Trotz Rückschlägen
Investoren setzen auf wirtschaftliche Erholung in der Türkei
Die jüngste politische Unruhe in der Türkei hat internationale Investoren verunsichert – dennoch bleibt die Hoffnung auf eine wirtschaftliche Stabilisierung bestehen. Experten sehen Renditechancen.
- Politische Unruhe verunsichert Investoren, Hoffnung bleibt.
- Zinserhöhung auf 49% soll Vertrauen in Lira stärken.
- Langfristige Anleihen bieten trotz Risiken Renditechancen.
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Die Festnahme des prominenten Oppositionspolitikers Ekrem Imamoglu löste im März einen Abverkauf an den türkischen Finanzmärkten aus: Der Aktienmarkt des Landes geriet unter Druck, die Lira verlor an Wert und ausländische Investoren zogen in den drei Wochen bis zum 4. April netto rund 4,85 Milliarden US-Dollar aus dem türkischen Anleihemarkt ab, wie Daten der Zentralbank zeigen.
Doch die grundlegende Investmentstory für das Land ist weiterhin intakt, sagt der US-Vermögensverwalter Pacific Investment Management Co. (Pimco), eine Tochtergesellschaft der Allianz. Nicht zuletzt wegen der attraktiven Renditen: Türkische Anleihen mit zwei Jahren Laufzeit bieten derzeit die höchsten Erträge unter Schwellenländern. Die Zentralbank erhöhte im März den Leitzins auf 46 Prozent, um Kapitalzuflüsse in Lira-Anlagen zu stabilisieren.
Am Donnerstag wurde der Übernachtsatz dann überraschend auf 49 Prozent weiter erhöht. Nur drei der im Vorfeld von Bloomberg befragten 23 Analysten hatten mit dem Schritt gerechnechnet. Marktbeobachter bezeichneten die Zinserhöhung als einen mutigen Schritt zur Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit, der auch der angeschlagenen Landeswährung zugutekommen würde.
Auch andere institutionelle Investoren bleiben der Türkei treu. So sieht William-Blair-Portfoliomanager Daniel Wood insbesondere in mittel- bis langfristigen türkischen Anleihen zwischen fünf und zehn Jahren Laufzeit weiterhin attraktives Potenzial. Das wirtschaftliche Fundament des Landes habe sich trotz politischer Turbulenzen nicht wesentlich verändert.









Pimco hat zwar seine Positionen in türkischen Anleihen reduziert, hält aber weiter an langfristigen Engagements im Land fest. Der auf Anleihen spezialisierte Vermögensverwalter investiert unter anderem in sogenannte TLREF-Anleihen, die an den Tagesgeldsatz gekoppelt sind, sowie in variabel verzinste Papiere.
"Wir sind weiterhin positiv gegenüber der Türkei eingestellt, aber unsere Position ist kleiner geworden", sagte Pramol Dhawan, Leiter des Emerging-Markets-Teams bei Pimco, gegenüber Bloomberg. Die Verhaftung von Istanbuls Bürgermeister Imamoglu habe das Vertrauen internationaler Investoren beschädigt.
Der türkische Leitindex ISE 100 hat seit der Verhaftung am 19. März etwa 14 Prozent eingebüßt. Die Landeswährung hat gleichzeitig 3,9 Prozent zum US-Dollar eingebüßt. Allerdings auch nur, weil sie mit einer milliardenschweren Intervention der Zentralbank gestützt wurde.
Das Risiko ist hoch. "Wenn man das mit Autofahren vergleicht: Die Regierung tritt aufs Gas, während Zentralbank und Finanzministerium gleichzeitig auf die Bremse treten", sagte Dhawan. Wenn sich letztere durchsetzen, könnte das für die Firma aber profitabel sein, fügte er hinzu.
Dhawan rechnet damit, dass Präsident Erdogan an seinem Kurs festhält, um die Inflation schrittweise zu senken und dadurch seine politische Unterstützung zu sichern. "Man will die Inflation in den nächsten 24 Monaten zurück in den hohen einstelligen Bereich bringen“, so Dhawan. Für Anleger böte das "eine angemessene Kompensation für die Risiken, die man eingeht."
Trotz kurzfristiger Volatilität und politischen Risiken setzen viele Anleger also weiter auf eine allmähliche Rückkehr zur Stabilität – und auf das Renditepotenzial, das ein wirtschaftlich reformbereiter Türkei-Markt bieten kann.
Autor: Ingo Kolf, wallstreetONLINE Redaktion

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