Kein Ende der Rallye in Sicht

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    Starker Franken: Rückkehr der Negativzinsen droht

    Angesichts der weltweiten Markt-Verunsicherung haben sich Investoren auf den Schweizer Franken als sicherem Hafen gestürzt. Kommen die Negativzinsen zurück?

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    Kein Ende der Rallye in Sicht - Starker Franken: Rückkehr der Negativzinsen droht

    Die Schweizerische Nationalbank (SNB) steht vor einem Dilemma: Der Franken eilt von Rekord zu Rekord und bringt die exportabhängige Schweizer Wirtschaft zunehmend in Bedrängnis. Experten halten es inzwischen für möglich, dass die SNB als erste große Notenbank wieder den Schritt zurück in den negativen Zinsbereich wagen muss.

    Der Franken hat in den letzten Wochen stark aufgewertet. Gegenüber dem US-Dollar näherte er sich der Marke von 0,80 Franken – dem stärksten Stand seit der dramatischen Aufwertung nach Aufhebung des Euro-Mindestkurses im Jahr 2015.

    Auch gegenüber der Gemeinschaftswährung gewann der Franken deutlich an Boden und notierte zeitweise nahe dem stärksten Kurs seit 10 Jahren. Getrieben wird die Rallye durch die Suche der Investoren nach sicheren Häfen angesichts der neuen globalen Handelskonflikte unter US-Präsident Donald Trump.

    Das setzt die SNB unter Zugzwang. Bereits im März hatte sie den Leitzins auf 0,25 Prozent gesenkt – schneller als andere große Notenbanken. Doch die Märkte erwarten bereits weitere Schritte: Laut impliziten Swaps-Sätzen liegt die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung auf null beim nächsten Treffen im Juni bei etwa 80 Prozent. Eine Rückkehr zu negativen Zinsen noch in diesem Jahr wird zunehmend eingepreist.

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    Mehrere Experten sehen eine solche Entwicklung als realistisch an. Francesco Pesole von ING argumentiert, dass "niedrigere Zinsen die einzige Option" seien, falls die SNB angesichts politischer Spannungen auf Devisenmarktinterventionen verzichten will. Auch Stefan Gerlach, Chefökonom bei der EFG Bank, hält negative Zinsen für möglich, betont aber, dass gezielte Interventionen am Devisenmarkt ebenfalls eine Option bleiben könnten.

    Nomura rechnet inzwischen mit zwei weiteren Zinssenkungen der SNB in diesem Jahr und prognostiziert eine Rückkehr zu negativen Zinsen bereits im Sommer. Auch Goldman Sachs sieht die SNB als die einzige große Notenbank, die sub-zero-Zinsen wieder einführen könnte, und erwartet eine Senkung auf -0,25 Prozent bis Juni.

    Allerdings bleibt die Strategie der SNB umstritten. Während Interventionen – etwa der gezielte Verkauf von Franken – flexibler seien, birgt eine massive Marktmanipulation das Risiko, von den USA erneut als "Währungsmanipulator" eingestuft zu werden. Diese Sorge ist nicht unbegründet: Schon während Trumps erster Amtszeit war die Schweiz auf eine entsprechende Beobachtungsliste geraten.

    SNB-intern gibt es daher offenbar Präferenzen für Zinsmaßnahmen, unter Umständen noch mit der Unterstützung begrenzter Franken-Verkäufe: "Interventionen sind flexibler als Zinssenkungen – die SNB kann in den Markt gehen, einige Franken verkaufen, um den Aufwertungsdruck zu lindern, und dann stoppen," erklärt UBS-Ökonom Maxime Botteron. Vontobel-Stratege Gregor Kapferer ergänzt: Größere Interventionen seien "nur das letzte Mittel".

    Athanasios Vamvakidis von der Bank of America hält begrenzte Marktinterventionen für wahrscheinlicher als eine sofortige Rückkehr zu Negativzinsen. In einem Umfeld politischer Unsicherheit könnte die US-Regierung moderate Eingriffe sogar tolerieren, so seine Einschätzung.

    Das Risiko für die Schweiz bleibt jedoch erheblich: Eine weitere Aufwertung des Franken könnte deflationäre Tendenzen verstärken. Die Inflation liegt aktuell bei rund 0,3 Prozent – am unteren Ende des von der SNB angestrebten Zielkorridors von 0 bis 2 Prozent. Jean-Philippe Kohl von der Industrievereinigung Swissmem warnt bereits vor einem "giftigen Cocktail" aus schwacher globaler Nachfrage, US-Zöllen und einem zu starken Franken.

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    Hinzu kommt: Sollte die Eurozone weiter in eine Stagnation abgleiten – erste Anzeichen mehren sich –, könnte der Druck auf den Franken gegenüber dem Euro nochmals zunehmen. Commerzbank-Analyst Michael Pfister verweist darauf, dass die SNB durch frühere Interventionen bereits ihre Balance Sheet-Risiken erhöht hat und eine Wiederholung nur mit Vorsicht in Betracht ziehen dürfte.

    Die Wahrscheinlichkeit, dass die SNB 2025 erneut negative Zinsen einführt, ist insgesamt also deutlich gestiegen. Während kleinere Interventionen kurzfristig helfen könnten, bleibt der starke Franken ein strukturelles Problem – und damit ein schwer lösbares für die Währungshüter in Zürich.

    Ausblick:

    Hält die Frankenstärke an, dürfte die SNB spätestens im Herbst zu weiteren Maßnahmen gezwungen sein. Eine Rückkehr zu negativen Zinsen wird dann kaum noch zu vermeiden sein, zumal Interventionen am Devisenmarkt politisch riskant bleiben. In einem zunehmend instabilen globalen Umfeld könnte der Franken so zum Dauerproblem für die Schweizer Geldpolitik werden.

    Auch wenn die Frankenstärke derzeit die Notenbank herausfordert, bleibt ihr Handlungsspielraum noch intakt. Mit gezielten, moderaten Maßnahmen – etwa temporären Interventionen oder einer behutsamen Lockerung der Geldpolitik – könnte es gelingen, größere Verwerfungen zu vermeiden. Sollte sich die geopolitische Lage entspannen, dürfte auch der Aufwertungsdruck auf den Franken nachlassen.

    Autor: Ingo Kolf, wallstreetONLINE Redaktion


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    Verfasst vonRedakteurIngo Kolf

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