Digitalsteuer in Europa: Ziel verfehlt, Wirkung verheerend?
Digitalsteuer: Warum sie Verbraucher trifft und Europas Wirtschaft gefährdet.

Wer sich mit dem Thema Digitalsteuer beschäftigt, muss sich auch mit ihren realwirtschaftlichen Auswirkungen, möglichen strategischen Schwächen und der globalen Eskalationsgefahr befassen, die eine Digitalsteuer birgt. Es gilt, viele Faktoren zu beachten, wirtschaftliche und geopolitische Risiken abzuwägen und sich auf Reaktionen vorzubereiten.
Wer zahlt am Ende wirklich: der Verteilungseffekt der Digitalsteuer
Die Idee hinter der Digitalsteuer macht eigentlich Sinn. Sie soll den Wettbewerb im digitalen Raum durch steuerliche Gleichbehandlung großer Tech-Konzerne fairer gestalten. Die steigenden Steuereinnahmen könnten in den Ausbau der digitalen Infrastruktur fließen. Aber die Realität sieht anders aus. Timo Danner, CEO beim Fulfillment-Dienstleister Fulshipment, beobachtet die Entwicklungen mit Skepsis: „Die Steuerlast wird nicht von den Konzernen selbst getragen, sondern über Umwege weitergegeben, vor allem an kleinere und mittlere Unternehmen sowie Konsumenten.“ Auch sein Unternehmen wäre von der Digitalsteuer zumindest indirekt betroffen, weil Fulshipment ebenfalls auf digitale Prozesse setzt.
Letztlich trifft es vermutlich die breite Masse der Verbraucher stärker als die Tech-Elite, die besteuert werden soll. Aber auch Unternehmen aus Branchen, die beim Thema Marketing auf digitale Werbeplattformen setzen, wären betroffen. Dazu zählen vor allem der Einzelhandel und der E-Commerce (beide sind abhängig von digitalen Marktplätzen wie Amazon, eBay oder Zalando).
Hinzu kommen Unternehmen in den Bereichen Tourismus und Gastgewerbe, die Plattformen wie Booking.com, Expedia oder Google Travel nutzen. Verlagswesen und Medien brauchen die Suchmaschinen, um sichtbar zu sein, und auch SaaS-Unternehmen und Start-ups arbeiten inzwischen zu großen Teilen digital. Letztere wollen günstige Reichweite, cloudbasierte Tools und schnelle Skalierung.
Insolvenzwelle als mögliche Folge
Die Kostensteigerungen würden viele Unternehmen, besonders im ohnehin angeschlagenen E-Commerce, schwer treffen. Preisanpassungen erfolgen in der Regel schleppend, was kurzfristig zu Margenverlusten und damit zu einer erhöhten Insolvenzrate führen kann. Und langfristig? Werden auch diese Unternehmen ihre Preise anpassen, was wiederum die Inflation weiter anheizt. In letzter Konsequenz trifft die Digitalsteuer jeden Konsumenten in Europa ganz direkt.
Gerade Deutschland steht hier besonders unter Druck, weil es zu den Ländern mit der höchsten Steuerbelastung weltweit zählt. Kommen zu den Belastungen einer anziehenden Inflation noch weitere Kostenpunkte, vergrößert sich die Kluft zwischen Brutto und Netto für den Einzelnen weiter. Dadurch können sich nicht nur die ohnehin bereits bestehenden sozialen Spannungen erhöhen, langfristig kann sich das auch zu einer Zerreißprobe für den wirtschaftlichen Frieden entwickeln.
Europas digitale Schwäche lässt wenig Handlungsspielraum
© Timo Danner, CEO Fulshipment
Wenn es um Digitalisierung geht, haben Deutschland und in Teilen auch Europa lange in einem digitalen Tiefschlaf gelegen
und hinken jetzt der Entwicklung hinterher. Eine Konsequenz ist Europas Abhängigkeit von außereuropäischer digitaler Infrastruktur. Fulfillment-Experte Timo Danner fasst die Situation so zusammen:
„Die Abhängigkeit von US-Diensten ist gewaltig. Es gibt kaum europäische Alternativen, weder im Cloudbereich noch bei Suchmaschinen oder anderen digitalen Infrastrukturen. Ein Ausstieg wäre ein
langfristiges Projekt. Für schnelle Maßnahmen fehlt schlichtweg die Grundlage.“
Droht also ein neuer Handelskrieg?
In dieser prekären Situation sollte man auch bedenken, dass eine Digitalsteuer unkalkulierbare Folgen auf geopolitischer Ebene haben könnte. Das gilt insbesondere mit Blick auf Donald Trump. Sollte Europa eine Digitalsteuer einführen, wären wohl Vergeltungsmaßnahmen zu erwarten. Noch höhere Zölle auf europäische Produkte, vor allem auf deutsche Autos, sind denkbar, mit massiven wirtschaftlichen Folgen für Deutschland. Will man Trump seine Grenzen zeigen, muss die EU als geeinter Block handeln, was angesichts unterschiedlicher Interessen alles andere als einfach ist.
Es gibt bereits Automobilkonzerne, die ihre Exporte in die USA aus Angst vor genau diesen Entwicklungen gestoppt haben. Kaum auszudenken, was passiert, wenn Tech-Konzerne ebenfalls kurzzeitig ihre Dienste in Europa aussetzen. Das wäre eine wirtschaftliche Eskalation, deren Folgen unabsehbar wären. Deshalb ist Europa klug beraten, nicht die Konfrontationskarte zu spielen. Vielmehr sollte man den Dialog suchen. Die USA sehen im Handel mit Europa ein Defizit von rund 198 Milliarden Dollar. Diese Zahl bezieht sich allerdings nur auf Waren. Bezieht man den Dienstleistungssektor mit ein, sieht die Bilanz anders aus.
Im Bereich der Dienstleistungen hat Europa nämlich ein Defizit von rund 100 Milliarden Dollar. Das tatsächliche Handelsdefizit beläuft sich dann lediglich auf etwa 90 Milliarden Dollar. Die EU sollte diese Diskrepanz aktiv kommunizieren, ohne dabei eine Drohkulisse aufzubauen. Die Erfahrung zeigt, dass derjenige, der Donald Trump droht, reflexartig mit Gegenmaßnahmen belegt wird. Deshalb wäre es am sinnvollsten, wenn die EU über eine faire Anpassung des Handelsbilanzdefizits verhandelt.
Handel statt Handelskrieg
Die gute Nachricht ist, dass es durchaus Stellschrauben gibt, an denen die EU drehen kann. So könnte Europa mehr US-Energierohstoffe und pharmazeutische Produkte importieren. Gleichzeitig könnten die Zölle in diesen Sektoren gesenkt oder abgeschafft werden. Dadurch würde die Inflation sinken, die Versorgungssicherheit wäre gestärkt und der transatlantische Handel bekäme neuen Auftrieb. Im Gegenzug könnte man beim Thema Digitalsteuer nach einer für beide Seiten akzeptablen Lösung suchen.
Timo Danner von Fulshipment ist der Auffassung, dass es die zielführendste Methode wäre, „den Weg des Dialogs zu gehen, eine langfristige Strategie zu entwickeln und vor allem den Aufbau eigener digitaler Infrastruktur voranzutreiben.“ Alles andere wäre seiner Ansicht nach ein Spiel mit dem Feuer, mit möglicherweise verheerenden Folgen für den Mittelstand und die wirtschaftliche Stabilität Europas.