Euro auf Rekordhoch
Europas Unternehmen unter Druck – Gewinne schrumpfen, Sorgen wachsen
Auf handelsgewichteter Basis ist der Euro derzeit auf einem Rekordhoch - und das macht Europas Konzernen immer mehr zu schaffen. Das wirkt sich auf die Aktienkurse und die Geschäfte aus.
- Euro erreicht Rekordhoch, belastet europäische Firmen.
- US-Zölle und starke Währung dämpfen Gewinnwachstum.
- Unternehmen kämpfen mit Wechselkursrisiken und Unsicherheit.
- Report: Die USA haben fertig! 5 Aktien für den China-Boom

Die europäischen Unternehmen leiden bereits stark unter den neuen US-Zöllen und den sich eintrübenden transatlantischen Handelsbeziehungen. Seit der Amtsübernahme von US-Präsident Donald Trump hat sich das wirtschaftliche Klima zwischen Europa und den USA spürbar verschlechtert. Strafzölle auf Autos, Maschinen und Chemieprodukte treffen gerade die exportstarken Industrien Deutschlands, Frankreichs und Italiens besonders hart.
Der unerwartete Anstieg des Euro infolge der neuen Zölle entwickelt sich zudem immer mehr zu einem ernsten Problem für die Unternehmen. Statt einer abwertenden Währung, wie sie bei Handelskonflikten oft zu beobachten ist, hat der Euro seit Anfang des Jahres mehr als zehn Prozent an Wert gewonnen – ein Niveau, das laut Analysten das Gewinnwachstum europäischer Firmen erheblich dämpfen dürfte. Für die exportorientierte Wirtschaft des Kontinents kommt diese Entwicklung zur Unzeit.
Während Washington mit Strafzöllen droht, rückt Europas starke Währung in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Auf handelsgewichteter Basis hat der Euro laut Reuters-Angaben ein Rekordhoch erreicht – eine Kennzahl, die auch für die Europäische Zentralbank (EZB) entscheidend ist. Etwa die Hälfte des jüngsten Anstiegs entfiel allein auf den Monat April. Das bedeutet: Der Euro verzeichnet seinen besten Monat seit Ende 2022 – ein Boom, der den Gewinnausblick für zahlreiche Konzerne trübt.
Laut Goldman Sachs erzielen die im STOXX 600 gelisteten Unternehmen rund 60 Prozent ihrer Umsätze außerhalb der Eurozone – fast die Hälfte davon in den USA. "Ein deutlich schwächeres Wachstum gepaart mit einem deutlich stärkeren Euro ist für Europa eine doppelte Belastung", sagte Emmanuel Cau von Barclays.









Das zeigt sich bereits nach so kurzer Zeit. SAP, Europas wertvollstes Unternehmen, hat jüngst vor negativen Wechselkurseffekten gewarnt. Der Softwarekonzern geht davon aus, dass jeder Cent Aufwertung beim Euro das Jahresergebnis um 30 Millionen Euro schmälert. Als Folge davon geraten die Gewinne massiv unter Druck. Historisch gesehen senkt eine Euro-Aufwertung um zehn Prozent den Gewinn europäischer Firmen um zwei bis drei Prozent, so BNP-Analyst Dennis Jose.
Auch die Wettbewerbsfähigkeit leidet – besonders in dem für die deutsche Wirtschaft so wichtigen Automobilsektor, der zusätzlich durch US-Zölle und wachsenden Druck chinesischer Hersteller belastet wird. Seit Trumps Rückkehr ins Weiße Haus haben europäische Auto- und Zuliefereraktien rund acht Prozent verloren – deutlich mehr als der Gesamtmarkt. Pessimistisch haben sich auch Branchenschwergewichte wie der Konsumgüterriese Unilever oder der Kosmetikkonzern L’Oréal geäußert und von rückläufigen Umsätzen berichtet.
Zugleich stellt sich für Unternehmen die Frage, wie effektiv sie sich gegen die Turbulenzen absichern können. Viele Konzerne haben ihre Wechselkursrisiken bereits abgesichert. So dürften beispielsweise bei SAP erste Verluste erst 2026 realisiert werden, wenn bestehende Absicherungsgeschäfte auslaufen. Händler berichten, dass besonders beliebte Hedging-Strategien wie das sogenannte "Selling Volatility" wegen der jüngsten Marktschwankungen kaum noch zum Einsatz kommen.
Auch langfristige Absicherungen sind riskant, da sich Lieferketten infolge der Zölle verschieben könnten. "Die letzten sechs Wochen waren beispiellos – daher verhalten sich viele Unternehmen derzeit äußerst vorsichtig", sagte Aadith Raman, Devisenhändler bei Nomura.
Selbst wenn die EZB mit weiteren Zinssenkungen auf die neuen Herausforderungen reagiert, bleibt es fraglich, in welchem Maße sie die Euro-Rallye bremsen kann. Für viele europäische Unternehmen ist die starke Währung bereits jetzt ein strukturelles Risiko, das mit der Zeit noch deutlich größer werden könnte – mit unmittelbaren Auswirkungen auf ihre Gewinnmargen, Wettbewerbsfähigkeit und Investitionsentscheidungen.
Autor: Ingo Kolf, wallstreetONLINE Redaktion

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