieren die Geschäfte des Traditionsunternehmens aus Paris weiter.
LVMH hat am Dienstag enttäuschende Quartalszahlen vorgelegt. Besonders schwach schnitt die Schlüssel-Sparte Mode und Lederwaren ab, was die Aktie um zeitweise 8,4 Prozent fallen ließ. Der Luxusriese mit Marken wie Louis Vuitton, Dior und Tiffany erwirtschaftete 2024 einen Umsatz von 84,7 Milliarden Euro und einen operativen Gewinn von 19,6 Milliarden Euro.









Hermès hingegen kam bei deutlich geringerem Umsatz von 15,2 Milliarden Euro auf einen operativen Gewinn von 6,2 Milliarden Euro – eine beeindruckende Marge, getragen von der anhaltenden Begehrlichkeit seiner Produkte.
"In unsicheren Zeiten setzen Anleger auf Qualität – und im Luxusbereich steht Hermès genau dafür", sagte Jelena Sokolova von Morningstar. Der Anbieter von Seidentüchern, Lederwaren und Parfüm sei weniger zyklisch als der diversifizierte LVMH-Konzern.
Das Börsen-Revival hat auch eine historische Dimension: 2010 hatte LVMH-Chef Bernard Arnault versucht, sich heimlich bei Hermès einzukaufen – ein Manöver, das in Frankreich als feindlicher Übernahmeversuch wahrgenommen wurde. Die Hermès-Familie vereinte sich daraufhin, um den "Wolf im Kaschmir" abzuwehren – mit Erfolg. Arnault musste seine Anteile später verkaufen.
Dass Hermès nun den einstigen Angreifer überholt, dürfte für viele Investoren und Familienmitglieder Genugtuung bedeuten. Zumal Hermès seine Marktposition nicht durch aggressive Expansion, sondern durch kontrolliertes Wachstum gefestigt hat: Die Nachfrage nach Handtaschen wie der Birkin oder Kelly übersteigt das Angebot deutlich, Wartelisten sind die Norm, Secondhand-Preise erreichen ein Vielfaches der Originalpreise.
Analysten verweisen zudem auf einen möglichen "Konglomeratsabschlag" bei LVMH – weniger margenstarke Töchter wie Sephora könnten die Bewertung des Gesamtunternehmens drücken. Hermès hingegen punktet mit einem fokussierten Geschäftsmodell und einer weltweit begehrten Markenidentität.
Spannend wird, ob sich Hermès den Spitzenplatz dauerhaft sichern kann. Am Donnerstag legt das Unternehmen seine Quartalszahlen vor. Beobachter erwarten erneut starke Zahlen – und eine weitere Bestätigung dafür, dass weniger manchmal mehr ist, zumindest im Luxussegment.
Autor: Ingo Kolf, wallstreetONLINE Redaktion

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