Greenback wird "Risikowert"
Der schwache US-Dollar der starken Worte
Der US-Dollar war einst ein Bollwerk in Krisen. Heute sehen Investoren darin ein Risiko und ziehen sich zunehmend aus der Devise zurück.
- US-Dollar schwach, Investoren suchen sichere Häfen.
- Trump-Politik führt zu Vertrauensverlust in Währung.
- Geopolitische Risiken verstärken Dollar-Schwäche weiter.
- Report: Die USA haben fertig! 5 Aktien für den China-Boom

Selten zuvor war der US-Dollar so schwach in den ersten 100 Tagen einer Präsidentschaft. Und nie seit dem Ende des Goldstandards unter Richard Nixon 1971 hat sich der Greenback zu Beginn einer Amtszeit so deutlich entwertet wie aktuell unter Donald Trump.
Ein Minus von rund neun Prozent beim US-Dollar-Index seit dem 20. Januar ist nicht nur ein markttechnischer Ausreißer, sondern ein Symptom tiefer liegender Verwerfungen im globalen Vertrauen in Amerikas wirtschaftspolitische Verlässlichkeit.
In einer historischen Perspektive sticht diese US-Dollar-Schwäche hervor. Während frühere Präsidenten wie George W. Bush, Barack Obama oder Joe Biden zumindest moderate Dollargewinne in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit verzeichneten, kehrt sich unter Trump II die Logik um: Die Welt investiert nicht mehr blind in den US-Dollar als sicheren Hafen, sondern sucht Schutz vor ihm. Der Euro, der Schweizer Franken und der Yen haben seit Januar jeweils über acht Prozent gegenüber dem US-Dollar gewonnen.
Der US-Dollar war einst ein Bollwerk in Krisen. Heute sehen Investoren darin ein Risiko. Die Ursache liegt weniger in makroökonomischen Fundamentaldaten als in der Art und Weise, wie das Weiße Haus wirtschaftspolitische Entscheidungen trifft – impulsiv, erratisch und zunehmend protektionistisch. Die von Trump verhängten Zölle auf europäische und chinesische Importe sowie die lautstarke Rhetorik gegen die US-Notenbank haben den US-Dollar in eine toxische Mischung aus politischem Risiko und wirtschaftlicher Unsicherheit getrieben.







"Investoren haben aufgehört, den US-Dollar als Fluchtwährung zu behandeln, und sehen ihn zunehmend als Risikowert", sagt Steve Kamin, ehemaliger Fed-Ökonom. Die UBS hat ihre US-Dollar-Prognose bereits zum zweiten Mal in kurzer Zeit gesenkt. Der Grund: der sich abzeichnende strukturelle Vertrauensverlust. Bipan Rai von BMO Global Asset Management sprach in einem Bloomberg-Interview bereits von einem "Paradigmenwechsel" in der globalen Kapitalallokation, bei dem der US-Dollar nicht länger der zentrale Anker ist.
Die Deutsche Bank warnte in der vergangenen Woche vor einem strukturellen Abwärtstrend des US-Dollars in den kommenden Jahren, der die US-Währung auf den schwächsten Stand seit mehr als einem Jahrzehnt gegenüber dem Euro drücken könnte.
Die Trump-Administration reagiert darauf mit der bekannten Mischung aus Selbstbewusstsein und Gegenangriff. In einem Statement betont das Weiße Haus die "Stärke und Kraft des US-Dollars" und verweist auf Billionen-Investitionen globaler Konzerne in den US-Standort. Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Hedgefonds und Vermögensverwalter haben zuletzt Short-Positionen gegen den US-Dollar in Höhe von über zehn Milliarden US-Dollar aufgebaut – der höchste Wert seit Oktober 2024.
Auch geopolitisch strahlt die US-Dollar-Schwäche aus. In einer Zeit, in der andere Länder ihre Verteidigungsausgaben massiv hochfahren und Europa fiskalisch aufrüstet, droht die Währungsmacht des US-Dollars zu erodieren. Statt Dominanz sendet Amerika Volatilität. Statt Verlässlichkeit: Schnellschüsse, die zu extremen Kursschwankungen führen können und das Vertrauen untergraben.
Während Gold neue Allzeithochs erklimmt und selbst Bitcoin sich in der Trump’schen Achterbahnfahrt wacker hält, bleibt die US-Währung im Gegenwind. Und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, in dem fiskalische Stabilität und geldpolitische Unabhängigkeit gefragt wären wie selten zuvor.
Der schwache US-Dollar ist dabei nicht Ursache, sondern Folge einer Politik, die auf kurzfristige Wirkung statt langfristige Verankerung setzt. Die Lehre aus den ersten 100 Tagen: Wer in Washington zu laut über Stärke spricht, könnte sich an den Märkten über Schwäche wundern.
Autor: Ingo Kolf, wallstreetONLINE Redaktion

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